Abwechslungsreiche und gelungene Anthologie mit 20 Erzählungen
In der Anthologie mit dem lustigen Titel „Eine deutsche Leidenschaft
namens Nudelsalat“ von Rafik Schami sind insgesamt 20 Erzählungen versammelt.
Es werden unterschiedlichen Themenkomplexe behandelt. Die ersten beiden Erzählungen
widmen sich dem Thema „Erinnerungen“, daran schließen sich Erzählungen an, die die
„Begegnung mit Fremdem“ thematisieren. Eine weitere thematische Gruppierung von
Erzählungen handelt von dem Thema „mörderische Fantasien und Tod“. Die letzten
sechs Geschichten sind dann sehr fantasievoll, übernatürliche Kräfte und
magische Wesen kommen darin vor. Letztlich ist die Gestaltung der verschiedenen
Texte sehr abwechslungsreich, der Erzählton reicht von amüsant-ironisch bis hin
zu tief-traurig und fantasievoll sowie ernsthaft oder gar kriminalistisch. Da
ich nicht alle Erzählungen im Detail besprechen kann, greife ich hier einige
wenige heraus, die mir besonders gut gefallen haben.
Erinnerst du dich? (S. 12-29)
In dieser Erzählung geht es um die Problematik der Liebesheirat. Der
Ich-Erzähler soll eine Frau heiraten, für die er keine Gefühle hat. Sein Vater belehrt
ihn, dass Männer keine Liebe nötig hätten. Doch wie es der Zufall will,
verliebt sich der Erzähler in eine andere Frau. Diese Geschichte ist so
arrangiert, dass der Erzähler in Rückblicken von der gemeinsamen Vergangenheit
berichtet und in Erinnerungen schwelgt.
Eine deutsche Leidenschaft namens Nudelsalat (S. 31-37)
Hier wird auf die Besonderheiten der deutschen und arabischen
Gastfreundschaft eingegangen, und das auf amüsante Art und Weise. Ich musste
während der Lektüre dieser feinsinnigen Geschichte sehr schmunzeln. Anders als
in Deutschland sei es in Damaskus unhöflich, wenn die Gäste bei einer Einladung
etwas zum Essen mitbringen, so der Erzähler. Typische Verhaltensweisen von
Deutschen werden genüsslich auf die Schippe genommen und seziert.
Leichenschmaus (S. 37-50)
In dieser ebenfalls sehr lustigen Erzählungen berichtet der Erzähler davon,
mit welchen deutschen Wörtern er zuerst in Berührung kam: Raureif und
Ausverkauf. Und nicht zuletzt: Leichenschmaus. Es folgen vergnügliche
Reflexionen über die Wortbildung in der deutschen Sprache. Auch die deutsche „Friedhofskultur“
befremdet den Erzähler. Auch die Art zu trauern unterscheide sich bei Arabern
und Deutschen.
Warum ist ein Kaufhaus kein Basar (S. 69-73)
Eine weitere lustige Begebenheit wird hier erzählerisch äußerst gelungen
dargelegt: die missglückten Versuche eines Erzählers im Kaufhaus den Preis für
einen Pullover herunterzuhandeln. Es wird gut deutlich, dass das Handeln in der
arabischen Kultur tief verankert ist. Das Muster eines solchen
Verkaufsgesprächs wird hier exemplarisch vorgeführt und auf die Schippe
genommen. Toll!
Der Libanese (S. 121-149)
In dieser durchaus ernsthaften Erzählung, die mit einer Prise bissiger-scharfzüngiger
Ironie versehen ist, geht es darum, dass der Erzähler E-Mails von einem
Strafgefangenen erhält, der von seinem Mithäftling, einem Libanesen namens
Hamid, berichtet. Es entwickelt sich eine richtige Gangster-Geschichte mit Mord
und Totschlag. Hamid hat in einem Eifersuchtswahn drei Männer umgebracht, die
seine Frau bedrängt haben.
Subabe (S. 151-164)
Für Tierliebhaber gibt es diese wunderbar ironische Geschichte, in der
der Erzähler seine Abneigung gegenüber Haustieren erklärt. Eines Tages jedoch
erhält er Besuch von einer mit Akzent sprechenden Fliege, die er fortan überall
mit hinnimmt und liebevoll mit Essen und Getränken versorgt.
Gottes erster Kriminalfall (S. 178-192)
Eine Eigeninterpretation der Schöpfungsgeschichte, in der der Erzähler
darüber sinniert, warum Gott nicht mehr die Geschicke der Menschheit leitet. Es
geht also um die „Theodizee-Problematik“. Eine Erzählung, die zum Vergleich und
zum Nachdenken anregt, die aber auch mit einem Augenzwinkern erzählt wird.
Fazit:
Rafik Schami ist ein begnadeter Erzähler, der sich für mich
durch seinen scharfen, oft amüsant-ironischen Blick auf zwischenmenschliche und
interkulturelle Feinheiten und „Fettnäpfchen“ auszeichnet. Besonders gefallen
haben mir die Erzählungen zum Thema „Begegnung mit Fremdem“ (S. 29-91), die oft
sehr amüsant daherkommen. Besonders schmunzeln musste ich immer dann, wenn auf
herrlich absurde Erklärungen zurückgegriffen wird, um Sachverhalte zu erläutern
(z.B. „Bei so einem Ausmaß von Rassismus darf man nicht mehr aufklären, denn es
fehlt den Leuten offenbar die Großhirnrinde, ohne die keine Aufklärung möglich
ist“, S. 80). Ich vergebe 5 Sterne, weil ich gut unterhalten wurde und auch
wieder etwas dazugelernt habe.
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