Eddie Flynn als Actionheld
Steve Cavanagh war für mich eine der Neuentdeckungen 2022. Sein
Justizthriller „Thirteen“ konnte mich begeistern. Und auch „Fifty-Fifty“ habe
ich verschlungen (vgl. frühere Rezensionen). Nun hat der Goldmann-Verlag den
ersten Band der Reihe um Eddie Flynn herausgegeben. Er trägt den Titel „Zu
wenig Zeit zum Sterben“ und kommt für mich ganz anders daher als „Thirteen“ und
„Fifty-Fifty“. Warum? Das will ich gerne begründen.
Es handelt sich um ein sehr actionreiches Buch, das Tempo ist von
Anfang an hoch. Und der Thriller wird geradlinig erzählt, d.h. ohne
Perspektivwechsel. In erzähltechnischer Hinsicht sind „Thirteen“ und
„Fifty-Fifty“ also deutlich abwechslungsreicher gestaltet worden, was mir auch
besser gefallen hat. Und die Handlung um Eddie hat es dieses Mal in sich. Er
soll im Gerichtssaal unbemerkt eine Bombe anbringen, um einen Kronzeugen
umzubringen, der gegen die Russenmafia aussagt. Und er wird erpresst. Seine
Tochter wurde entführt und man droht ihm, sie zu töten, wenn er den Auftrag
nicht ausführt. Eddie agiert dann in Bruce-Willis-Manier. So hat man ihn in den
bereits erschienenen Thrillern noch nicht kennen gelernt. Und etwas gestolpert
bin ich dann auch über die Tochter, denn aus „Thirteen“ und „Fifty-Fifty“ war
mir nicht in Erinnerung, dass Eddie Vater einer Tochter ist.
Das Juristische steht in diesem Thriller deutlich weniger im
Vordergrund als in den schon erschienen Werken, es kommt nur am Rande vor. Das
fand ich ebenfalls sehr schade. Denn die Passagen, die im Gericht spielen, sind
wieder einmal sehr gelungen. Das Debut kommt einfach viel actionlastiger daher
als Band 4 und 5 der Reihe und ist in meinen Augen qualitativ schlechter. Ich
kann nun sogar verstehen, warum man sich im Verlag entschieden hat, die Reihe
mit dem vierten und fünften Band zu starten. Aber nun gut, jeder Autor fängt
einmal an und entwickelt sich dann weiter. Das merkt man „Zu wenig Zeit zum Sterben“
tatsächlich an. Denn noch etwas unterscheidet ihn von „Thirteen“ und „Fifty-Fifty“.
Er ist deutlich unrealistischer. Eddie ist hier mehr Actionheld, weniger
raffinierter Anwalt.
Was aber wiederum gelungen ist, ist der Umstand, dass die Figur Eddie
Flynn durch den ersten Band mehr Tiefe erhält. Man erfährt mehr über sein
Talent als Trickbetrüger, sein Familienleben wird nun ausführlicher dargelegt
und auch die Beziehung zu Harry wird deutlicher. Er beeindruckt durch ein
unglaubliches Improvisationstalent. Noch dazu ist das Setting natürlich gut
ausgeklügelt: Eddie hat 31 Stunden Zeit, die Russenmafia aufs Kreuz zu legen
und seine Tochter zu befreien. Dabei kommt das „Doppelbödige“ gut zum Ausdruck.
Das doppelte Spiel, das Eddie treibt, ist interessant gestaltet und animiert
zum Weiterlesen. Und durch den ständigen Zeitdruck wird gut Tempo erzeugt. Man
muss sich nur darauf einlassen. Nach „Thirteen“ und „Fifty-Fifty“ habe ich
etwas anderes erwartet. Ich war überrascht davon, dass sich das Debut doch so
stark von diesen beiden Thrillern unterscheidet. Mit so viel Action und Tempo hätte
ich nicht gerechnet. Ich hätte mir gewünscht, dass die Handlung mehr im
Gerichtssaal spielt.
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