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Donnerstag, 31. Juli 2025

Peterson, Phillip P. - Transport 7



Die außerirdische Bedrohung




Da in Transport 6 nichts Wesentliches passiert, verzichte ich auf eine Rezension dieses Bands. Es reicht, wenn man den Klappentext kennt und direkt Band 7 liest. Man verpasst dabei überhaupt nichts. Mit anderen Worten: Band 6 ist der unbefriedigenste Teil der Reihe und er dient nur dazu, die Auflösung der in Band 5 losgetretenen Ereignisse unnötig hinauszuzögern.


Zu Beginn von Band 7 untersuchen Russell und sein Team das Schiffswrack der fremden außerirdischen Spezies. Durch eine leichtfertige Datenmanipulation sorgen sie dafür, dass das Wrack explodiert und dabei ein Planet vollständig zerstört wird. Russell und seine Leute können sich gerade noch rechtzeitig in Sicherheit bringen. Und sie sind sich wieder einmal darüber klar geworden, welche Gefahr von der fremden Macht ausgeht.


In einem parallelen Handlungsstrang macht sich Schiffskommandeur Jim, der Sohn von Russell, auf die Suche nach der Heimatwelt der Erbauer des Transportersystems. Hierbei steht vor allem die Frage im Zentrum, was er herausfinden wird. U.a. muss ja klar werden, warum die Erbauer nicht von der feindlichen außerirdischen Bedrohung ausgelöscht worden sind. Warum wurden die Transporter nicht einfach zerstört?


Die Charaktere erhalten in diesem Band wieder mehr Profil (was im vorherigen Band nicht so war). Dafür sorgt die Schilderung einiger zwischenmenschlicher Konflikte zwischen den Figuren. Was wieder auffällt. Es dauert einige Zeit, bis die Handlung Fahrt aufnimmt. Das kennt man aus vielen anderen Büchern von Peterson auch anders. Hier muss man ein wenig Geduld mitbringen. Im ersten Drittel des Buchs passiert nicht viel. Danach dreht sich alles um die Frage, ob die außerirdische Gefahr gebannt werden kann.


Insgesamt ist die Trilogie, die aus Band 5, 6 und 7 besteht, für mich kein Highlight. Eher im Gegenteil. Band 5 ist schon weniger gelungen als Band 1-4 (vgl. dazu meine Rezension). Band 6 unterbietet Band 5 noch einmal und Band 7 kann die Reihe dann auch nicht mehr retten, weil die Auflösung der in Band 5 angelegten Fragen, die ich oben genannt habe, nicht befriedigend ausfällt. Die dreiteilige Reihe wirkt auf mich einfach nicht rund. Und was leider auch noch hinzukommt: Es wollte bei der Lektüre keine Spannung aufkommen. Die Reihe hätte vom Inhalt mühelos in einem einzigen Buch Platz gefunden und hätte nicht über drei Bände künstlich (!) gestreckt werden müssen. Schade! Der Autor hat sich mit seiner Vorgehensweise in meinen Augen selbst keinen Gefallen getan. Für Band 7 gebe ich 3 Sterne (Band 6 erhielte 2 Sterne). Meine Erwartungshaltung, was die neu angekündigte Trilogie (Transport 8 bis 10) betrifft, ist nun leider entsprechend niedrig.

Donnerstag, 24. Juli 2025

Logan, T. M. - The Mother



Die Suche nach Gerechtigkeit





Heather ist Mutter zweier Söhne (Theo, 2 Jahre, sowie Finn, der ältere Bruder) und verheiratet mit Liam. Die gegenseitige Nähe und Vertrautheit sind in der langjährigen Ehe bereits verloren gegangen. Es zeigt sich eine klassische Rollenverteilung: Liam arbeitet bis spätabends und Heather kümmert sich um die Kinder. Die elterlichen Aufgaben und häuslichen Pflichten sind ungleich verteilt. Das meiste bleibt an Heather hängen. Liam kriegt seine Kinder selten zu Gesicht. Ein gemeinsames Familienleben findet kaum statt. Die Arbeit vereinnahmt Liam völlig. Schon im ersten Kapitel zeigt sich, wie Heather ihren Familienalltag stemmt. Sie wartet ungeduldig auf ein Lebenszeichen ihres Mannes, der sich seit 15 Uhr nicht mehr bei ihr gemeldet hat. Und Heather weiß nicht, wann Liam die Arbeit beendet und wartet ungeduldig darauf, dass er endlich eintrifft. Irgendwann kommt er dann erschöpft und ausgelaugt nach Hause und beide streiten (mal wieder). Heather macht ihm Vorwürfe. Schließlich schlafen beide getrennt voneinander. Liam verbringt die Nacht auf der Couch. Als Heather am nächsten Tag aufwacht, fühlt sie sich benommen und stellt fest, dass ihr Ehemann ermordet wurde. Doch von wem und warum?




Danach gibt es einen Zeitsprung von 10 Jahren (was ich sehr geschickt finde). Wir sind bei der vorzeitigen Haftentlassung Heathers dabei. Und es wird schnell klar, dass sie alles verloren hat: Ihre beiden Söhne, ihren Mann, ihr Haus, ihre Karriere, ihr Ansehen. Für sie beginnt nun ein völlig neues Leben. Durch den Zeitsprung wird auf zweierlei Art und Weise Spannung erzeugt. Einerseits möchte man wissen, was vor 10 Jahren passiert ist und wie es zur Verhaftung und Verurteilung von Heather kam. Andererseits will man erfahren, wie es nun mit Heather weitergeht. Wird sie es schaffen, ihr altes Leben zurückzugewinnen und ihre Unschuld zu beweisen? Wird sie wieder eine intakte Beziehung zu ihren Söhnen herstellen können?




Wir erfahren im weiteren Handlungsverlauf sowohl etwas über die Vergangenheit als auch über die Gegenwart. So wird die Ermittlungsarbeit zu Heathers Fall in eingeschobenen Kapiteln im Rückblick geschildert. Wir erleben ihre Verhöre und verfolgen mit, wie die Last der Beweismittel immer größer wird. Und auf der Gegenwartsebene sind wir dabei, wie Heather nun eigene Recherchen zu ihrem Fall anstellt. Dabei erhält sie Unterstützung von einem Journalisten, der damals über den Fall berichtet hat. Heathers Eigeninitiative wird aber dadurch erschwert, dass sie bei unbekannten feindlichen Mächten Aufmerksamkeit erregt und Bewährungsauflagen einzuhalten hat (gute Idee!). So darf sie nicht mit Zeugen von früher in Verbindung treten und auch die Kontaktaufnahme zu Familienmitgliedern ist ihr untersagt. Wird sie es trotzdem schaffen, ihre Unschuld zu beweisen?




Das Tempo des Thrillers ist nicht sehr hoch. Im Zentrum steht v.a. die Ermittlungs- bzw. die Recherchearbeit. Die Erkenntnisfortschritte werden recht schleppend vorangetrieben. Das Ende wirkt noch dazu sehr, sehr konstruiert. Ich entwickelte während der Lektüre eine regelrechte Abneigung gegen USB-Sticks und Google-Suchen. Das alles wirkt sich leider auch negativ auf die Spannungskurve aus. Das Buch ähnelt mehr einem wenig packenden Kriminalroman und entwickelt sich nicht in die von mir erhoffte Richtung eines rasanten Psychothrillers. Schade, schade! Damit entfernt sich T. M. Logan auch von seinen früheren Werken, in denen das psychologische Element und das Tempo viel deutlicher ausgeprägt war. Nach meinem Dafürhalten kann „The Mother“ nicht mit „Holiday“ oder „The Catch“ mithalten (vgl. dazu frühere Rezensionen). Insgesamt enthält das Buch auch wenig Innovatives. Es gleicht einem klassischen 0815-Buch, wie man es tausendfach auf dem Markt findet und schon oft gelesen hat. Wo ist die psychologische Spannung hin, die Logans Bücher sonst ausgezeichnet hat? Ich kann nur hoffen, dass sich der Autor in anderen Büchern, die ebenfalls noch ins Deutsche übersetzt werden, nicht ebenfalls dem „Mainstream“ unterordnet. Von mir gibt es dafür 3 Sterne! Es ist einfach Durchschnitt…

Montag, 21. Juli 2025

Hauff, Kristina - Schattengrünes Tal

Vielen Dank an Vorablesen für das Rezensionsexemplar (= Werbung) 


Rissiges Familienidyll




Lisa und Simon feiern ihren gemeinsamen Hochzeitstag, nachdem Simon für drei Wochen auf Dienstreise in Polen war (er arbeitet als Förster). Ein Ausfall des Stromgenerators stört jedoch den Verlauf der Party und beendet sie unvermittelt. Gleichzeitig erhält Simon auf sein Handy eine anonyme Nachricht mit Glückwünschen zum Hochzeitstag. Gibt es da einen Zusammenhang? Er fühlt sich beobachtet und man weiß nicht, wer dahintersteckt. Ein mysteriöser Einstieg ins Buch, der Neugier erzeugt.


