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Mittwoch, 16. November 2022

Ware, Ruth - Hinter diesen Türen


3 von 5 Sternen


Unblutig, unheimlich und psychologisch durchdacht

Der Thriller „Hinter diesen Türen“ zeichnet sich durch die typischen „Ruth-Ware-Charakteristika“ aus: unblutig, psychologisch durchdacht, unheimliche Atmosphäre und abgelegene, von der Außenwelt abgeschnittene Handlungsorte. Hinzu kommen stimmige Charaktere und eine realistische sowie authentische Dialoggestaltung. All das findet man wieder (vgl. auch meine früheren Rezensionen zu „Im dunklen, dunklen Wald“, „woman in cabin 10“, „Der Tod der Mrs. Westaway“ und „Wie tief ist deine Schuld“).

 

Dieses Mal spielt die Handlung in einem düsteren, atmosphärisch aufgeladenen, alten Herrenhaus in den Highlands. Und der Beginn ist direkt gelungen. Ich wurde sofort mitgerissen. Eine Ich-Erzählerin namens Rowan Caine schreibt einen Brief an ihren Anwalt und behauptet darin, den ihr zur Last gelegten Mord nicht begangen zu haben. Natürlich will man dann sofort wissen, was passiert ist und ob die Ich-Erzählerin tatsächlich unschuldig ist. Wird Mr. Wrexham, der Anwalt, ihr helfen können?

 

Im Rückblick werden dann einerseits die Ereignisse geschildert, andererseits immer wieder Briefe an den Anwalt auf einer gegenwärtigen Zeitebene eingeschoben. Wir haben es also mit einem Thriller zu tun, wo der vermeintliche Mörder sofort bekannt ist und es um die Geschehnisse im Vorfeld des Mords geht. Nur leider spielte Mr. Wrexham dann im Laufe der Handlung keine aktive Rolle. Hier hätte ich mir eine zusätzliche Perspektive gewünscht. Stattdessen sind wir als Leser ganz nah an die Perspektive von Rowan gebunden und bleiben auch die ganze Zeit bei ihr. Mit anderen Worten: Der Thriller wird geradlinig erzählt. Kann man mögen, aber ich hätte mir mehr Abwechslung gewünscht.

 

Der Schreibstil von Ruth Ware ist erwartungsgemäß flüssig, auch die Handlung wird logisch und gut aufgebaut. Und was mir dieses Mal besonders gut gefallen hat: Die authentisch gestalteten Dialoge. Auch gibt es immer mal wieder gute spannungserregende Momente zwischendurch, insbesondere auf den ersten 100 Seiten. Leider flacht der Spannungsbogen dann aber zwischen dem guten Auftakt und dem dynamischeren Ende auf den letzten 60 Seiten ziemlich ab. Zwischen Beginn und Auflösung nimmt die Alltagsschilderung mit den Kindern viel Raum ein. Es geht vor allem um die Hürden der Kinderbetreuung. Und zusätzlich legt die Autorin v.a. Wert auf das Erzeugen einer unheimlichen, fast mysteriösen Atmosphäre. So eindringlich wie in diesem Thriller ist der Autorin das in meinen Augen noch nie gelungen.

 

Aber man sollte solche „Gruselmomente“ und das Spiel mit den menschlichen Urängsten mögen. Geräusche und Schatten erschrecken die Ich-Erzählerin des Öfteren. Mich hat das leider nicht richtig angesprochen. Ich hätte mir stattdessen gewünscht, dass das Thema der akustischen und visuellen Überwachung, das auch im Thriller vorkommt, noch mehr Raum einnimmt. Auch die Kinder und ihr Verhalten gerieten mir im Laufe der Handlung zu sehr aus dem Blick. Ich hatte schon den Eindruck, dass die Autorin bei der inhaltlichen Schwerpunktsetzung keine klare Entscheidung treffen konnte, in welche Richtung sie gehen möchte. Das wirkt sich negativ auf die Spannung aus. Gleichzeitig war ich froh, dass das mystische Element des Spuks keine so große Rolle gespielt hat, wie es der Klappentext zunächst vermuten ließ. Auch fand ich dieses Mal einige Dinge etwas unrealistisch. Das kannte ich von Ruth Ware bisher so nicht: Wer tritt schon eine Stelle als Nanny an, ohne seine Arbeitgeber zu kennen? Welche Eltern verlassen direkt nach dem ersten Arbeitstag des neuen Kindermädchens die eigenen Kinder wegen einer Dienstreise? Auch pädagogisches Handlungswissen kann man diesem Thriller nicht entnehmen. Das wirkte auf mich schon etwas überzeichnet.

 

Fazit

Das ist bisher mein schwächster Thriller von Ruth Ware. Er ist zwar solide, aber Spannung will nicht so recht aufkommen. Gelungen sind in meinen Augen v.a. der Auftakt und die Auflösung. Das konnte die Autorin in der Vergangenheit besser (vgl. meine früheren Rezensionen). „Hinter diesen Türen“ ist mir zu ereignislos. Es werden vor allem die Geschehnisse im Vorfeld eines Tods beleuchtet, nicht die Geschehnisse nach der Tat. Ich vergebe 3 Sterne. Trotzdem muss man der Autorin zu Gute halten, dass sie in ihren Thriller immer wieder neue Ideen generiert und so ein abwechslungsreiches Gesamtwerk hervorbringt.

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