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Montag, 16. Juni 2025

Paolini, Christopher - Fractal Noise


Signal ohne Ursprung?




Wir befinden uns in einer weit entfernten Zukunft (im Jahr 2234). Die Menschheit ist in der Lage, extrasolare Kolonien zu gründen und Reisen zu anderen Planeten zu unternehmen. Das eigene Sonnensystem ist bereits erschlossen und besiedelt. Doch von intelligentem Leben gibt es im Universum weiterhin keine Spur. Man entdeckte bisher lediglich Pflanzen, Tiere und zahlreiche Mikroorganismen. Bis zu dem Tag, als die 12-köpfige Besatzung des Forschungsschiffs Adamura auf dem unbewohnten, nahezu toten Planeten Talos VII ein kreisförmiges und makellos symmetrisch geformtes Loch aufspürt, das verschlüsselte Signale aussendet. Ist es künstlich angelegt worden und Anzeichen für eine intelligente Lebensform? Doch wohin sind die Erbauer des Lochs verschwunden? Auf dem Planeten sind keine Spuren von intelligentem Leben zu finden. Ich fühlte mich sofort an das sehr, sehr spannende Buch „Das Eulentor“ von Andreas Gruber erinnert und war neugierig zu erfahren, was es mit dem Loch auf sich hat. Ein gelungenes Ausgangssetting!


Erzählt wird aus der Sicht von Alex, einem Xenobiologen, und es wird sofort deutlich, dass er sich in keinem guten psychischen Zustand befindet. Er leidet unter einer depressiven Verstimmung, weil er einen tragischen Verlust erlitten hat. Selbst die Entdeckung des fremdartigen Konstrukts auf Talos VII kann ihm zunächst keinen neuen Lebensmut geben. Neugier und Leidenschaft sind ihm verloren gegangen. Er fühlt sich träge und ausgelaugt. In der Crew entsteht eine Diskussion darüber, wie man weiter bei der Erforschung des Phänomens vorgehen will, und man erörtert die Frage, was es mit der Anomalie auf sich haben könnte. Es werden verschiedene Hypothesen aufgestellt. Sehr interessant!


Nach der Ankunft beim Planeten soll ein Landungstrupp, dem auch Alex angehört, das Loch erforschen. Was werden sie entdecken? Das ist die zentrale Frage, die man sich zu diesem Zeitpunkt der Lektüre stellt. Und ich hatte eine große Erwartungshaltung (die ja auch vom Autor so angelegt wurde). Doch was dann folgt, forderte meine Geduld stark heraus: Vom Landungsschiff folgt ein langer, langer Marsch zum Loch, der sehr viel Raum einnimmt. Und die Erforschung der Anomalie selbst spielt kaum eine Rolle. Stattdessen wird geschildert, welche lebensgefährlichen Widrigkeiten der zusammengestellte Trupp überwinden muss, um überhaupt zum Konstrukt zu gelangen. Dabei zeigt sich z.B., dass die Nerven der Gruppenmitglieder äußerst angespannt sind (was zur Situation passt). Es kommt zu Meinungsverschiedenheiten, Reibereien und offen ausgetragenen Konflikten. Das wird auch spannend geschildert und der Autor lässt sich einiges einfallen, um die Anspannung beim Lesen hochzuhalten (einiges wiederholt sich dabei auch). Und auch die Atmosphäre der Expedition auf dem lebensfeindlichen Planeten wird in meinen Augen toll eingefangen. Doch das, was zu Beginn des Buchs als wesentlicher spannungserregender Moment aufgebaut wurde, wird dann kaum bedient und zu lange hinausgezögert. Das fand ich einfach unheimlich schade! Erst auf den letzten Seiten erfährt man dann mehr zur Anomalie. Doch, was ich las, hat mich dann noch einmal ernüchtert zurückgelassen. Eine Bewertung fällt schwer. Wie will man bewerten, dass die angelegte Erwartungshaltung nicht bedient wird, obwohl der Rest des Buchs eigentlich spannend geschildert wird? Ich drücke mich einfach mal davor, eine Sternebewertung abzugeben… 