Kurz darauf erfahren wir, dass Lisa im Hotel ihres Vaters arbeitet und dort als Buchhalterin aushilft. Als sie am nächsten Morgen dort eintrifft, erfährt sie, dass die Heizung ausgefallen ist und eine fremde alleinstehende Frau sich als Gästin dort einquartiert hat. Als Lisa die Fremde bittet, das Hotel aufgrund des Heizungsausfalls zu verlassen, möchte diese der Bitte nicht nachkommen und unbedingt bleiben. Und als Leser fragt man sich sofort, was es mit dem Hotelgästin auf sich hat…


Der Roman wird multiperspektivisch erzählt. Es wechseln sich insgesamt vier Blickwinkel ab. Neben Lisa und Simon lernen wir auch Lisas Vater Carl und dessen Lebensgefährtin Margret kennen. Carl wirkt dabei sehr störrisch, misstrauisch und beratungsresistent. Er zeigt sich wenig offen für Neuerungen, v.a. was Modernisierungen des Hotels betrifft. Vor notwendigen Investitionen scheut er zurück. Die Beziehung zu seiner Tochter gestaltet sich nicht einfach. Er nimmt von ihr keine Ratschläge an und lässt ihr trotz der Hilfe wenig Wertschätzung zuteilwerden. Lisa erscheint uns hingegen als die gute Seele, die sich aufmerksam und aufopferungsvoll um ihr Umfeld kümmert. Simon wird den Leserinnen und Lesern als naturverbunden präsentiert. Er übt seinen Beruf mit großer Leidenschaft aus, das merkt man.


Bald schon mischt sich die Fremde (Daniela) neugierig in interne Familienangelegenheiten ein und führt sehr vertrauliche Gespräche mit Lisa, die sich ihr gegenüber sehr offenherzig verhält. Mit ihren vielen Nachfragen berührt Daniela teils wunde Punkte bei Lisa. Was führt sie nur im Schilde? Sie erscheint uns sehr undurchsichtig und agiert intrigant-manipulativ. Im weiteren Handlungsverlauf wird klar, dass die verschiedenen Beziehungsverhältnisse innerhalb der Familie von Lisa problematisch sind und Potential für Konflikte in sich bergen.


Es handelt sich bei diesem Buch um einen psychologischen Spannungsroman, der von den zwischenmenschlichen Reibungen lebt. Diese werden sehr gut eingefangen und um sehr atmosphärische Naturbeschreibungen, die immer mal wieder im Buch vorkommen, ergänzt. Der Wechsel der verschiedenen Perspektiven ist gut getimt. Hin und wieder wird ein- und dieselbe Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln geschildert. Das hat mir gut gefallen. Und was noch lobenswert ist: Für jede dargestellte Figur wird ein individuelles Profil klar erkennbar (Vorsicht vor folgenden Triggerthemen: Borderline-Störung, suizidales Verhalten). Die Charakterisierungen sind gelungen! Von mir gibt es 4 Sterne. Warum nicht 5 Sterne? Ich habe bei der Lektüre eine „Sogwirkung“ vermisst. Das Buch entwickelt sich eher ruhig und atmosphärisch, weniger temporeich. Der Grad an Spannung hätte nach meinem Empfinden noch stärker ausfallen können.

Skeleton Crew (Staffel 1)



Star Wars-Goonies




Der Zeitpunkt der Handlung von der Serie „Skeleton Crew“ ist nach Zerfall des Imperiums (Episode VI) inmitten der Zeit der Neuen Republik angesiedelt. Vier Jugendliche finden ein altes Schiffswrack, dringen dort mit Gewalt ein, aktivieren es aus Versehen und fliegen damit unfreiwillig zu einem unbekannten Ziel. Wo werden sie landen? Wem werden sie begegnen? Und kommen sie zurück nach Hause? Kann ihnen ein defekter Droide, der sich an Bord befindet und von den Kindern wieder zum Leben erweckt wird, dabei helfen? Diese Fragen stellt man sich direkt nach der ersten Episode.



Auf ihrer abenteuerlichen Reise zurück nach Hause treffen die Vier, die jeweils mit einer individuellen Charakteristik aufwarten, auch auf einen Jedi (gespielt von Jude Law), der ihnen (angeblich) dabei helfen will, nach Hause zurückzukommen. Bei ihm handelt es sich um einen sehr dubios angelegten Charakter. Man weiß nicht recht, was er im Schilde führt und ob er es ehrlich mit den Kindern meint. Er wirkt wenig vertrauenswürdig, verfolgt eher seine eigenen Ziele und wirkt dadurch nicht wie der typische Vertreter seines Ordens. Als Zuschauer ahnt man, dass er verlogene Hintergedanken hat und wartet darauf, mehr über ihn und seine Hintergründe zu erfahren. In einer weiteren Perspektive wird gezeigt, dass sich die Eltern der Kinder Sorgen machen und versuchen, ihren Nachwuchs zu finden.



Die Serie erinnert von der Machart an Jugendfilme aus den 1980er. Man denke nur an „die Goonies“ von Steven Spielberg oder an „Stand by me – Das Geheimnis eines Sommers“. Der Inhalt wird aus Kindersicht präsentiert und schildert eine klassische Abenteuerreise. Viele Geheimnisse müssen gelüftet, zahlreiche Hürden überwunden werden. Und ähnlich wie in diesen Filmen sind folgende Themen zentral: „Freundschaft und Zusammenhalt“, „Abenteuerlust und Entdeckergeist“ sowie „Mut und Erwachsenwerden“. Die Kinder lernen Verantwortung zu übernehmen und behaupten sich gegen äußere Bedrohungen. Dabei sind sie v.a. auf sich allein gestellt und müssen ohne die Hilfe ihrer Eltern zurechtkommen. Das sind klassische „Coming-of-Age-Themen“. Das Setting der Serie richtet sich also eher an ein jüngeres Publikum. Aus diesem Grund konnte ich damit auch nicht so viel anfangen wie mit den übrigen Star Wars Serien, die ich bisher geschaut habe. Dennoch ist es aber keine schlechte Serie. Sie ist gut gemacht und v.a. die schauspielerische Leistung von Jude Law sticht positiv hervor.



Was ich etwas schade fand, war der Umstand, dass man über den Jedi nur wenig erfährt. Vieles, was ihn angeht, bleibt im Dunkeln. Schade! Ich hätte mir noch mehr Informationen zu ihm gewünscht. Meine Recherchen ergaben, dass bisher weder eine Absetzung noch eine Verlängerung der Serie angekündigt worden ist. Es ist also unklar, ob es weitergeht. Ich bin aber eher skeptisch. Diese Serien war z.B. weniger erfolgreich als „The Acolyte“, die ebenfalls nicht verlängert wird. Fazit: Von allen Star Wars Serien hat mich diese hier am wenigsten angesprochen, weil sie sich an ein anderes Zielpublikum richtet.

Montag, 14. Juli 2025

Olsberg, Karl - Mirror Welt



Schöne neue KI-Welt




In dem Kurzroman „Mirror World“ tauchen wir wieder ein in das Universum der Mirrors, die eine Weiterentwicklung des Smartphones darstellen und deren Ziel es ist, die Wünsche der Nutzer zu erfüllen. Sie fungieren als persönlicher Lebensberater und greifen massiv in das Privatleben der User ein. In den fünf Kapiteln, die inhaltlich zusammenhängen, wird gezeigt, wie verantwortungslos die Menschen die KI nutzen. Sie sind ohne Weiteres dazu bereit, Kontrolle abzugeben und sich manipulieren zu lassen. Sie vertrauen blind auf die Technik und stellen wenig in Frage.


In den einzelnen Kapiteln werden verschiedene Funktionsweisen eines Mirrors geschildert und an Beispielen verdeutlicht. Das erste Kapitel trägt den Titel „Mirror protect“ und zeigt, wie die KI die persönliche Gesundheit und Sicherheit eines Nutzers überwacht. Die Figur Robert Kreutzer ist Unternehmensberater und verpasst fast seinen Zug. Der Mirror gibt ihm Warnhinweise zum Blutdruck und warnt ihn vor einer bevorstehenden Katastrophe. Doch wie schafft es die KI, einen Terroranschlag zu antizipieren…? Die zweite Geschichte trägt den Titel „Mirror talk“ und verdeutlicht, wie die KI bei der Gesprächsführung hilft. Noch einmal ist Kreutzer die Hauptfigur. Der Mirror unterstützt ihn dabei, bei einer Konversation angemessene Antworten zu formulieren, damit er möglichst sympathisch wirkt. Kreutzer gelingt es zunächst, sich schlagfertig zu verkaufen, bis seine Gesprächspartnerin ihn darum bittet, seine Brille abzusetzen…


Im nächsten Kapitel wird die Funktionsweise „Mirror navigate“ veranschaulicht. In einer Kneipe wird einem Gast sein Portemonnaie geklaut. Mit Hilfe der KI nimmt der Betrunkene die Verfolgung des Diebs auf und begibt sich damit leichtsinnig in große Gefahr. Danach wird uns die Funktion „Mirror safe“ demonstriert. Die KI sorgt dafür (bzw. sie sollte dafür sorgen), dass man keine Schlüssel und Passwörter mehr benötigt. Problematisch wird es aber, wenn einem Bewohner wegen einer Prügelei trotz verschiedener Scans der Zutritt zur eigenen Wohnung versperrt bleibt und die Polizei informiert wird…Das letzte Kapitel heißt „Mirror view“. Mit Hilfe dieser Anwendung wird es möglich, seine eigene Nostalgie zu befriedigen und ein virtuell verjüngtes digitales Spiegelbild zu kreieren.


Insgesamt fand ich diesen Kurzroman sehr ansprechend geschrieben. Ich hätte mir aber noch umfangreichere Erzählungen gewünscht (womöglich auch in Form von in sich abgeschlossenen Kurzgeschichten ohne inhaltlichen Zusammenhang). Die einzelnen Kapitel fallen doch sehr knapp aus. Schade! Letztlich ein gelungener Weltenentwurf und eine beängstigende Zukunftsvision, die Olsberg darin entwirft. Der futuristische Kosmos rund um die Mirrors erhält dadurch noch einmal mehr Facetten. Und die darin versteckte Kritik an den leichtsinnigen Nutzern, die ohne nachzudenken, ihre Privatsphäre aufgeben, kann man durchaus auch auf die Gegenwart übertragen.

