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Donnerstag, 3. November 2022

Schami, Rafik - Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat


5 von 5 Sternen


Abwechslungsreiche und gelungene Anthologie mit 20 Erzählungen


In der Anthologie mit dem lustigen Titel „Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat“ von Rafik Schami sind insgesamt 20 Erzählungen versammelt. Es werden unterschiedlichen Themenkomplexe behandelt. Die ersten beiden Erzählungen widmen sich dem Thema „Erinnerungen“, daran schließen sich Erzählungen an, die die „Begegnung mit Fremdem“ thematisieren. Eine weitere thematische Gruppierung von Erzählungen handelt von dem Thema „mörderische Fantasien und Tod“. Die letzten sechs Geschichten sind dann sehr fantasievoll, übernatürliche Kräfte und magische Wesen kommen darin vor. Letztlich ist die Gestaltung der verschiedenen Texte sehr abwechslungsreich, der Erzählton reicht von amüsant-ironisch bis hin zu tief-traurig und fantasievoll sowie ernsthaft oder gar kriminalistisch. Da ich nicht alle Erzählungen im Detail besprechen kann, greife ich hier einige wenige heraus, die mir besonders gut gefallen haben.

 

Erinnerst du dich? (S. 12-29)

In dieser Erzählung geht es um die Problematik der Liebesheirat. Der Ich-Erzähler soll eine Frau heiraten, für die er keine Gefühle hat. Sein Vater belehrt ihn, dass Männer keine Liebe nötig hätten. Doch wie es der Zufall will, verliebt sich der Erzähler in eine andere Frau. Diese Geschichte ist so arrangiert, dass der Erzähler in Rückblicken von der gemeinsamen Vergangenheit berichtet und in Erinnerungen schwelgt.

 

Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat (S. 31-37)

Hier wird auf die Besonderheiten der deutschen und arabischen Gastfreundschaft eingegangen, und das auf amüsante Art und Weise. Ich musste während der Lektüre dieser feinsinnigen Geschichte sehr schmunzeln. Anders als in Deutschland sei es in Damaskus unhöflich, wenn die Gäste bei einer Einladung etwas zum Essen mitbringen, so der Erzähler. Typische Verhaltensweisen von Deutschen werden genüsslich auf die Schippe genommen und seziert.

 

Leichenschmaus (S. 37-50)

In dieser ebenfalls sehr lustigen Erzählungen berichtet der Erzähler davon, mit welchen deutschen Wörtern er zuerst in Berührung kam: Raureif und Ausverkauf. Und nicht zuletzt: Leichenschmaus. Es folgen vergnügliche Reflexionen über die Wortbildung in der deutschen Sprache. Auch die deutsche „Friedhofskultur“ befremdet den Erzähler. Auch die Art zu trauern unterscheide sich bei Arabern und Deutschen.

 

Warum ist ein Kaufhaus kein Basar (S. 69-73)

Eine weitere lustige Begebenheit wird hier erzählerisch äußerst gelungen dargelegt: die missglückten Versuche eines Erzählers im Kaufhaus den Preis für einen Pullover herunterzuhandeln. Es wird gut deutlich, dass das Handeln in der arabischen Kultur tief verankert ist. Das Muster eines solchen Verkaufsgesprächs wird hier exemplarisch vorgeführt und auf die Schippe genommen. Toll!

 

Der Libanese (S. 121-149)

In dieser durchaus ernsthaften Erzählung, die mit einer Prise bissiger-scharfzüngiger Ironie versehen ist, geht es darum, dass der Erzähler E-Mails von einem Strafgefangenen erhält, der von seinem Mithäftling, einem Libanesen namens Hamid, berichtet. Es entwickelt sich eine richtige Gangster-Geschichte mit Mord und Totschlag. Hamid hat in einem Eifersuchtswahn drei Männer umgebracht, die seine Frau bedrängt haben.

 

Subabe (S. 151-164)

Für Tierliebhaber gibt es diese wunderbar ironische Geschichte, in der der Erzähler seine Abneigung gegenüber Haustieren erklärt. Eines Tages jedoch erhält er Besuch von einer mit Akzent sprechenden Fliege, die er fortan überall mit hinnimmt und liebevoll mit Essen und Getränken versorgt.

 

Gottes erster Kriminalfall (S. 178-192)

Eine Eigeninterpretation der Schöpfungsgeschichte, in der der Erzähler darüber sinniert, warum Gott nicht mehr die Geschicke der Menschheit leitet. Es geht also um die „Theodizee-Problematik“. Eine Erzählung, die zum Vergleich und zum Nachdenken anregt, die aber auch mit einem Augenzwinkern erzählt wird.

 

Fazit

Rafik Schami ist ein begnadeter Erzähler, der sich für mich durch seinen scharfen, oft amüsant-ironischen Blick auf zwischenmenschliche und interkulturelle Feinheiten und „Fettnäpfchen“ auszeichnet. Besonders gefallen haben mir die Erzählungen zum Thema „Begegnung mit Fremdem“ (S. 29-91), die oft sehr amüsant daherkommen. Besonders schmunzeln musste ich immer dann, wenn auf herrlich absurde Erklärungen zurückgegriffen wird, um Sachverhalte zu erläutern (z.B. „Bei so einem Ausmaß von Rassismus darf man nicht mehr aufklären, denn es fehlt den Leuten offenbar die Großhirnrinde, ohne die keine Aufklärung möglich ist“, S. 80). Ich vergebe 5 Sterne, weil ich gut unterhalten wurde und auch wieder etwas dazugelernt habe.

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