Unblutig, unheimlich und psychologisch durchdacht
Der Thriller „Hinter diesen Türen“ zeichnet sich durch die typischen
„Ruth-Ware-Charakteristika“ aus: unblutig, psychologisch durchdacht,
unheimliche Atmosphäre und abgelegene, von der Außenwelt abgeschnittene
Handlungsorte. Hinzu kommen stimmige Charaktere und eine realistische sowie
authentische Dialoggestaltung. All das findet man wieder (vgl. auch meine
früheren Rezensionen zu „Im dunklen, dunklen Wald“, „woman in cabin 10“, „Der
Tod der Mrs. Westaway“ und „Wie tief ist deine Schuld“).
Dieses Mal spielt die Handlung in einem düsteren, atmosphärisch
aufgeladenen, alten Herrenhaus in den Highlands. Und der Beginn ist direkt
gelungen. Ich wurde sofort mitgerissen. Eine Ich-Erzählerin namens Rowan Caine
schreibt einen Brief an ihren Anwalt und behauptet darin, den ihr zur Last
gelegten Mord nicht begangen zu haben. Natürlich will man dann sofort wissen,
was passiert ist und ob die Ich-Erzählerin tatsächlich unschuldig ist. Wird Mr.
Wrexham, der Anwalt, ihr helfen können?
Im Rückblick werden dann einerseits die Ereignisse geschildert,
andererseits immer wieder Briefe an den Anwalt auf einer gegenwärtigen
Zeitebene eingeschoben. Wir haben es also mit einem Thriller zu tun, wo der
vermeintliche Mörder sofort bekannt ist und es um die Geschehnisse im Vorfeld des
Mords geht. Nur leider spielte Mr. Wrexham dann im Laufe der Handlung keine
aktive Rolle. Hier hätte ich mir eine zusätzliche Perspektive gewünscht.
Stattdessen sind wir als Leser ganz nah an die Perspektive von Rowan gebunden
und bleiben auch die ganze Zeit bei ihr. Mit anderen Worten: Der Thriller wird
geradlinig erzählt. Kann man mögen, aber ich hätte mir mehr Abwechslung
gewünscht.
Der Schreibstil von Ruth Ware ist erwartungsgemäß flüssig, auch die
Handlung wird logisch und gut aufgebaut. Und was mir dieses Mal besonders gut
gefallen hat: Die authentisch gestalteten Dialoge. Auch gibt es immer mal
wieder gute spannungserregende Momente zwischendurch, insbesondere auf den
ersten 100 Seiten. Leider flacht der Spannungsbogen dann aber zwischen dem guten
Auftakt und dem dynamischeren Ende auf den letzten 60 Seiten ziemlich ab.
Zwischen Beginn und Auflösung nimmt die Alltagsschilderung mit den Kindern viel
Raum ein. Es geht vor allem um die Hürden der Kinderbetreuung. Und zusätzlich
legt die Autorin v.a. Wert auf das Erzeugen einer unheimlichen, fast
mysteriösen Atmosphäre. So eindringlich wie in diesem Thriller ist der Autorin
das in meinen Augen noch nie gelungen.
Aber man sollte solche „Gruselmomente“ und das Spiel mit den
menschlichen Urängsten mögen. Geräusche und Schatten erschrecken die
Ich-Erzählerin des Öfteren. Mich hat das leider nicht richtig angesprochen. Ich
hätte mir stattdessen gewünscht, dass das Thema der akustischen und visuellen
Überwachung, das auch im Thriller vorkommt, noch mehr Raum einnimmt. Auch die
Kinder und ihr Verhalten gerieten mir im Laufe der Handlung zu sehr aus dem
Blick. Ich hatte schon den Eindruck, dass die Autorin bei der inhaltlichen
Schwerpunktsetzung keine klare Entscheidung treffen konnte, in welche Richtung
sie gehen möchte. Das wirkt sich negativ auf die Spannung aus. Gleichzeitig war
ich froh, dass das mystische Element des Spuks keine so große Rolle gespielt
hat, wie es der Klappentext zunächst vermuten ließ. Auch fand ich dieses Mal
einige Dinge etwas unrealistisch. Das kannte ich von Ruth Ware bisher so nicht:
Wer tritt schon eine Stelle als Nanny an, ohne seine Arbeitgeber zu kennen?
Welche Eltern verlassen direkt nach dem ersten Arbeitstag des neuen
Kindermädchens die eigenen Kinder wegen einer Dienstreise? Auch pädagogisches
Handlungswissen kann man diesem Thriller nicht entnehmen. Das wirkte auf mich
schon etwas überzeichnet.
Fazit:
Das ist bisher mein schwächster Thriller von Ruth Ware. Er ist
zwar solide, aber Spannung will nicht so recht aufkommen. Gelungen sind in
meinen Augen v.a. der Auftakt und die Auflösung. Das konnte die Autorin in der
Vergangenheit besser (vgl. meine früheren Rezensionen). „Hinter diesen Türen“
ist mir zu ereignislos. Es werden vor allem die Geschehnisse im Vorfeld eines
Tods beleuchtet, nicht die Geschehnisse nach der Tat. Ich vergebe 3 Sterne.
Trotzdem muss man der Autorin zu Gute halten, dass sie in ihren Thriller immer
wieder neue Ideen generiert und so ein abwechslungsreiches Gesamtwerk
hervorbringt.
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