Ich könnte mir vorstellen, dass der Autor vielleicht eine Fortsetzung plant, in der er mehr zur Anomalie preisgibt und die weitere Erforschung schildert. Aber meine Recherchen dazu haben nichts ergeben. Stattdessen plant Paolini sein angelegtes Fractal-Universum mit anderen Büchern weiter auszubauen, wie er selbst angekündigt hat. Vermarktet wird „Fractal Noise“ als Vorgänger zu „Infinitum“, das ich noch nicht kenne. Diese Wissenslücke werde ich sicherlich in naher Zukunft noch schließen.

Donnerstag, 12. Juni 2025

Russ, Rebecca - Der Weg


Hammer-Buch



Die beiden Freundinnen Jules und Nicki wollen in Schweden gemeinsam eine Wanderung unternehmen. Sie wollen den sog. Kungsleden erschließen (auf Deutsch: Königspfad), einen der beliebtesten Wanderwege des skandinavischen Landes, mit einer ungefähren Länge von 400 km. Und eines gleich vorweg: Die Handlung wird um schöne Schilderungen von Natur ergänzt. Bei mir entstanden wundervolle Bilder vor dem inneren Auge.


Der Einstieg in den Thriller erfolgt unmittelbar, es geht direkt los. Eh man sich versieht, sitzen beide Freundinnen bereits im Flieger nach Schweden und verbringen noch eine Nacht in einer Pension, bevor sie dann loslaufen. Sie lassen sich auch von den widrigen Wetterbedingungen nicht abhalten.


Während der Wanderung wird das Beziehungsverhältnis von Jules und Nicki vertieft. Beide haben sich auseinandergelebt und Nicki hat eine schwere Zeit hinter sich. Doch was genau in ihr vorgeht, gibt sie ihrer Freundin nicht preis… Sie wirkt aber oft abwesend und mit den Gedanken woanders. Als Leser beginnt man natürlich zu rätseln, was mit ihr los ist. Das ist geschickt arrangiert!


Weiterhin wird schnell deutlich, dass Jules sich sehr auf die Wanderkompetenz ihrer Freundin verlässt, v.a. was die Navigation angeht. Das wird ihr bald zum Verhängnis. Denn nach einer gemeinsamen Nacht im Zelt, wacht Jules am nächsten Morgen allein auf und weiß nicht, wo Nicki steckt. Verzweifelt macht sie sich auf die Suche nach ihr und ist ganz auf sich allein gestellt. Sie ist orientierungslos und weiß nicht, was sie tun soll. Sie agiert dabei ziemlich leichtsinnig und schon bald verläuft sie sich…Die Situation wird brenzlig und gewinnt an Dynamik. Und gleichzeitig stellt man sich die Frage, was mit Nicki passiert ist. In meinen Augen eine äußerst spannende Ausgangssituation! Und mit zunehmendem Handlungsverlauf wird der Plot immer spannender und wendungsreicher. Ich wollte das Buch nicht mehr aus der Hand legen, die Bedrohungssituation spitzt sich immer mehr zu. Eine Sogwirkung beim Lesen entstand! Ich habe das Schicksal von Jules mit Anspannung begleitet und bin auch an einigen Stellen vom Verlauf des Inhalts überrascht worden. Die Darstellung des inneren Zustands von Jules hat mich ebenfalls überzeugt.


Eingeschoben sind auch regelmäßige Rückblicke, die im weiteren Handlungsverlauf eine weitere Dynamik erzeugen. Ich will über sie nicht zu viel verraten, denn sie haben eine wichtige Funktion. Nur so viel: Sie sind ein absoluter Gewinn für die Handlung! Durch sie erhalten die Figuren viel mehr Tiefe und ich konnte dadurch eine bessere Beziehung zu ihnen aufbauen und mehr mitfiebern.