Donnerstag, 10. Juli 2025

Pätzold, Oliver - Esomenia



165 Jahre in der Zukunft




Verwirrt, orientierungslos und mit Schmerzen erwacht die 24-jährige Nina an einem ihr unbekannten Ort. Sie kann sich an nichts erinnern, weiß nicht, wer und wo sie ist. Sie fühlt sich innerlich leer. Eine Ärztin beantwortet Ninas drängendste Fragen und hilft ihr so, sich zurechtzufinden.


Sie erfährt, dass sie an einer unheilbaren Krankheit litt und sich unmittelbar nach ihrem Tod in den sog. Kryonikschlaf begeben hat. Sie war 165 Jahre lang eingefroren und findet sich nun plötzlich in einer ihr unbekannten Zukunft wieder. Was wird sie über ihre neue Umgebung herausfinden?


Nina fühlt sich in der neuen Umwelt wie eine Fremde und ist sich selbst fremd geworden. Bald schon lernt sie Aaron kennen, der ebenfalls eingefroren war, und ihr Vieles erklärt. Die Welt, die Nina kannte, hat sich massiv verändert. Der Preis für Ruhe und Sicherheit ist z.B. die totale Überwachung.


Eines Tages erhält Nina dann eine Warnmeldung, die in ihr Zimmer geschmuggelt wurde. Sie soll den Mitarbeitern des Unternehmens, die sie aufgetaut haben, nicht vertrauen und befinde sich in großer Gefahr. Zusammen mit Aaron flüchtet Nina daraufhin. Wird die Flucht gelingen? Wohin werden sie flüchten? Was ist der Grund für die Flucht und was werden sie herausfinden? Das sind die zentralen Fragen, die ich mir zu diesem Zeitpunkt stellte.


In diesem Buch herrscht viel Ungewissheit über den Fortgang der Handlung und darüber, was Nina und Aaron erfahren werden. Das erzeugt Spannung. Durch die Flucht entsteht eine bedrohliche Atmosphäre, das Tempo zieht spürbar an und sie eröffnet Raum für Überraschungen. Das ist ebenfalls gelungen. Und was die Spannung noch einmal forciert, ist die Tatsache, dass Nina und Aaron sich völlig auf andere Menschen verlassen müssen, die ihnen bei der Flucht helfen. Beide wissen nicht, was um sie herum vor sich geht, und sie müssen darauf hoffen, dass alles gut gehen wird.


Dadurch, dass mir als Leser zentrale Informationen vorenthalten werden und ich genauso wenig weiß wie die Figuren selbst, wird meine Neugier permanent befeuert. Auch das hat mir gefallen. Nach und nach erfahren die beiden mehr über die zukünftige Welt und welche Gefahr von ihr ausgeht. Nachdem das Verschwinden von Nina und Aaron bemerkt wurde, nimmt man ihre Verfolgung auf. Auch das sorgt für Spannung. Allerdings kann ich dem Buch aus mehreren Gründen keine 5 Sterne geben, auch wenn der Beginn richtig stark war und die Auflösung sehr, sehr geschickt konzipiert worden ist: 1. Ich empfand den futuristischen Weltenentwurf als ausbaufähig. Der Blick wird oft sehr eng geführt und selten geweitet. Schade! 2. Die Schilderung der vielen Reisen von A nach B nimmt mir zu viel Raum ein. Sie nehmen der Handlung nach meinem Gefühl das Tempo und ich fand sie auch nicht sehr packend. 3. Ich hätte mir noch eine stärkere emotionale Beteiligung gewünscht. 

Sonntag, 6. Juli 2025

Bestgen, Sarah - Happy End



Das fremde eigene Kind




Der Thriller „Happy End“ bietet schon auf den ersten Seiten ein spannendes Setting: Um mal wieder unter Leute zu kommen und nicht ganz in der Selbstisolation zu versinken, organisieren Isa und ihr Mann Mark ein Nachbarschaftsfest. Ihr vier Monate alter Sohn Ben hat sie völlig in Beschlag genommen, so dass die Pflege sozialer Kontakte etwas in den Hintergrund getreten ist. Doch noch bevor die Feier beginnt, verschwindet der Sohn spurlos aus dem Wohnzimmer, als Isa im Keller gerade den Trockner befüllt. Sie reagiert panisch und verzweifelt. Ihre Gefühle kommen gut und absolut nachvollziehbar zum Ausdruck. Das Ehepaar bewegt sich zwischen Angst und Hoffnung. Und Isa ist nicht mehr wiederzuerkennen. Während Mark noch einigermaßen in der Lage ist, sich mit der Arbeit von den Geschehnissen abzulenken, fühlt sich Isa ohnmächtig und hilflos.


Niemand von den Nachbarn hat etwas Verdächtiges gesehen oder gehört. Die Polizei wird eingeschaltet und die Suche startet. Wo ist Ben hin? Wer hat ihn entführt? Diese Fragen würde man sich zu Beginn stellen, wenn man den Klappentext nicht liest (der nimmt etwas Spannung). Denn darin wird bereits verraten, dass Ben wieder auftaucht (und zwar acht Monate später). Und ab diesem Zeitpunkt beginnt die eigentliche Handlung erst. Es rücken nun andere Fragen in den Fokus: Warum ist Ben wieder da? Was ist ihm während seiner Abwesenheit widerfahren und wo hat er gesteckt? Auf dem ersten Blick ergibt der Fall keinen Sinn. Warum wird der Junge der Familie entrissen, nur um dann später wieder dort aufzutauchen?


Die anschließende Ermittlungsarbeit zum Verschwinden von Ben wird ebenso geschildert wie die Auswirkung des zwischenzeitlichen Verlusts des Sohnes auf das Zusammenleben von Mark und Isa. Die Rückkehr des Jungen sorgt v.a. bei Isa für ein Gefühlschaos. Sie ist emotional überfordert. Das Geschehen hat etwas mit ihr gemacht. Sie verspürt gegenüber ihrem eigenen Sohn Fremdheitsgefühle, wirkt depressiv, macht sich immer noch Vorwürfe und sucht schließlich psychiatrische Hilfe auf. Und weitere Unklarheiten und undurchsichtige Verhaltensweisen von Figuren verrätseln den Fall zusätzlich. Ich hatte während der Lektüre zahlreiche offene Fragen im Kopf und einige Vermutungen. Das hat mir gut gefallen!


Die Figurenzeichnung ist gelungen und tiefgründig, die Konturen der Charaktere sind klar erkennbar. Die Psychologisierung des Inhalts ist absolut überzeugend (hier merkt man, dass die Autorin vom Fach ist). Der Fall hat emotionale Tiefe und erzeugt Betroffenheit. Ich habe mitgefiebert. Die Dialogführung hat mir ebenfalls gut gefallen. Der Plot wird zwar nicht mit hohem Tempo erzählt (außer am Ende), aber das hat mich in diesem Fall nicht gestört, weil die Spannung fortwährend sehr stark ausgeprägt war. Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird es immer spannender und rätselhafter. Es gibt auch zahlreiche Überraschungen. Und die Wahrnehmung von Isa wird mit der Zeit unzuverlässiger. Auch das ist geschickt arrangiert. Trotzdem kann ich keine 5 Sterne geben. Warum? Das Ende war mir etwas zu kompliziert gelöst und nicht „leichtfüßig“ genug. Auch bin ich kein Freund davon, wenn der Täter am Ende bereitwillig selbst über alles Auskunft gibt, was ihm bei der Tat so durch den Kopf ging. Ich komme also auf gute 4 Sterne!

Dienstag, 1. Juli 2025

Reeves, Royston - Ich wars nicht



Eine falsche Entscheidung…




Der Einstieg in diesen Thriller erfolgt unmittelbar, d.h. man ist schnell drin im Geschehen. Und das Setting hat auf mich eine große Sogwirkung entfaltet, und zwar von Anfang bis Ende. Solche Bücher finde ich nicht oft, bei denen ich so sehr an den Seiten klebe. Doch worum geht es?


Der Ich-Erzähler Will trifft sich mit seinen Arbeitskollegen auf ein Bier in einer Kneipe. Er ist ein normaler Durchschnittstyp und niemand, der bisher durch schräge Ansichten oder negative Verhaltensweisen auffällig geworden ist (wie er uns selbst versichert). Auf dem Weg zurück nach Hause kommt ihn in einer dunklen Gasse ein Betrunkener entgegen, der ihn anrempelt und beleidigt. Will lässt sich dadurch so sehr provozieren, dass er ihm einen Schlag verpasst. Der Schaden, den er damit verursacht, ist verheerend. Der Fremde geht zu Boden und trägt eine schwere Kopfverletzung davon. Und statt Hilfe zu holen, entfernt sich Will vom Tatort und beseitigt mögliche Spuren, indem er verdächtige Kleidung entsorgt. Kurzum: Er begeht einen schweren Fehler und trifft eine falsche Entscheidung.


