Differenziert
angelegtes Figurenensemble
Der
Thriller „Freunde. Für immer.“ von Kimberly McCreight besticht nach meinem
Dafürhalten vor allem durch ein sehr differenziert angelegtes Figurentableau,
wie ich es selten in anderen Thrillern gefunden habe. Im Zentrum stehen die
Freunde Jonathan, Derrick, Keith, Stephanie und Maeve, die sich an einem
Wochenende zu einem Junggesellenabschied treffen. Es geht um die Rekonstruktion
eines tragischen Vorfalls, der sich im Rahmen dieses Aufeinandertreffens
ereignet: Keith und Derrick sind plötzlich spurlos verschwunden und die Polizei
findet eine nicht identifizierbare Leiche. Und bei der Vernehmung durch
Detective Julia Scutt rückt dann auch ein Geheimnis aus der Vergangenheit
wieder ins Bewusstsein der Gruppe, das alle Beteiligten zu verschleiern
versuchen. Das alles wird äußerst spannend erzählt.
Hohe Spannungsintensität
Es
dauert zwar etwas, bis man alle Figuren kennen gelernt hat und man einen
Überblick über die Gruppe bekommt, doch dann schafft es die Autorin den Leser
bis zum Schluss zu fesseln. Ich war unheimlich neugierig darauf, zu erfahren,
was sich nun beim Junggesellenabschied genau ereignet hat und welches Geheimnis
die Freunde zu bewahren versuchen. Das treibt die Handlung voran.
Unerwartete Wendungen und ein schlüssiges Ende
In
„Freunde. Für immer“ gibt es am Schluss eine Überraschung, mit der ich nicht
gerechnet hätte. Das ist gelungen. Auch wird die Handlung so schlüssig beendet,
dass am Ende nichts offen bleibt, und die Handlungsfäden werden plausibel
aufgelöst. Auch das ist lobenswert. Nicht jeder Thriller, den ich gelesen habe,
schafft das.
Facettenreich gestaltete Figuren
Das
ist ganz klar die Stärke dieses Thrillers. Wir haben die fünf Freunde, die sehr
facettenreich und mit einer eigenen Charakteristik und Vergangenheit
herausgearbeitet wurden. Die Autorin geht bei jeder Figur sehr ins Detail und
vermag auch die Beziehungsverhältnisse zwischen den Charakteren sehr
differenziert und tiefgründig zu gestalten. Für einen Thriller ist das absolut
außergewöhnlich. Besonders interessant fand ich Keith und sein Drogenproblem.
Auf diese Weise erhält man einen interessanten Einblick in die Gefühlswelt
eines Abhängigen. Und auch der unterschiedliche Umgang der Gruppe mit dem
Geheimnis in der Vergangenheit ist lesenswert. Jeder hat seinen ganz eigenen
Blick auf die Geschehnisse. Deutlich werden auch die Verlogenheit und falsche
Loyalitäten innerhalb der Gruppe.
Hinzu
kommt eine Ermittlerin, die auch gut ausgearbeitet wurde: Detective Julia
Scutt. Was bei ihr gut zum Ausdruck kommt, ist die Rivalität zu ihrem
Vorgesetzten. Und was ihrer Figur ebenfalls einen besonderen Reiz verleiht: Sie
lebt mit einem traumatischen Erlebnis, dem Verlust ihrer Schwester Jane. Auch
dazu werden interessante Hintergründe in die Handlung integriert. Besonders
gefallen haben mir die geschilderten Verhöre. Scutt weiß mehr, als sie sagt,
und die fünf Freunde geben nicht immer Antworten, die zu ihrem
Hintergrundwissen passen. Sie hat durch die Ermittlungen einen
Informationsvorsprung, von dem die Freunde wiederum nichts wissen. Das ist
schon gut gestaltet. Spannend ist auch, wie sie die Front der Gruppe zum
Zusammenbrechen bringen will, indem sie einen Keil zwischen die Freunde
treibt.
Dynamische erzählerische und sprachliche Gestaltung
Positiv
hervorzuheben, ist die geschickte mehrperspektivische Gestaltung. Die
Perspektiven der fünf Freunde und von Julia Scutt werden im Wechsel dargeboten,
wie es bei vielen mehrperspektivischen Thriller der Fall ist. Hinzu kommt noch
eine weitere Perspektive, über die ich aber an dieser Stelle nicht zu viel
verraten will. Und die Autorin versteht ihr Handwerk, die Blickwinkeländerungen
sind geschickt platziert und man erlebt ein- und dieselbe Situation teilweise
aus mehreren Perspektiven und erhält so einen guten Überblick über das
Geschehen.
Was gibt es zu bemängeln? In meinen Augen fast nichts. Die Figuren sind allesamt sehr realistisch und lebensecht gestaltet worden, man ist beim Lesen lediglich stark gefordert. Es dauert etwas um in die Handlung hineinzufinden. Zu Beginn hinterlassen die vielen Figuren und Perspektivwechsel einen etwas unübersichtlichen und unstrukturierten Eindruck auf mich. Man wird von den vielen Details und Zeitsprüngen etwas erschlagen. Aber vielleicht geht das nur mir so. Nach meiner Einschätzung sollte man bei der Lektüre schon aufmerksam sein, damit man alle Zusammenhänge versteht. Das hat meinen Lesegenuss schon etwas getrübt, so dass ich dem Thriller deswegen nicht die volle Anzahl von Sternen gebe. Es ist ein sehr guter Thriller, aber kein herausragender. Und das „innovative Element“ fehlt mir auch.
Fazit:
Ein sehr guter Thriller, der seine Stärke vor allem in der differenzierten Darstellung der Figuren und Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren zeigt. Es dauert etwas, um in die Handlung hineinzufinden. Die Lektüre fordert die Aufmerksamkeit des Lesers. Aus diesem Grund gebe ich nur vier Sterne, spreche aber trotzdem eine Leseempfehlung aus!
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