Insgesamt liest sich das Buch sehr flüssig. Ich bin nur so durch die Seiten gerast. Vieles von dem, was ich gelesen habe, ging sehr unter die Haut und hat mich emotional gepackt. Das Setting erinnerte mich sehr an „Der Ausflug“ von Ulf Kvensler, aber es lassen sich in meinen Augen auch gut Bezüge zu Freida McFaddens „Wenn sie wüsste“ herstellen. Das Buch hat mich von Anfang bis Ende gefesselt. In meinen Augen ist der Autorin hier ein ganz großer Wurf gelungen. Ich bin gespannt, ob sie es damit in die Bestseller-Listen schafft. Ich bin jedenfalls auf weitere Bücher der Autorin gespannt!

Montag, 9. Juni 2025

Bradley, Kaliane - Das Ministerium der Zeit


Interessanter Genre-Mix



In naher Zukunft hat die britische Regierung einen Weg gefunden, durch die Zeit zu reisen, und sie hat sich dazu entschieden, Menschen aus der Vergangenheit in die Gegenwart zu schleusen (und zwar solche Menschen, die einen sicheren Tod gestorben wären). Erzählt wird aus der Sicht einer Ich-Erzählerin, die sich beim Ministerium für Zeit auf eine Stelle als sog. „Brücke“ bewirbt. Diese „Brücken“ sollen den Zeitreisenden, genannt „Expats“, dabei helfen, sich in der neuen Gesellschaft zurechtzufinden, und begleiten sie für ein Jahr. Eine interessante Idee! Die Begegnung von Menschen aus verschiedenen Zeitaltern verspricht nach meinem Gefühl eine interessante Dynamik und bietet ein unterhaltsames Ausgangssetting.


Der Ich-Erzählerin kommt die Aufgabe zu, Commander Graham Gore (1809-1847) von der Royal Navy zu betreuen. Er nahm an der tragischen Franklin-Expedition in die Arktis teil (Stichwort für weitere Recherchen: HMS Erebus), bei der er gestorben wäre, wenn ihn der Transfer in die Gegenwart nicht gerettet hätte. Zusammen mit dem Begleitschiff HMS Terror wollte man eine Nordwestpassage durch die kanadische Arktis ausfindig machen. In eingeschobenen Rückblicken zu Beginn jedes Kapitels wird geschildert, was Gore und der Besatzung beider Schiffe damals widerfahren sein könnte. Erfreulicherweise werden im Nachwort zudem noch einige wichtige historische Hintergrundinformationen zu dieser Mission integriert, die ich mit Interesse gelesen habe. Der reale historische Hintergrund wertet den Inhalt des Buchs in meinen Augen noch einmal auf.


Erwartungsgemäß hat Graham Gore einige geschichtliche Entwicklungen verpasst, als er sich im 21. Jh. wiederfindet, und tut sich anfangs etwas schwer mit den Veränderungen. Er muss viele neue Informationen verarbeiten und „verdauen“. Vieles nimmt er mit Erstaunen zur Kenntnis. Um sicherzustellen, dass er keine negativen Folgen durch die Zeitreise erfahren hat, wird der Commander heimlich durch das Ministerium überwacht.  Und die Begegnung zwischen dem Zeitreisenden und seiner „Brücke“ wird humorvoll beschrieben.


Allerdings erlebt Graham auch keinen „Kulturschock“ und ist durchaus in der Lage, sich an seine neue Umgebung anzupassen. Schon bald kann er Computer bedienen und Streaming-Dienste nutzen. Für mich war es letztlich erstaunlich, wie „integrationswillig“ er ist. Da hätte ich mir schon ein paar Auseinandersetzungen oder Schwierigkeiten mehr gewünscht. Gore stellt insgesamt wenig in Frage, eckt wenig an. Sein Integrationsprozess verläuft (zu?) reibungslos. Ich hätte mir darüber hinaus noch mehr Passagen gewünscht, in denen geschildert wird, wie Graham Dinge aus dem 21. Jh. zum ersten Mal erlebt. Da wurde für mich etwas Potential verschenkt.