Am nächsten Tag erfährt Will aus den Medien, dass sich in der Nacht ein tödlicher Vorfall ereignet hat. Und ab diesem Zeitpunkt befindet sich der Ich-Erzähler in einem intensiven „Alarmzustand“. Angst macht sich breit. Seine Gedanken beginnen um die Tat zu kreisen und sind nicht mehr im Hier und Jetzt. Er wirkt geistesabwesend. Und interessanterweise macht Will sich keine Vorwürfe, sondern versucht v.a. herauszufinden, was in der Presse zu lesen ist und ob er mit dem Vorfall in Verbindung gebracht werden kann. Er googelt die Fortschritte bei den Ermittlungen und hofft darauf, ungeschoren davonzukommen. Und eines ist klar: Sein Leben wird niemals wieder so sein, wie vor der Tat…


Die Spannung entsteht also durch das „howcatchem-Prinzip“, d.h. man fragt sich bei der Lektüre, ob Will noch zur Besinnung kommt und seine Tat gesteht oder ob er damit Erfolg hat, nicht mit dem Mord in Verbindung gebracht zu werden. Wird ihm die Polizei evtl. auf die Schliche kommen? Oder wird er straflos davonkommen? Das ist das Ausgangssetting. Und ich kann versprechen, dass sich der Fall in ungeahnte Richtungen entwickelt, die man so nicht vorhersieht (zumindest ging es mir so). Das liegt in erster Linie auch daran, dass eine weitere, mysteriöse Figur in das Geschehen eingreift, die sich nicht erwartbar verhält und dadurch die Handlung stark belebt: Ein Zeuge, der die Tat gesehen und aufgezeichnet hat. Er tritt mit Will in Kontakt und agiert undurchschaubar. Es ist nicht klar, ob er Will der Polizei ausliefern will, ob er ihn erpressen will oder ob er nur Spielchen mit ihm spielt. Auf jeden Fall genießt er es, fortan Macht über Will zu haben…


Und als ob das noch nicht reicht, kommt noch ein weiteres Element hinzu, dass den Fall bereichert und vertrackt werden lässt. Es wird ein (vermeintlich) Verdächtiger gefasst, der den Mord begangen haben soll. Wie kann das sein? Der Druck auf Will ist jedenfalls groß und nimmt im weiteren Handlungsverlauf immer mehr zu, was sich auf seinen psychischen Zustand auswirkt. Er ist extrem angespannt…


Die Kapitel sind angenehm kurz, der Schreibstil ist temporeich, pointiert und schnörkellos (so wie ich es mag). Die Innenwelt von Will wird nachvollziehbar geschildert. Wir sind nah dran an seinen Gedanken und Gefühlen. Das Geschehen wird spannend entwickelt (von Anfang bis Ende) und schlägt immer wieder andere Richtungen ein. Ich konnte das Buch nicht aus der Hand legen und habe es innerhalb kürzester Zeit „durchgesuchtet“. V.a. die Figur des undurchschaubaren Zeugen hat es mir angetan. Ein genialer Charakter, ohne den das Buch (glaube ich) nicht funktioniert hätte. Er genießt, dass er Will in der Hand hat. Der Fall entfaltet sich sehr verzwickt, auch wenn das Ausgangssetting eigentlich simpel wirkt. Klare 5 Sterne!

Samstag, 28. Juni 2025

The last of us (Staffel 2)



Rache (enthält Spoiler!)




Die zweite Staffel von „The last of us“ setzt fünf Jahre nach den Ereignissen der ersten Staffel an. Ellie und Joel sind wieder in der Gemeinschaft Jackson untergekommen, in der Joels Bruder Tommy mit seiner Familie lebt (schon in Staffel 1 tauchte Jackson auf). Und es wird sofort klar, dass Ellie älter und reifer geworden ist. Zusammen mit anderen geht sie auf Patrouille, um die Siedlung vor äußeren Feinden zu schützen, und sie trainiert und verbessert ihre kämpferischen Fähigkeiten.

In dieser Staffel macht die 19-jährige Ellie einen äußerst rebellischen und unversöhnlichen Eindruck. An einigen Stellen kommt ihr jugendlicher Leichtsinn und ihre emotionale Impulsivität zum Vorschein. Nicht immer hält sie sich an Regeln. Sie unterschätzt Gefahren und lässt Ernsthaftigkeit auf Patrouillen vermissen. Ihre Beziehung zu Joel ist angespannt. Sie lehnt ihn als ihren Beschützer ab und es macht den Eindruck, als wollte sie sich grundsätzlich von ihm emanzipieren (den Grund dafür erfährt man später). Kurzum: Sie will auf eigenen Beinen stehen. Joel fühlt sich zurückgewiesen und weiß nicht, was er tun soll, um Ellie wieder näherzukommen.

Die Charakterzeichnung der Figuren und das Zusammenspiel von Ellie mit Joel sowie mit anderen Charakteren ist wieder sehr gelungen. Noch dazu gibt es bereits in der zweiten Folge eine große Überraschung, mit der ich nie gerechnet hätte (ich kenne das Spiel nicht) und die den Handlungsverlauf in eine völlig neue Richtung lenkt: Joel wird umgebracht und Ellie schwört daraufhin Rache. Sie will die Mörder von Joel ausfindig machen und geht dafür ein großes Risiko ein. Für mich wirkt sich der Verlust von Joel negativ auf den Inhalt aus. Er war eine Figur mit großer Zugkraft. Die erste Staffel lebte v.a. von der gelungen Darstellung des Beziehungsverhältnisses von Joel und Ellie. Und insbesondere die vorletzte Folge, in der Joel noch einmal im Rückblick auftaucht, hat mir deutlich gemacht, dass der Serie ohne ihn etwas Wichtiges fehlt. Andere Figuren können die hinterlassene Lücke nicht ausfüllen. Schade!

In meiner Rezension zur ersten Staffel hielt ich fest, dass die Serie dem Zombie-Genre neue Impulse verleiht. In vielen Aspekten unterscheidet sie sich von „The Walking Dead“ (vgl. dazu meine frühere Rezension). So auch dieses Mal. In der Siedlung Jackson ist ein weitestgehend harmonisches Leben möglich. Es gibt keinen gestörten, psychopatischen Anführer (man denke nur an den Governor oder Negan), der seine eigenen Ziele verfolgt und eine Schreckensherrschaft etabliert. Nein, das Zusammenleben zeichnet sich durch Hilfsbereitschaft und gegenseitige Unterstützung aus. Auch scheinen sich die Infizierten weiterzuentwickeln. Einige von ihnen weisen ein gewisses Maß an Intelligenz auf und verhalten sich plötzlich anders. In „The Walking Dead“ gab es bei den sog. Beißern keine solche Evolution. Dies könnte noch für eine spannende Dynamik in den nächsten Staffeln sorgen.

Doch es gibt auch Elemente, die sehr stark an „The Walking Dead“ erinnern und die mich wenig begeistern konnten, weil man sie einfach schon zu oft gesehen hat. Die Bedrohung der Siedlung durch eine Herde Infizierter ist nicht neu. Den Sturm auf Jackson hätte ich nicht gebraucht. Und noch etwas: Das zentrale Motiv, das sich durch Staffel 2 zieht, ist Rache. Überlebende aus dem Krankenhaus wollen sich an Joel rächen. Danach will sich Ellie an den Mördern von Joel rächen. Mit anderen Worten: Es geht v.a. wieder darum, dass der Mensch des Menschen Wolf ist. Auch das kennt man schon! Die Tatsache, dass Ellie immun ist und mit ihrer Hilfe ein Heilmittel hergestellt werden könnte, spielt nun gar keine Rolle mehr. Stattdessen geht es um Ellies Racheplan, der sehr unausgegoren wirkt und wenig glaubwürdig wirkt. Sie weiß eigentlich nicht einmal, mit welchem Gegner sie sich eigentlich anlegt. Ziemlich blauäugig! Dass Ellie es mit einer ganzen Armee aufnimmt, ist mir einfach zu weit hergeholt und unrealistisch. Das hat mich einfach nicht überzeugt, zumal ihre kämpferischen Fähigkeiten sehr zu wünschen übriglassen. Fazit: Die zweite Staffel hat mich längst nicht so aus den Socken gehauen wie die erste Staffel. V.a. die letzte Folge war enttäuschend. Zu hektisch, zu unlogisch. Noch dazu ein fieser Cliffhanger.

Dienstag, 24. Juni 2025

Kvensler, Ulf - Die Insel

Vielen Dank an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar (= Werbung) 


Charakterstudie




Der Ich-Erzähler Isak, der als Altenpfleger arbeitet und glücklich mit der 29-jährigen Madeleine (genannt Madde) zusammen ist, erhält eines Tages unerwartet einen Anruf von seinem todkranken Vater, zu dem er jahrelang keinen Kontakt mehr hatte. Der Vater hat nur noch wenige Wochen zu leben und wünscht sich, seinen Sohn wiederzusehen, um sich von ihm zu verabschieden. Grund für den Kontaktabbruch war, dass Isak im Alter von sechs Jahren ein schweres Trauma durchlitten hat. Er verlor bei einem Brand seine Mutter und seine dreijährige Schwester Klara. Sein Vater erlitt danach einen Zusammenbruch und konnte sich aufgrund seines labilen psychischen Zustands nicht um Isak kümmern, so dass dieser bei seinem Großvater aufwuchs.


Zu Beginn ringt Isak mit sich, ob er seinen Vater wirklich besuchen soll. Es wird deutlich, dass er eigentlich keinen Kontakt mehr zu ihm wünscht. Er nimmt ihm übel, dass er sich von ihm abgewandt und jahrelang nicht gemeldet hat. Mit einer Überweisung einer hohen Geldsumme will der Vater Isak überzeugen, zu ihm zu kommen. Und letztlich entscheidet er sich, zusammen mit Madde nach Gotland zu fahren, um seinen Vater kennenzulernen und sich von ihm zu verabschieden, bevor dieser stirbt. Dabei erfährt Isak u.a., dass sein Vater als Künstler über ein großes Vermögen verfügt.


