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Donnerstag, 12. Mai 2022

Moore, Graham - Verweigerung


4 von 5 Sternen


Geschworene 272

Wer gerne einen amerikanischen Justiz-Thriller lesen will und dabei einmal einen anderen Autor als John Grisham kennen lernen möchte, der ist bei Graham Moore genau richtig. In „Verweigerung“ wird eine Besonderheit des amerikanischen Gerichtswesens genauer in den Blick genommen: Die Jury und ihr Agieren. Und der Autor weicht in meinen Augen dabei gekonnt von dem ab, was man üblicherweise schon aus anderen „Jury-Thrillern“ kennt. Er kreiert einige neue Ideen und wirft einen sehr differenzierten Blick hinter die Kulissen. Der Einblick in die Prozesse der Entscheidungsfindung einer Jury fällt dabei deutlich detaillierter aus als z.B. bei „Thirteen“ von Steve Cavanagh. Vor allem die Schilderung der Gruppendynamik innerhalb der Gruppe von Geschworenen fand ich interessant und gelungen. Doch worum geht es überhaupt?

Am 19. Oktober 2009 wurde der Lehrer Bobby Nock durch die Jury von der Anklage freigesprochen, seine Schülerin Jessica Silver umgebracht zu haben. Die Leiche des vermeintlichen Opfers wurde nie gefunden. Und dieses Urteil verfolgt die Mitglieder der Jury auch zehn Jahre danach noch immer. Vor allem Rick Leonard denkt, dass die Entscheidung von damals ein Fehler war. Er behauptet einen unwiderlegbaren Beweis für die Schuld von Bobby gefunden zu haben und will diesen publik machen. Doch kurz vor Veröffentlichung dieses Beweises findet man ihn tot auf. Der Verdacht für den Mord fällt dann auf Maya Seale. Sie war in dem umstrittenen Prozess von 2009 ebenfalls Geschworene, bevor sie dann selbst Anwältin geworden ist. Besonders brisant: Sie hat die anderen in der Jury von der Unschuld Bobbys überzeugt und sie umgestimmt. Und alle Indizien sprechen nun gegen sie.

Die große Stärke des Thrillers ist in meinen Augen, dass hier vor allem einmal das in den Mittelpunkt gerückt wird, was sich außerhalb des Gerichtssaals abspielt. Und Maya ist zudem eine Hauptfigur mit „Zugkraft“. Sie ist interessant gestaltet, vor allem weil sie alle Rollen im Justizsystem einmal selbst durchläuft: Von der Geschworenen über die Anwältin bis hin zur Angeklagten. Durch ihr juristisches Wissen ist sie als Angeklagte gut in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Als Anwältin kann sie sich sehr gut in die Jury hineinversetzen. Und als Geschworene blitzt zudem ihr Talent auf, überzeugend zu argumentieren. Sie schafft es, nach und nach alle auf ihre Seite zu ziehen.

Ebenfalls überzeugend ist, dass die große Anzahl der Personen nicht zu einer Überforderung beim Lesen führt. Der Autor schafft es, jedem Mitglied der Jury ein „eigenständiges Gesicht“ zu geben. Insbesondere in den Rückblicken, in denen die Verhandlung des alten Falls genauer dargestellt wird, erhält nahezu jede/r Geschworene ein eigenes Profil.

Interessant ist auch, wie im Laufe der Handlung immer auch Fragen zum Verhältnis von Recht und Gesetz, Gerechtigkeit und Recht, Wahrheit und Recht angerissen werden. All diese Dinge können weit auseinander liegen und Wahrheit ist niemals schwarz-weiß, sondern sehr komplex. Das wird gut deutlich. Auch war lehrreich und aufschlussreich für mich, wie eine Verteidigungsstrategie aussieht, wenn Indizien gegen einen sprechen. Nicht Moral und Gewissen spielen dabei eine Rolle, sondern es wird die Strategie gewählt, die erfolgsversprechend ist.

Fazit

Ein Justiz-Thriller, der vor allem die Gruppendynamik innerhalb einer Jury differenziert in den Blick nimmt und einmal das thematisiert, was sich außerhalb des Gerichtssaals abspielt. Maya ist eine gut konzipierte Figur und auch die Nebenfiguren werden nicht vernachlässigt. Nicht zuletzt enthält der Thriller einige Themen, die zum Nachdenken anregen. Insgesamt also ein sehr guter Justiz-Thriller. Herausragend fand ich ihn nicht, weil mir die Spannung zu sehr auf der Strecke blieb.

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