Im weiteren Handlungsverlauf kommt es zu einer Annäherung zwischen Gore und seiner „Brücke“. Das verleiht der Handlung etwas Schwung. Dabei ist es amüsant zu lesen, in welch veralteten Rollenvorstellungen der Commander denkt und wie er sich gegenüber seiner Aufpasserin verhält. Die Liebe zwischen beiden Figuren entwickelt sich äußerst zaghaft-zurückhaltend und wird zunächst nur dezent entfaltet. Sie intensiviert sich aber mit der Zeit (jedoch sie nimmt weniger Raum ein, als ich anfangs vermutet hatte). Später zieht dann auch die Spannung plötzlich an, als eine unbekannte Bedrohung das Leben der Zeitreisenden bedroht. Dann entwickelt sich auf einmal eine Art Spionage-Thriller. Und die Auflösung ist gelungen. Anders ausgedrückt: Dieses Buch bietet unheimlich viel und ist ein interessanter Genre-Mix. Durch den historischen Hintergrund ähnelt das Buch einem historischen Roman, aber es weist auch Elemente von Science-Fiction, von einem Thriller und von einem Liebesroman auf. Eine klare Genre-Einordnung fällt hier schwer. Die zentrale Frage ist, ob man sich auf einen solchen Mix einlassen kann oder ob sich die Leserinnen und Leser lieber gewünscht hätten, dass die Autorin eine entschiedenere Richtung einschlägt. Das muss jede und jeder für sich selbst beantworten. Mir hat diese Mischung jedenfalls gut gefallen. Ich gebe 4 Sterne!

Dienstag, 3. Juni 2025

Taler, Mark - Omniworld


Erschreckende Zukunftsvision



Zu Beginn des Buchs lernen wir den milliardenschweren Tech-Unternehmer Ethan Hubble kennen, der mit seinen furiosen Auftritten vor der Weltöffentlichkeit in der Lage ist, Börsenkurse zu beeinflussen. Er ist der Erschaffer von Omniworld, einer Technologie zum Erzeugen einer virtuellen Realität, in der Menschen eintauchen, interagieren und ihre eigenen Welten erschaffen können.


In diesem sog. Metaverse kann jede und jeder das sein, was sie oder er gern sein möchte. Man kann einen digitalen Avatar des eigenen Selbst kreieren und nur die eigene Fantasie bildet die Grenze des Machbaren. Omniworld ist der Gegenentwurf zur „echten“ (Objekt) Welt. Es gibt keine Beschränkungen. Und dabei wirkt die virtuelle Realität so lebensecht und fotorealistisch, dass man sie nicht von der wahren Welt unterscheiden kann.


In weiteren Perspektiven lernen wir noch andere Figuren außer Ethan Hubble kennen. So z.B. seine Frau Marie, die ihn von Anfang an unterstützt hat, noch bevor er seine erste Million verdient hat. Durch ihre Augen erhalten wir einen Einblick in die Arbeitsumgebung und die Projekte rund um die Firma Omni, die im Silicon Valley angesiedelt ist. Das Ziel ihres Mannes ist es beispielsweise, Mitarbeiter von Omni immer stärker in die virtuelle Realität einzubinden und so das Arbeitsumfeld immer stärker in die simulierte Welt zu verlagern. In naher Zukunft soll die totale Immersion erreicht werden. Jeder Mensch soll Zugang zur Simulation erhalten und sich möglichst lange (oder gar dauerhaft?) darin aufhalten. Ethan Hubble möchte die Objektwelt durch die Simulation ablösen.