Die Ereignisse rund um Isak, d.h. die Kontaktaufnahme mit und der Besuch bei seinem Vater werden im Rückblick erzählt (im Präteritum). Sporadisch eingeschoben sind aber auch kurze Kapitel auf einer Gegenwartsebene, auf der Isak sich im Gefängnis befindet. Dabei wird klar, dass es um Isaks psychischen Zustand nicht gut bestellt ist. Dies verrätselt die Handlung gut, da man als Leser zu Beginn nicht weiß, warum Isak sich in Haft befindet. Irgendetwas muss in Gotland passiert sein. Aber was…


Der Thriller startet langsam. Das Erzähltempo ist nicht sehr hoch. Der Schreibstil bzw. die Übersetzung ist bildhaft und klar. Der Autor nimmt sich zunächst viel Raum, die Figuren einzuführen und ihre Beziehungen zueinander zu charakterisieren. Das ist ihm auch sehr gut gelungen. Die Charaktere zeichnen sich durch klare Konturen und eine starke Psychologisierung aus. Die Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren kommen gut zum Ausdruck. Auch die Beschreibungen des Settings sind sehr atmosphärisch und dicht (d.h. ausgeschmückt mit vielen Details). Das alles hat mir gut gefallen.


Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird klar, dass sich Isaks Vater äußerst manipulativ verhält und einen negativen Einfluss auf seinen Sohn ausübt. Mit großen Geldsummen versucht er ihn immer wieder zu bestechen und sein Handeln zu lenken. Isak wird regelrecht verführt. Der Vater erscheint uns Lesern wie eine Art diabolische Teufelsfigur (im Text findet man auch subtil versteckte Anspielungen und Hinweise, die eine solche Interpretation stützen könnten). Er scheint sich regelrecht einen Spaß daraus zu machen, Leute zu kaufen und sich an deren Charakterlosigkeit zu erfreuen. Und anfangs lässt sich Isak auch manipulieren (gegen seinen eigenen Willen). Er tut, was sein Vater von ihm verlangt. Doch wie sehr ist Isak bereit, sich zu verbiegen? Wie charakterfest ist er? Das sind die zentralen Fragen, die ich mir bei der Lektüre stellte.


Der Thriller (oder sollte ich lieber psychologischer Spannungsroman sagen?) übt seinen Reiz in meinen Augen in erster Linie durch die zwischenmenschlichen Reibungen und Machtkämpfe aus. Es ist kein Thriller, bei dem viel passiert. Es ist eher das psychologische Moment, das beim Lesen fesselt. Der Autor ist sehr gut dazu in der Lage, die knisternde Stimmung zwischen den Figuren zu gestalten und darzustellen. Die Dialoge sind klasse angelegt. Dadurch entsteht Spannung. Ich wollte wissen, wie Isak sich verhält, und war gespannt zu lesen, ob er den Verlockungen seines Vaters widerstehen wird. Ich habe Isaks Weg mit Neugier verfolgt und habe mitgefiebert, ob er die richtigen Entscheidungen trifft. Und auch die Darstellung der psychologischen Seite hat mich überzeugt. Man sollte für die Lektüre aber viel Geduld mitbringen. Die Spannung baut sich nur langsam auf.


Insgesamt kann ich dem Buch aber keine 5 Sterne geben. Das hat mehrere Gründe. 1. Es kam keine Sogwirkung auf, 2. Für meinen Geschmack startet der Thriller zu gemächlich, 3. Das Ende hat mich leider gar nicht überzeugt. So komme ich auf knappe 4 Sterne. Den Autor werde ich aber auf jeden Fall weiter im Blick behalten. Sein Debut „Der Ausflug“ war für mich ein richtiger Überraschungshit. Und der gelungene Schreibstil des Autors lässt auf viele weitere gute Thriller hoffen.

Mittwoch, 18. Juni 2025

Pätzold, Oliver - 30 Tage



Flucht ins Ungewisse




Eines Tages kommt es zu einem militärischen Zwischenfall zwischen den USA und China. Ein amerikanischer B-52 Bomber wird abgeschossen, weil er in den chinesischen Luftraum eingedrungen sein soll. Die USA streiten dies ab. Doch die Lage verschärft sich zunehmend. Es folgen Kriegserklärungen. Und später kommt es zu nuklearen Angriffen. Zunächst bleibt der Konflikt lokal begrenzt, doch schon bald breitet sich der Krieg aus. Die Katastrophe nimmt ihren Lauf…


Von diesen Vorkommnissen erfahren wir aus Medienberichten, während Nina zusammen mit ihren Freundinnen bei schönstem Wetter ihr Familienleben genießt. Die in die Handlung eingeflochtenen Nachrichtenmeldungen sind als Ergänzung und Kontrast zu Ninas Privat- und Familienleben angelegt. Während wir miterleben, was Ninas Alltag prägt (u.a. auch Sorgen um ihren Vater), eskaliert gleichzeitig die politische Weltlage. Doch Nina betreibt eine Art Realitätsverweigerung. Sie meidet die Nachrichten und will das, was in Fernost passiert, nicht allzu nah an sich heranlassen. Doch je mehr sich der Konflikt verschärft, desto mehr betrifft er auch ihr persönliches Leben. So kommt es z.B. zu Hamsterkäufen. Nina kann vor dem, was um sie herum passiert, nicht flüchten. Sie wird zu einer Betroffenen, ob sie es will oder nicht. Der Verteidigungsfall wird ausgerufen. Und spätestens als die Bombe auf München fällt, das nur ca. 30 km entfernt ist, endet Ninas normales Leben. Die zivile Ordnung bricht zusammen. Ein Überlebenskampf beginnt…


Die Schilderungen, wie sich die Lage in Fernost allmählich verschärft und wie die direkten Auswirkungen auf das persönliche Leben von Nina zunehmen, lesen sich sehr realistisch (und beängstigend). So könnte es tatsächlich ablaufen! Die Folgen des atomaren Schlags sind gravierend und werden den Leserinnen und Lesern schonungslos nähergebracht. Und Nina begeht einen schweren Fehler. Statt sich in einen sicheren Schutzraum zu begeben und die ersten 48 Stunden abzuwarten, flüchtet sie auf dem Fahrrad in Richtung Süden. Dabei trifft sie auch auf andere Menschen, die sich angsterfüllt versammeln und auf Hilfe warten. Massenpanik wird greifbar! Und bei Nina treten schon bald erste Symptome einer Strahlenkrankheit auf, die sich allmählich verschlimmern. Es beginnt eine intensiv geschilderte Leidensgeschichte, die mich als Leser betroffen zurücklässt. Und die Ungewissheit, wie es mit Nina weitergeht, erzeugt Spannung. Darüber hinaus sorgt der Umstand, dass Nina nicht weiß, was um sie herum passiert, und dass sie über keine Informationen zur Lage in Deutschland verfügt, für zusätzliche Dramatik.


Trotzdem kann ich diesem Buch keine 4 - 5 Sterne geben. Aus mehreren Gründen. Mir fehlen weitere Perspektiven, die zusätzliche Aspekte der Katastrophe in den Fokus rücken. Ein oder zwei weitere Handlungsstränge, die mehr über die Hintergründe preisgeben, hätten dem Buch nach meinem Gefühl gutgetan. Darüber hinaus hätte ich mir noch eine größere psychologische Tiefe für die handelnden Figuren gewünscht, damit man mehr mitfiebern kann. Weiterhin hätte das Buch an der ein oder anderen Stelle gestrafft werden können. Vieles wiederholt sich und dreht sich im Kreis (v.a. zum Ende hin, aber auch während des Aufenthalts im Auffanglager). Nicht zuletzt war mir der Schreibstil an vielen Stellen zu deskriptiv und dadurch zu langatmig. Zahlreiche Beschreibungen waren für mich zu ausschweifend und rauben dem Inhalt Unmittelbarkeit, Direktheit und Dynamik. Und noch etwas: Vieles von dem, was ich gelesen habe, war in dieser Form erwartbar. Es gab wenig Überraschungen. Mich hat das Buch mit zunehmendem Handlungsverlauf immer mehr verloren, das muss ich ehrlich zugeben. Es war mir zu düster, zu viel Leid auf einmal, dazu noch die genannten Kritikpunkte. Schade! Am Schreibstil gibt es aber nichts auszusetzen. Er ist sehr bildhaft und klar.

Montag, 16. Juni 2025

Paolini, Christopher - Fractal Noise


Signal ohne Ursprung?




Wir befinden uns in einer weit entfernten Zukunft (im Jahr 2234). Die Menschheit ist in der Lage, extrasolare Kolonien zu gründen und Reisen zu anderen Planeten zu unternehmen. Das eigene Sonnensystem ist bereits erschlossen und besiedelt. Doch von intelligentem Leben gibt es im Universum weiterhin keine Spur. Man entdeckte bisher lediglich Pflanzen, Tiere und zahlreiche Mikroorganismen. Bis zu dem Tag, als die 12-köpfige Besatzung des Forschungsschiffs Adamura auf dem unbewohnten, nahezu toten Planeten Talos VII ein kreisförmiges und makellos symmetrisch geformtes Loch aufspürt, das verschlüsselte Signale aussendet. Ist es künstlich angelegt worden und Anzeichen für eine intelligente Lebensform? Doch wohin sind die Erbauer des Lochs verschwunden? Auf dem Planeten sind keine Spuren von intelligentem Leben zu finden. Ich fühlte mich sofort an das sehr, sehr spannende Buch „Das Eulentor“ von Andreas Gruber erinnert und war neugierig zu erfahren, was es mit dem Loch auf sich hat. Ein gelungenes Ausgangssetting!


Erzählt wird aus der Sicht von Alex, einem Xenobiologen, und es wird sofort deutlich, dass er sich in keinem guten psychischen Zustand befindet. Er leidet unter einer depressiven Verstimmung, weil er einen tragischen Verlust erlitten hat. Selbst die Entdeckung des fremdartigen Konstrukts auf Talos VII kann ihm zunächst keinen neuen Lebensmut geben. Neugier und Leidenschaft sind ihm verloren gegangen. Er fühlt sich träge und ausgelaugt. In der Crew entsteht eine Diskussion darüber, wie man weiter bei der Erforschung des Phänomens vorgehen will, und man erörtert die Frage, was es mit der Anomalie auf sich haben könnte. Es werden verschiedene Hypothesen aufgestellt. Sehr interessant!


