Kuriositäten-Kabinett
Bei vielen Büchern bin ich immer auf der Suche nach dem „innovativen
Element“, also nach etwas, das sich durch etwas Besonderes von anderen Büchern
abhebt. Der Thriller „Bullet train“ von Kotaro Isaka ist in meinen Augen
innovativ. Warum? Weil er sich durch seine skurrilen Figuren und kuriosen Beziehungsgeflechte und Verwicklungen von anderen Thrillern unterscheidet, und
weil der Ort der Handlung ungewöhnlich ist: ein Schnellzug. In diesem Schnellzug,
auf engstem Raum, agieren fünf Gangster, die sich allesamt durch bizarre
Besonderheiten auszeichnen (vgl. Klappentext), in einer Art Kammerspiel
zusammen. Und es macht Spaß, das zu lesen. Ob es allerdings für jeden Geschmack
das Richtige ist, das sei dahingestellt. Für mich war die Lektüre unheimlich
vergnüglich. Und ich denke für jeden, der gerne Tarantino-Filme schaut, ist
dieses Werk genau das Passende. Denn die Dialoge, die verbalen Schlagabtausche
und die Psychoduelle zwischen den Protagonisten erinnerten mich beim Lesen sehr
an Quentin Tarantinos Filme. Grotesk und erheiternd fand ich zum Beispiel die redselige
Offenherzigkeit, mit der einige der Auftragskiller Gespräche mit normalen
Fahrgästen führten. Das einzige, was ich nicht mochte, waren solche Passagen,
in denen mir der beschriebene Sadismus zu ausgeprägt war. So etwas mag ich einfach
nicht, aber solche Textstellen kamen glücklicherweise nicht zu gehäuft vor. Dafür
mochte ich solche Textstellen, in denen menschliches Verhalten sehr genau
beobachtet und präzise eingeschätzt wurde. Der vierzehnjährige Oji war
dementsprechend die Figur, die ich am interessantesten ausgestaltet fand. Nicht
zuletzt verleihen der Handlungsort, der Erzählton sowie der Wechsel der Perspektiven,
durch die hin und wieder ein- und dieselbe Situation aus verschiedenen
Blickwinkeln dargestellt wird, dem Geschehen eine besondere „Würze“. Auch das
sei hier lobend erwähnt. Lesenswert fand ich auch die integrierten
intermedialen und intertextuellen Anspielungen.
Oft werden in Klappentexten des Verlags ja Dinge versprochen, die
nicht erfüllt werden (vgl. zum Beispiel meine Rezension zu „Love in the big
City“ von Sang Young Park). Hier habe ich das einmal ganz anders empfunden: Der
Thriller ist wirklich unglaublich, und er ist tatsächlich originell. Und ich
kann mir dieses Buch auch hervorragend als Film vorstellen. Ich freue mich
sogar schon darauf, die Kinoverfilmung zu sehen und sie mit dem Buch zu vergleichen.
Es gibt also bis auf die explizite Darstellung sadistischer Gewaltfantasien so
gut wie nichts zu bemängeln. Man muss sich nur vor der Lektüre klar darüber
sein, worauf man sich einlässt. Dieses Werk ist einfach mal ganz anders als
viele herkömmliche Thriller. Doch genau deshalb ist er in meinen Augen
innovativ. Und für mich war das einmal eine willkommene Abwechslung. Andere
mögen das anders empfinden.
Fazit:
Ein Thriller, der sich vor allem durch die Skurrilität der Figuren auszeichnet. Für mich ein Werk, das innovativ daherkommt und sich dadurch von anderen herkömmlichen Thrillern unterscheidet. Geeignet für Leserinnen und Leser, die einmal etwas anderes lesen wollen und die Tarantino-Filmen gegenüber positiv eingestellt sind. Von mir gibt es 5 Sterne und vor allem aufgrund der vorhandenen innovativen Elemente eine klare Leseempfehlung!
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