In einer weiteren Perspektive erleben wir die Sicht des Vaters und Witwers Steffen. Dieser hat mit den negativen Auswirkungen von Omniworld auf seinen 16-jährigen Sohn zu kämpfen. Er muss miterleben, dass sich sein Sohn oft in der Simulation aufhält und sich immer mehr aus der Realität entfernt. Er versucht ihn davon zu überzeugen, mehr „echte“ Aktivitäten in der Objektwelt zu erleben. Doch sein Bemühen ist vergebens. Zu attraktiv ist die Simulation. Sein Sohn driftet immer mehr in die Selbstisolation ab und entwickelt Abhängigkeitssymptome. Die negativen Auswirkungen werden anschaulich beschrieben. Der Vater versucht sich Hilfe zu organisieren und erkennt dabei, dass sein Sohn nicht das einzige Opfer von Omniworld ist. Gleichzeitig muss er erkennen, wie wirkmächtig Omni agiert, um negative Schlagzeilen und kritische Berichterstattung zu unterbinden.


Die entworfene Zukunftsvision ist sehr kreativ und ideenreich gestaltet worden. Als Pro-Argument für die virtuelle Realität wird z.B. immer wieder der Aspekt der Nachhaltigkeit erwähnt. Dadurch, dass sich Menschen in der Simulation treffen und dort interagieren können, entfallen Reisen mit Transportmitteln wie Auto und Flugzeug. Die digitale Welt ist ein riesiger Wachstumsmarkt, an dem immer mehr Menschen teilhaben möchten. Das wird nur allzu deutlich. Und Omniworld expandiert immer mehr. Es umfasst immer mehr Lebensbereiche. Und Ethan Hubble entwickelt immer wieder neue Ideen, um noch mehr Nutzerinnen und Nutzer für die Simulation zu begeistern (so kann sich bald jede und jeder z.B. ihren bzw. seinen eigenen Traumpartner oder virtuelle Babys kreieren). Dabei ist Hubble auch wichtig, dass seine Firma ein positives Image aufweist.


Um eine längerfristige Entwicklungsperspektive zu schildern, werden immer wieder Zeitsprünge von fünf Jahren platziert. Sehr geschickt! So befinden wir uns zu Beginn im Jahr 2033, später dann in den Jahren 2035, 2040, 2045 und 2050. Den Abschluss bildet das Jahr 2052. Auf diese Weise können die verschiedenen Weiterentwicklungen von Omniworld in den Blick gerückt werden. Die Simulation wird immer allumfassender und ergreift mit der Zeit mehr und mehr Bereiche des Lebens. Das Erleben der Nutzerinnen und Nutzer wird stetig verbessert. Mensch und Technik verschmelzen stärker und stärker. Der Aufenthalt in der Simulation wird kontinuierlich verlockender. Dabei wird auch immer wieder deutlich, wie sehr Ethan Hubble von seiner Technologie überzeugt ist und wie wenig kritisch er ihr begegnet. Anders als seine Frau ist Ethan absolut technikversessen. Anders als sie stellt er nichts in Frage und treibt seine Ideen zum Ausbau der Simulation immer weiter voran. Dabei überschreitet er auch moralische Grenzen…


Das Buch fordert an vielen Stellen zum Mitdenken heraus und verlangt eine Positionierung zu zahlreichen Themen, die im Buch vorkommen. Man kann das Buch auch gut als Kritik an der heutigen Zeit und an der Macht von Tech-Unternehmern lesen (man denke nur an Zuckerberg, Bezos oder Musk). Das hat mir richtig, richtig gut gefallen. Immer wieder wird man während der Lektüre mit der Frage konfrontiert, wie man selbst mit der Simulation umgehen und sich darin verhalten würde. Der Inhalt des Buchs bietet hier verschiedene Identifikationsmöglichkeiten an. Ich habe die Entwicklung von Omniworld mit Interesse begleitet und mich während der Lektüre stets gefragt, wo das Ganze noch hinführt. Es ist jedenfalls erschreckend zu lesen, wie wenig verantwortungsvoll die Menschen mit der neuen Technologie umgehen. Fazit: Insgesamt ein rundum gelungenes Werk mit einem beeindruckenden Ende.