Nach der Ankunft beim Planeten soll ein Landungstrupp, dem auch Alex angehört, das Loch erforschen. Was werden sie entdecken? Das ist die zentrale Frage, die man sich zu diesem Zeitpunkt der Lektüre stellt. Und ich hatte eine große Erwartungshaltung (die ja auch vom Autor so angelegt wurde). Doch was dann folgt, forderte meine Geduld stark heraus: Vom Landungsschiff folgt ein langer, langer Marsch zum Loch, der sehr viel Raum einnimmt. Und die Erforschung der Anomalie selbst spielt kaum eine Rolle. Stattdessen wird geschildert, welche lebensgefährlichen Widrigkeiten der zusammengestellte Trupp überwinden muss, um überhaupt zum Konstrukt zu gelangen. Dabei zeigt sich z.B., dass die Nerven der Gruppenmitglieder äußerst angespannt sind (was zur Situation passt). Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten, Reibereien und offen ausgetragenen Konflikten. Das wird auch spannend geschildert und der Autor lässt sich einiges einfallen, um die Anspannung beim Lesen hochzuhalten (einiges wiederholt sich dabei auch). Und auch die Atmosphäre der Expedition auf dem lebensfeindlichen Planeten wird in meinen Augen toll eingefangen. Doch das, was zu Beginn des Buchs als wesentlicher spannungserregender Moment aufgebaut wurde, wird dann kaum bedient und zu lange hinausgezögert. Das fand ich einfach unheimlich schade! Erst auf den letzten Seiten erfährt man dann mehr zur Anomalie. Doch, was ich las, hat mich dann noch einmal ernüchtert zurückgelassen. Eine Bewertung fällt schwer. Wie will man bewerten, dass die angelegte Erwartungshaltung nicht bedient wird, obwohl der Rest des Buchs eigentlich spannend geschildert wird? Ich drücke mich einfach mal davor, eine Sternebewertung abzugeben… 


Ich könnte mir vorstellen, dass der Autor vielleicht eine Fortsetzung plant, in der er mehr zur Anomalie preisgibt und die weitere Erforschung schildert. Aber meine Recherchen dazu haben nichts ergeben. Stattdessen plant Paolini sein angelegtes Fractal-Universum mit anderen Büchern weiter auszubauen, wie er selbst angekündigt hat. Vermarktet wird „Fractal Noise“ als Vorgänger zu „Infinitum“, das ich noch nicht kenne. Diese Wissenslücke werde ich sicherlich in naher Zukunft noch schließen.

Donnerstag, 12. Juni 2025

Russ, Rebecca - Der Weg

Vielen Dank an Vorablesen für das Rezensionsexemplar (= Werbung) 


Hammer-Buch


Die beiden Freundinnen Jules und Nicki wollen in Schweden gemeinsam eine Wanderung unternehmen. Sie wollen den sog. Kungsleden erschließen (auf Deutsch: Königspfad), einen der beliebtesten Wanderwege des skandinavischen Landes, mit einer ungefähren Länge von 400 km. Und eines gleich vorweg: Die Handlung wird um schöne Schilderungen von Natur ergänzt. Bei mir entstanden wundervolle Bilder vor dem inneren Auge.


Der Einstieg in den Thriller erfolgt unmittelbar, es geht direkt los. Eh man sich versieht, sitzen beide Freundinnen bereits im Flieger nach Schweden und verbringen noch eine Nacht in einer Pension, bevor sie dann loslaufen. Sie lassen sich auch von den widrigen Wetterbedingungen nicht abhalten.


Während der Wanderung wird das Beziehungsverhältnis von Jules und Nicki vertieft. Beide haben sich auseinandergelebt und Nicki hat eine schwere Zeit hinter sich. Doch was genau in ihr vorgeht, gibt sie ihrer Freundin nicht preis… Sie wirkt aber oft abwesend und mit den Gedanken woanders. Als Leser beginnt man natürlich zu rätseln, was mit ihr los ist. Das ist geschickt arrangiert!


Weiterhin wird schnell deutlich, dass Jules sich sehr auf die Wanderkompetenz ihrer Freundin verlässt, v.a. was die Navigation angeht. Das wird ihr bald zum Verhängnis. Denn nach einer gemeinsamen Nacht im Zelt, wacht Jules am nächsten Morgen allein auf und weiß nicht, wo Nicki steckt. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche nach ihr und ist ganz auf sich allein gestellt. Sie ist orientierungslos und weiß nicht, was sie tun soll. Sie agiert dabei ziemlich leichtsinnig und schon bald verläuft sie sich…Die Situation wird brenzlig und gewinnt an Dynamik. Und gleichzeitig stellt man sich die Frage, was mit Nicki passiert ist. In meinen Augen eine äußerst spannende Ausgangssituation! Und mit zunehmendem Handlungsverlauf wird der Plot immer spannender und wendungsreicher. Ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, die Bedrohungssituation spitzt sich immer mehr zu. Eine Sogwirkung beim Lesen entstand! Ich habe das Schicksal von Jules mit Anspannung begleitet und bin auch an einigen Stellen vom Verlauf des Inhalts überrascht worden. Die Darstellung des inneren Zustands von Jules hat mich ebenfalls überzeugt.


Eingeschoben sind auch regelmäßige Rückblicke, die im weiteren Handlungsverlauf eine weitere Dynamik erzeugen. Ich will über sie nicht zu viel verraten, denn sie haben eine wichtige Funktion. Nur so viel: Sie sind ein absoluter Gewinn für die Handlung! Durch sie erhalten die Figuren viel mehr Tiefe und ich konnte dadurch eine bessere Beziehung zu ihnen aufbauen und mehr mitfiebern.


Insgesamt liest sich das Buch sehr flüssig. Ich bin nur so durch die Seiten gerast. Vieles von dem, was ich gelesen habe, ging sehr unter die Haut und hat mich emotional gepackt. Das Setting erinnerte mich sehr an „Der Ausflug“ von Ulf Kvensler, aber es lassen sich in meinen Augen auch gut Bezüge zu Freida McFaddens „Wenn sie wüsste“ herstellen. Das Buch hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. In meinen Augen ist der Autorin hier ein ganz großer Wurf gelungen. Ich bin gespannt, ob sie es damit in die Bestseller-Listen schafft. Ich bin jedenfalls auf weitere Bücher der Autorin gespannt!

Montag, 9. Juni 2025

Bradley, Kaliane - Das Ministerium der Zeit

Vielen Dank an das Bloggerportal für das Rezensionsexemplar (= Werbung)


Interessanter Genre-Mix


In naher Zukunft hat die britische Regierung einen Weg gefunden, durch die Zeit zu reisen, und sie hat sich dazu entschieden, Menschen aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu schleusen (und zwar solche Menschen, die einen sicheren Tod gestorben wären). Erzählt wird aus der Sicht einer Ich-Erzählerin, die sich beim Ministerium für Zeit auf eine Stelle als sog. „Brücke“ bewirbt. Diese „Brücken“ sollen den Zeitreisenden, genannt „Expats“, dabei helfen, sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden, und begleiten sie für ein Jahr. Eine interessante Idee! Die Begegnung von Menschen aus verschiedenen Zeitaltern verspricht nach meinem Gefühl eine interessante Dynamik und bietet ein unterhaltsames Ausgangssetting.


Der Ich-Erzählerin kommt die Aufgabe zu, Commander Graham Gore (1809-1847) von der Royal Navy zu betreuen. Er nahm an der tragischen Franklin-Expedition in die Arktis teil (Stichwort für weitere Recherchen: HMS Erebus), bei der er gestorben wäre, wenn ihn der Transfer in die Gegenwart nicht gerettet hätte. Zusammen mit dem Begleitschiff HMS Terror wollte man eine Nordwestpassage durch die kanadische Arktis ausfindig machen. In eingeschobenen Rückblicken zu Beginn jedes Kapitels wird geschildert, was Gore und der Besatzung beider Schiffe damals widerfahren sein könnte. Erfreulicherweise werden im Nachwort zudem noch einige wichtige historische Hintergrundinformationen zu dieser Mission integriert, die ich mit Interesse gelesen habe. Der reale historische Hintergrund wertet den Inhalt des Buchs in meinen Augen noch einmal auf.


Erwartungsgemäß hat Graham Gore einige geschichtliche Entwicklungen verpasst, als er sich im 21. Jh. wiederfindet, und tut sich anfangs etwas schwer mit den Veränderungen. Er muss viele neue Informationen verarbeiten und „verdauen“. Vieles nimmt er mit Erstaunen zur Kenntnis. Um sicherzustellen, dass er keine negativen Folgen durch die Zeitreise erfahren hat, wird der Commander heimlich durch das Ministerium überwacht.  Und die Begegnung zwischen dem Zeitreisenden und seiner „Brücke“ wird humorvoll beschrieben.


Allerdings erlebt Graham auch keinen „Kulturschock“ und ist durchaus in der Lage, sich an seine neue Umgebung anzupassen. Schon bald kann er Computer bedienen und Streaming-Dienste nutzen. Für mich war es letztlich erstaunlich, wie „integrationswillig“ er ist. Da hätte ich mir schon ein paar Auseinandersetzungen oder Schwierigkeiten mehr gewünscht. Gore stellt insgesamt wenig in Frage, eckt wenig an. Sein Integrationsprozess verläuft (zu?) reibungslos. Ich hätte mir darüber hinaus noch mehr Passagen gewünscht, in denen geschildert wird, wie Graham Dinge aus dem 21. Jh. zum ersten Mal erlebt. Da wurde für mich etwas Potential verschenkt.


