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Mittwoch, 1. März 2023

Glattauer, Daniel - Die spürst du nicht


5 von 5 Sternen


Bestseller-Qualität


Ich bemühe mich in meinen Rezensionen darum, nur in solchen Fällen von Superlativen Gebrauch zu machen, in denen es in meinen Augen wirklich gerechtfertigt ist. Und das Werk „Die spürst du nicht“ von Daniel Glattauer wird ein Buch sein, bei dem ich ins Schwärmen geraten werde, soviel kann ich einleitend bereits vorwegnehmen. Hier stimmt einfach alles. Es steckt so viel Gutes, Wahres und Aufwühlendes in diesem Buch. Das erlebe ich nicht oft, wenn ich ein Buch in die Hand nehme. Schon auf der ersten Seite hatte mich das Buch für sich eingenommen, der Erzählton traf genau meinen Nerv, ich habe direkt gespürt, dass mich ein tolles Buch erwartet und ich wurde nicht enttäuscht. Und endlich darf ich in einer Rezension einfach einmal in eine Lobeshymne verfallen, ich habe lange darauf gewartet.

 

Dieses Buch hat so unglaublich viele Facetten, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Auf den ersten Seiten gefiel mir direkt der Erzählton. Es wird auf das Mittel eines auktorialen Erzählers zurückgegriffen, der dem Leser die Figuren süffisant und mit ironischer Distanz näherbringt. Er vereinnahmt den Leser durch die Wir-Perspektive und schnell sind wir dabei, dem Erzähler bei seiner Kommentierung der Figuren zuzustimmen und ihm beizupflichten. Doch der Erzählton ändert sich, passend zum Geschehen, als sich ein tragisches Unglück im Familienurlaub ereignet. Er wird ernster und tragender. Und plötzlich ist die Handlung gar nicht mehr so locker-flockig und die ironische Distanz verschwindet, der Erzähler nimmt sich zurück, die Figurenrede gewinnt an Gewicht. Das ist alles großartig arrangiert! Und das ist ja nur die handwerkliche Seite des Geschriebenen.

 

Was die inhaltliche Seite des Romans betrifft, so zeichnet sich die Handlung vor allem dadurch aus, dass viele Schattierungen in den Blick genommen werden. Der Inhalt wird sehr abwechslungsreich und mit Hilfe vieler Perspektivwechsel sowie verschiedener Textsorten (z.B. Auszüge aus sozialen Netzwerken, Zeitungsberichte etc.) beleuchtet. Und die Themen, die dabei angeschnitten werden, sind bedeutungsschwer. Es geht um Schein und Sein, es geht um Verantwortung und Schuld, es geht um Toleranz und Empathie, es geht um Naivität und Leichtsinn, um Ignoranz und Impertinenz und um vieles mehr. In diesem Text steckt einfach so viel. Er strotzt vor Tragik und Fehlentscheidungen. Die freudige Urlaubsatmosphäre findet durch eine Katastrophe ein jähes Ende und was dann im Nachgang folgt, hat mich einfach gepackt und erschüttert. Ich war während der gesamten Lektüre stark emotionalisiert, vor allem die Familiengeschichte der Ahmeds hat mich bewegt.

 

Es geht um die Reaktionen auf den tragischen Vorfall. Reaktionen der beteiligten Familienmitglieder. Und auch Reaktionen im Netz. Die Situationsunangemessenheit vieler Äußerungen in den sozialen Netzwerken kommt gut zum Ausdruck. Eine sehr treffende Kritik! Streitigkeiten über Verantwortung treten zutage, Egoismen bestimmen an vielen Stellen die Handlungsweisen der Figuren. Und die Tochter der Strobl-Marineks flüchtet sich in die virtuelle Realität. Im Zentrum steht die Frage, wie die Figuren jeweils auf ihre eigene Art mit dem Schicksalsschlag umgehen. Und das, was der Autor entwirft, wirkt auf mich alles sehr lebensecht, authentisch und realistisch, wie aus dem Leben gegriffen. Das betrifft besonders auch die Gestaltung der Beziehungsverhältnisse der verschiedenen Charaktere. Einfach großartig und anerkennenswert! Und hinzu kommt nicht zuletzt auch noch ein äußerst kreativer Umgang mit Sprache. Auch die Sprechweise von Pierre ist treffend gestaltet! Das rundet das Werk noch einmal zusätzlich ab.

 

Fazit

Ein Werk, bei dem in meinen Augen einfach alles stimmt. Das Buch emotionalisiert nicht nur sehr stark, auch die erzählerische und sprachliche Gestaltung sind herausragend. Und inhaltlich hat „Die spürst du nicht“ unglaublich viel zu bieten, es werden so viele wichtige Themen aufgegriffen, die Figuren wirken dabei so lebensecht und realistisch. In meinen Augen hat dieses Buch ganz klar Bestseller-Qualität. Das Schicksal der Mohameds und die Reaktionen der Verantwortlichen sind bewegend. Und die Kritik an gesellschaftspolitischen Zuständen, die Glattauer mit diesem Werk zum Ausdruck bringt, ist sehr treffsicher und sicherlich auch berechtigt. Klare 5 Sterne!

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