Montag, 2. Juni 2025

The Acolyte (Staffel 1)


Ein Star-Wars-Krimi



In dieser Serie wird uns eine Welt präsentiert, in der der Jedi-Orden noch in voller Blüte existiert und sich für die Bewahrung von Recht und Gesetz in der Galaxis einsetzt. Doch auch zu dieser Zeit leben die Jedi nicht ungefährlich und sie sind nicht unbesiegbar. So erleben wir anfangs mit, wie eine namenlose Attentäterin eine Jedi-Meisterin tötet. Ihr Motiv: Rache. Bald darauf stellt sich heraus, dass es sich bei der Killerin um die ehemalige Jedi-Schülerin Osha handeln soll. Diese beteuert jedoch vehement ihre Unschuld, als sie festgenommen wird. Sie vermutet, dass ihre totgeglaubte Zwillingsschwester Mae den Mord begangen hat. Und Oshas ehemaliger Jedi-Ausbilder Sol glaubt an ihre Unschuld, auch wenn er damals mit eigenen Augen gesehen haben will, wie Mae starb. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach Mae. Doch warum und wofür sollte diese Rache nehmen wollen? Und wer hat Mae so ausgebildet, dass sie sogar in der Lage ist, eine Jedi-Meisterin umzubringen? Das sind die zentralen Fragen, die die Handlung vorantreiben und meine Neugier fortwährend befeuerten. Die Lösung eines vertrackten Kriminalfalls entspinnt sich.

 

Auffällig sind die Kampfszenen, die an fernöstliche Martial-Arts erinnern. Ich könnte mir vorstellen, dass sie bei vielen Fans Irritationen oder gar Ablehnung hervorrufen. Mir hat die Art und Weise der Inszenierung der Duelle aber gut gefallen. Die Kampfkünste heben sich auf diese Weise von schon Bekanntem ab. V.a. als ein weiterer Antagonist auf den Plan tritt, gewinnen die sehr gut choreografierten Auseinandersetzungen noch einmal an Dynamik.

 

Ebenfalls fällt auf, dass die Beziehung zwischen Mae und Osha sowie ihre Beziehung zu Sol eine große Rolle spielt und viel Raum einnimmt. In diesem Zusammenhang werden auch immer wieder Rückblicke in die Vergangenheit integriert. Darin wird z.B. gezeigt, wie Osha zum Jedi-Orden fand und dass ihre Aufnahme in den Orden nicht komplikationslos verlief. Sehr interessant! Gut gefallen hat mir auch, dass die individuelle Charakteristik der jeweiligen Figur gut zum Ausdruck kommen. Man merkt Mae und Osha an, dass sie verschieden sind. Die Beziehung zwischen beiden Schwestern ist konfliktreich angelegt. Und bei Sol wird ebenfalls ein innerer Konflikt spürbar. Kurzum: Die verschiedenen Motive des Handelns der Figuren wirken glaubwürdig und nachvollziehbar.

 

Das Ende der ersten Staffel lässt Raum für eine Fortsetzung. Es gibt sogar einen vielversprechenden Cliffhanger. Meine Recherchen haben aber ergeben, dass momentan nicht geplant ist, die Serie fortzuführen. Die erste Staffel war nicht erfolgreich genug und blieb hinter den Erwartungen zurück. Ich finde das etwas schade und kann es nicht verstehen. Nach meinem Empfinden ist die Serie inhaltlich gelungen und bietet einen faszinierenden Blick in einen noch nicht erzählten Abschnitt des Star Wars Universum. Aber nun gut, die Fans haben so entschieden…

Freitag, 30. Mai 2025

Faber, Henri - Locked In


Guter Beginn, am Ende zu unübersichtlich



Ein namenloser Entführer hat drei Menschen verschwinden lassen und die zwei Polizisten Paul Maertens und Stefanie Krüger sind ihm zu Beginn des Buchs dicht auf den Fersen. Das Tempo ist hoch, die Sätze kurz, der Einstieg dynamisch. Ellipsen, Interjektionen und Parallelismen sowie Aufzählungen prasseln auf die Leser ein. Kurzum: Fabers Sprache hat Wiedererkennungswert (welche Autoren haben das schon?).