Im weiteren Handlungsverlauf kommt es zu einer Annäherung zwischen Gore und seiner „Brücke“. Das verleiht der Handlung etwas Schwung. Dabei ist es amüsant zu lesen, in welch veralteten Rollenvorstellungen der Commander denkt und wie er sich gegenüber seiner Aufpasserin verhält. Die Liebe zwischen beiden Figuren entwickelt sich äußerst zaghaft-zurückhaltend und wird zunächst nur dezent entfaltet. Sie intensiviert sich aber mit der Zeit (jedoch sie nimmt weniger Raum ein, als ich anfangs vermutet hatte). Später zieht dann auch die Spannung plötzlich an, als eine unbekannte Bedrohung das Leben der Zeitreisenden bedroht. Dann entwickelt sich auf einmal eine Art Spionage-Thriller. Und die Auflösung ist gelungen. Anders ausgedrückt: Dieses Buch bietet unheimlich viel und ist ein interessanter Genre-Mix. Durch den historischen Hintergrund ähnelt das Buch einem historischen Roman, aber es weist auch Elemente von Science-Fiction, von einem Thriller und von einem Liebesroman auf. Eine klare Genre-Einordnung fällt hier schwer. Die zentrale Frage ist, ob man sich auf einen solchen Mix einlassen kann oder ob sich die Leserinnen und Leser lieber gewünscht hätten, dass die Autorin eine entschiedenere Richtung einschlägt. Das muss jede und jeder für sich selbst beantworten. Mir hat diese Mischung jedenfalls gut gefallen. Ich gebe 4 Sterne!

Dienstag, 3. Juni 2025

Taler, Mark - Omniworld


Erschreckende Zukunftsvision



Zu Beginn des Buchs lernen wir den milliardenschweren Tech-Unternehmer Ethan Hubble kennen, der mit seinen furiosen Auftritten vor der Weltöffentlichkeit in der Lage ist, Börsenkurse zu beeinflussen. Er ist der Erschaffer von Omniworld, einer Technologie zum Erzeugen einer virtuellen Realität, in der Menschen eintauchen, interagieren und ihre eigenen Welten erschaffen können.


In diesem sog. Metaverse kann jede und jeder das sein, was sie oder er gern sein möchte. Man kann einen digitalen Avatar des eigenen Selbst kreieren und nur die eigene Fantasie bildet die Grenze des Machbaren. Omniworld ist der Gegenentwurf zur „echten“ (Objekt) Welt. Es gibt keine Beschränkungen. Und dabei wirkt die virtuelle Realität so lebensecht und fotorealistisch, dass man sie nicht von der wahren Welt unterscheiden kann.


In weiteren Perspektiven lernen wir noch andere Figuren außer Ethan Hubble kennen. So z.B. seine Frau Marie, die ihn von Anfang an unterstützt hat, noch bevor er seine erste Million verdient hat. Durch ihre Augen erhalten wir einen Einblick in die Arbeitsumgebung und die Projekte rund um die Firma Omni, die im Silicon Valley angesiedelt ist. Das Ziel ihres Mannes ist es beispielsweise, Mitarbeiter von Omni immer stärker in die virtuelle Realität einzubinden und so das Arbeitsumfeld immer stärker in die simulierte Welt zu verlagern. In naher Zukunft soll die totale Immersion erreicht werden. Jeder Mensch soll Zugang zur Simulation erhalten und sich möglichst lange (oder gar dauerhaft?) darin aufhalten. Ethan Hubble möchte die Objektwelt durch die Simulation ablösen.


In einer weiteren Perspektive erleben wir die Sicht des Vaters und Witwers Steffen. Dieser hat mit den negativen Auswirkungen von Omniworld auf seinen 16-jährigen Sohn zu kämpfen. Er muss miterleben, dass sich sein Sohn oft in der Simulation aufhält und sich immer mehr aus der Realität entfernt. Er versucht ihn davon zu überzeugen, mehr „echte“ Aktivitäten in der Objektwelt zu erleben. Doch sein Bemühen ist vergebens. Zu attraktiv ist die Simulation. Sein Sohn driftet immer mehr in die Selbstisolation ab und entwickelt Abhängigkeitssymptome. Die negativen Auswirkungen werden anschaulich beschrieben. Der Vater versucht sich Hilfe zu organisieren und erkennt dabei, dass sein Sohn nicht das einzige Opfer von Omniworld ist. Gleichzeitig muss er erkennen, wie wirkmächtig Omni agiert, um negative Schlagzeilen und kritische Berichterstattung zu unterbinden.


Die entworfene Zukunftsvision ist sehr kreativ und ideenreich gestaltet worden. Als Pro-Argument für die virtuelle Realität wird z.B. immer wieder der Aspekt der Nachhaltigkeit erwähnt. Dadurch, dass sich Menschen in der Simulation treffen und dort interagieren können, entfallen Reisen mit Transportmitteln wie Auto und Flugzeug. Die digitale Welt ist ein riesiger Wachstumsmarkt, an dem immer mehr Menschen teilhaben möchten. Das wird nur allzu deutlich. Und Omniworld expandiert immer mehr. Es umfasst immer mehr Lebensbereiche. Und Ethan Hubble entwickelt immer wieder neue Ideen, um noch mehr Nutzerinnen und Nutzer für die Simulation zu begeistern (so kann sich bald jede und jeder z.B. ihren bzw. seinen eigenen Traumpartner oder virtuelle Babys kreieren). Dabei ist Hubble auch wichtig, dass seine Firma ein positives Image aufweist.


Um eine längerfristige Entwicklungsperspektive zu schildern, werden immer wieder Zeitsprünge von fünf Jahren platziert. Sehr geschickt! So befinden wir uns zu Beginn im Jahr 2033, später dann in den Jahren 2035, 2040, 2045 und 2050. Den Abschluss bildet das Jahr 2052. Auf diese Weise können die verschiedenen Weiterentwicklungen von Omniworld in den Blick gerückt werden. Die Simulation wird immer allumfassender und ergreift mit der Zeit mehr und mehr Bereiche des Lebens. Das Erleben der Nutzerinnen und Nutzer wird stetig verbessert. Mensch und Technik verschmelzen stärker und stärker. Der Aufenthalt in der Simulation wird kontinuierlich verlockender. Dabei wird auch immer wieder deutlich, wie sehr Ethan Hubble von seiner Technologie überzeugt ist und wie wenig kritisch er ihr begegnet. Anders als seine Frau ist Ethan absolut technikversessen. Anders als sie stellt er nichts in Frage und treibt seine Ideen zum Ausbau der Simulation immer weiter voran. Dabei überschreitet er auch moralische Grenzen…


Das Buch fordert an vielen Stellen zum Mitdenken heraus und verlangt eine Positionierung zu zahlreichen Themen, die im Buch vorkommen. Man kann das Buch auch gut als Kritik an der heutigen Zeit und an der Macht von Tech-Unternehmern lesen (man denke nur an Zuckerberg, Bezos oder Musk). Das hat mir richtig, richtig gut gefallen. Immer wieder wird man während der Lektüre mit der Frage konfrontiert, wie man selbst mit der Simulation umgehen und sich darin verhalten würde. Der Inhalt des Buchs bietet hier verschiedene Identifikationsmöglichkeiten an. Ich habe die Entwicklung von Omniworld mit Interesse begleitet und mich während der Lektüre stets gefragt, wo das Ganze noch hinführt. Es ist jedenfalls erschreckend zu lesen, wie wenig verantwortungsvoll die Menschen mit der neuen Technologie umgehen. Fazit: Insgesamt ein rundum gelungenes Werk mit einem beeindruckenden Ende.

Montag, 2. Juni 2025

The Acolyte (Staffel 1)


Ein Star-Wars-Krimi



In dieser Serie wird uns eine Welt präsentiert, in der der Jedi-Orden noch in voller Blüte existiert und sich für die Bewahrung von Recht und Gesetz in der Galaxis einsetzt. Doch auch zu dieser Zeit leben die Jedi nicht ungefährlich und sie sind nicht unbesiegbar. So erleben wir anfangs mit, wie eine namenlose Attentäterin eine Jedi-Meisterin tötet. Ihr Motiv: Rache. Bald darauf stellt sich heraus, dass es sich bei der Killerin um die ehemalige Jedi-Schülerin Osha handeln soll. Diese beteuert jedoch vehement ihre Unschuld, als sie festgenommen wird. Sie vermutet, dass ihre totgeglaubte Zwillingsschwester Mae den Mord begangen hat. Und Oshas ehemaliger Jedi-Ausbilder Sol glaubt an ihre Unschuld, auch wenn er damals mit eigenen Augen gesehen haben will, wie Mae starb. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Mae. Doch warum und wofür sollte diese Rache nehmen wollen? Und wer hat Mae so ausgebildet, dass sie sogar in der Lage ist, eine Jedi-Meisterin umzubringen? Das sind die zentralen Fragen, die die Handlung vorantreiben und meine Neugier fortwährend befeuerten. Die Lösung eines vertrackten Kriminalfalls entspinnt sich.

 

Auffällig sind die Kampfszenen, die an fernöstliche Martial-Arts erinnern. Ich könnte mir vorstellen, dass sie bei vielen Fans Irritationen oder gar Ablehnung hervorrufen. Mir hat die Art und Weise der Inszenierung der Duelle aber gut gefallen. Die Kampfkünste heben sich auf diese Weise von schon Bekanntem ab. V.a. als ein weiterer Antagonist auf den Plan tritt, gewinnen die sehr gut choreografierten Auseinandersetzungen noch einmal an Dynamik.

 

Ebenfalls fällt auf, dass die Beziehung zwischen Mae und Osha sowie ihre Beziehung zu Sol eine große Rolle spielt und viel Raum einnimmt. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder Rückblicke in die Vergangenheit integriert. Darin wird z.B. gezeigt, wie Osha zum Jedi-Orden fand und dass ihre Aufnahme in den Orden nicht komplikationslos verlief. Sehr interessant! Gut gefallen hat mir auch, dass die individuelle Charakteristik der jeweiligen Figur gut zum Ausdruck kommen. Man merkt Mae und Osha an, dass sie verschieden sind. Die Beziehung zwischen beiden Schwestern ist konfliktreich angelegt. Und bei Sol wird ebenfalls ein innerer Konflikt spürbar. Kurzum: Die verschiedenen Motive des Handelns der Figuren wirken glaubwürdig und nachvollziehbar.

 

Das Ende der ersten Staffel lässt Raum für eine Fortsetzung. Es gibt sogar einen vielversprechenden Cliffhanger. Meine Recherchen haben aber ergeben, dass momentan nicht geplant ist, die Serie fortzuführen. Die erste Staffel war nicht erfolgreich genug und blieb hinter den Erwartungen zurück. Ich finde das etwas schade und kann es nicht verstehen. Nach meinem Empfinden ist die Serie inhaltlich gelungen und bietet einen faszinierenden Blick in einen noch nicht erzählten Abschnitt des Star Wars Universum. Aber nun gut, die Fans haben so entschieden…

Freitag, 30. Mai 2025

Faber, Henri - Locked In


Guter Beginn, am Ende zu unübersichtlich



Ein namenloser Entführer hat drei Menschen verschwinden lassen und die zwei Polizisten Paul Maertens und Stefanie Krüger sind ihm zu Beginn des Buchs dicht auf den Fersen. Das Tempo ist hoch, die Sätze kurz, der Einstieg dynamisch. Ellipsen, Interjektionen und Parallelismen sowie Aufzählungen prasseln auf die Leser ein. Kurzum: Fabers Sprache hat Wiedererkennungswert (welche Autoren haben das schon?).


Beim Zugriff wird der Entführer schwer verwundet und trägt eine Kopfverletzung davon. Er überlebt mit schweren Hirnschäden und muss sein Dasein fortan als Locked-In-Patient fristen, der in seinem eigenen Körper gefangen ist. Gelähmt, aber bei vollem Bewusstsein. Und die Entführungsopfer bleiben verschollen…


Eingeschoben werden auch Kapitel aus der Sicht eines Opfers, das sich in einem Verlies befindet und orientierungs- und gedächtnislos ist. Ihm bleibt nicht viel Zeit und es muss ums Überleben kämpfen. Es versucht sich aus seiner ausweglosen Situation zu befreien und wächst dabei über sich hinaus. Die Schilderungen sind eindringlich. Die Zeit läuft und der physische und psychische Zustand des Gefangenen drohen sich zu verschlechtern. Doch anfangs erscheint uns das Opfer noch kräftig und willensstark. Doch bleibt das so?


Eine weitere Perspektive kommt dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Theo Linde zu, der ein Gerät entwickelt hat, mit dem sog. Locked-In-Patienten kommunizieren können. Es misst die Hirnströme und kann Ja- und Nein-Antworten ermitteln. Diese Erfindung soll der Polizei dabei helfen, mit dem überlebenden Entführer zu kommunizieren, damit dieser Auskunft über seine Verbrechen geben kann. Doch warum sollte er die an ihn gerichteten Fragen korrekt beantworten? Welches Interesse sollte der Entführer daran haben, zu helfen?


Die gewählten Ich-Perspektiven erzeugen Unmittelbarkeit. Wir sind als Leser nah dran am Geschehen. Die Schreibweise zeichnet sich durch Kreativität und Ideenreichtum aus. Und der Umstand, dass ein entführtes Opfer gefangen ist und der Entführer gleichzeitig verhört werden soll, erzeugt Zeitdruck. Auch das ist gelungen. Die Ermittlungen werden dynamisch und ereignisreich vorangetrieben. Es wird an vielen Stellschrauben gedreht, um Spannung zu erzeugen. Es kommt keine Langeweile auf. Prima!


Weiterhin finde ich interessant, dass der Inhalt des Thrillers einen realen Hintergrund hat. Locked-In-Patienten gibt es tatsächlich und auch ein Gerät zur Kommunikation mit solchen Patienten existiert in Wirklichkeit (obwohl es für mich anfangs eher nach Raumschiff Enterprise klang). Dass es sich nicht um eine reine Fiktion handelt, wertet den Inhalt in meinen Augen noch einmal zusätzlich auf. Ich mag es, wenn ich noch etwas dazulernen kann. Und an einer Stelle erhält das Geschehen durchaus auch Tiefgang. So wird die Frage nach Sterbehilfe thematisiert (allerdings nur knapp).


Allerdings habe ich bei diesem neuen Thriller auch etwas zu meckern. Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird die Handlung für mich zunehmend unübersichtlich. Die Ereignisse und Wendungen überschlagen sich. Mir war das zu viel. Es war mir zu hektisch. Ich habe auch nicht immer verstanden, wie eins zum anderen kommt. Einiges war mir dann auch mal zu abgedreht, das muss ich ehrlich zugeben. Schade, schade! Die beiden Vorgänger gefielen mir insgesamt besser.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Pätzold, Oliver - Die Helios-Apokalypse


Kampf ums Überleben



Was wäre, wenn die Erde von heftigen Sonnenstürmen heimgesucht würde, die massive Auswirkungen auf das Leben der Menschen hätten und zu einer Katastrophe führten? Zunächst werden Kommunikationssysteme und Stromanlagen gestört, dann kommt der Flugverkehr zum Erliegen und es folgen starke Hitzewellen in Osteuropa, die sich nach und nach ausbreiten. Das alles erleben wir am Beispiel einer Familie, die gerade Urlaub in Österreich macht.






Das Katastrophenszenario wird zunehmend bedrohlicher und nimmt einen schrecklichen Verlauf. Mia muss mit ihren Eltern in ein nahegelegenes Bergwerk flüchten, um sich vor den massiven Auswirkungen der Sonnenwinde zu retten. Dort treffen sie auf andere Menschen, die die gleiche Idee hatten. Und was die Spannung anheizt, ist der Umstand, dass keiner weiß, wie lange das Phänomen anhalten und wie heftig es noch ausfallen wird.




Auch fragt man sich, was außerhalb des Bergwerks vor sich geht, während die wenigen Überlebenden in ihrem Schutzraum ausharren. Die Ressourcen sind begrenzt, was den Druck erhöht und die Situation noch einmal zusätzlich verschärft. Wie lange müssen Mia und die anderen durchhalten? Werden sie überleben? Und wenn ja, wie? Das sind zentrale Fragen, die man sich stellt. Und die Spannung zieht noch einmal deutlich an, als die Gruppe entscheiden muss, ob sie das schützende Bergwerk verlässt oder eben nicht. Was werden sie draußen vorfinden?




Es wird gut deutlich, welche psychischen und physischen Auswirkungen die Katastrophe auf die wenigen Überlebenden im Bergwerk hat. Die Nerven liegen blank. Es kommt zu Reibereien und Rivalitäten. Der Verlust von Menschlichkeit wird thematisiert. Aber auch der Überlebenswille, die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt der Gruppe kommen gut zum Ausdruck. Kurzum: Die zwischenmenschliche Dynamik wird nach meinem Empfinden gut eingefangen. Es zeigt sich spürbar, wie sehr Menschen in Notsituationen in der Lage sind, Leid auszuhalten und sich an widrige Bedingungen anzupassen. Das alles hat mich absolut überzeugt.




Die Schilderungen der Katastrophe sind eindringlich und fesselnd. Die Überlebenden schwanken zwischen den Gefühlen Hoffnung und Angst. Und sie müssen unter Tage stets neue Herausforderungen bewältigen. Sie planen nur noch von Tag zu Tag. Der Hunger ist allgegenwärtig. Die niedrigen Temperaturen in der Höhle zehren an den Kräften. Einfache Krankheiten können schnell lebensgefährlich werden, weil es an einer entsprechenden medizinischen Versorgung fehlt.




Die Spannungskurve ist sehr gut und packend gestaltet worden. Ich habe das Schicksal der Überlebenden durchweg mit Anspannung begleitet und mich gefragt, was aus ihnen wird. Auffällig ist, dass man nicht alle neun Personen, die sich im Bergwerk aufhalten, gleich gut kennen lernt. Einige Figuren rücken in den Vordergrund (was gut ist!). Mit ihnen fiebert man aus diesem Grund auch mehr mit. Das Schicksal von Mia hat mich noch am meisten berührt.




An einigen Stellen sind Zeitsprünge eingebaut worden, was ich sehr gelungen finde. So stagniert die Handlung nicht zu sehr und man begleitet die Gruppe auf diese Weise über einen längeren Zeitraum. Der Thriller wird geradlinig erzählt und verzichtet (mit Ausnahme des Beginns) auf Perspektivwechsel. Schade! Denn durch wechselnde Blickwinkel hätten auch noch weitere Aspekte oder Hintergründe der Katastrophe in den Blick gerückt werden können. Der Blick auf das Geschehen wäre dann etwas weiter gewesen. Ein paar mehr Informationen zum Inferno hätte ich gerne noch erfahren.




Abschließen möchte ich meine Rezension mit der Bemerkung, dass die dargestellte Katastrophe in der beschriebenen Form nicht eintreten kann (das ergab meine Recherche). Das sollte man sich bewusst machen. Das Magnetfeld und die Atmosphäre schützen die Erde vor den Auswirkungen von Sonnenwinden. Starke Eruptionen können höchstens einmal dazu führen, dass es zu elektromagnetischen Störungen kommt, die sich auf Strom- und Kommunikationsnetze negativ auswirken können.