Beim Zugriff wird der Entführer schwer verwundet und trägt eine Kopfverletzung davon. Er überlebt mit schweren Hirnschäden und muss sein Dasein fortan als Locked-In-Patient fristen, der in seinem eigenen Körper gefangen ist. Gelähmt, aber bei vollem Bewusstsein. Und die Entführungsopfer bleiben verschollen…


Eingeschoben werden auch Kapitel aus der Sicht eines Opfers, das sich in einem Verlies befindet und orientierungs- und gedächtnislos ist. Ihm bleibt nicht viel Zeit und es muss ums Überleben kämpfen. Es versucht sich aus seiner ausweglosen Situation zu befreien und wächst dabei über sich hinaus. Die Schilderungen sind eindringlich. Die Zeit läuft und der physische und psychische Zustand des Gefangenen drohen sich zu verschlechtern. Doch anfangs erscheint uns das Opfer noch kräftig und willensstark. Doch bleibt das so?


Eine weitere Perspektive kommt dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Theo Linde zu, der ein Gerät entwickelt hat, mit dem sog. Locked-In-Patienten kommunizieren können. Es misst die Hirnströme und kann Ja- und Nein-Antworten ermitteln. Diese Erfindung soll der Polizei dabei helfen, mit dem überlebenden Entführer zu kommunizieren, damit dieser Auskunft über seine Verbrechen geben kann. Doch warum sollte er die an ihn gerichteten Fragen korrekt beantworten? Welches Interesse sollte der Entführer daran haben, zu helfen?


Die gewählten Ich-Perspektiven erzeugen Unmittelbarkeit. Wir sind als Leser nah dran am Geschehen. Die Schreibweise zeichnet sich durch Kreativität und Ideenreichtum aus. Und der Umstand, dass ein entführtes Opfer gefangen ist und der Entführer gleichzeitig verhört werden soll, erzeugt Zeitdruck. Auch das ist gelungen. Die Ermittlungen werden dynamisch und ereignisreich vorangetrieben. Es wird an vielen Stellschrauben gedreht, um Spannung zu erzeugen. Es kommt keine Langeweile auf. Prima!


Weiterhin finde ich interessant, dass der Inhalt des Thrillers einen realen Hintergrund hat. Locked-In-Patienten gibt es tatsächlich und auch ein Gerät zur Kommunikation mit solchen Patienten existiert in Wirklichkeit (obwohl es für mich anfangs eher nach Raumschiff Enterprise klang). Dass es sich nicht um eine reine Fiktion handelt, wertet den Inhalt in meinen Augen noch einmal zusätzlich auf. Ich mag es, wenn ich noch etwas dazulernen kann. Und an einer Stelle erhält das Geschehen durchaus auch Tiefgang. So wird die Frage nach Sterbehilfe thematisiert (allerdings nur knapp).


Allerdings habe ich bei diesem neuen Thriller auch etwas zu meckern. Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird die Handlung für mich zunehmend unübersichtlich. Die Ereignisse und Wendungen überschlagen sich. Mir war das zu viel. Es war mir zu hektisch. Ich habe auch nicht immer verstanden, wie eins zum anderen kommt. Einiges war mir dann auch mal zu abgedreht, das muss ich ehrlich zugeben. Schade, schade! Die beiden Vorgänger gefielen mir insgesamt besser.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Pätzold, Oliver - Die Helios-Apokalypse


Kampf ums Überleben



Was wäre, wenn die Erde von heftigen Sonnenstürmen heimgesucht würde, die massive Auswirkungen auf das Leben der Menschen hätten und zu einer Katastrophe führten? Zunächst werden Kommunikationssysteme und Stromanlagen gestört, dann kommt der Flugverkehr zum Erliegen und es folgen starke Hitzewellen in Osteuropa, die sich nach und nach ausbreiten. Das alles erleben wir am Beispiel einer Familie, die gerade Urlaub in Österreich macht.






Das Katastrophenszenario wird zunehmend bedrohlicher und nimmt einen schrecklichen Verlauf. Mia muss mit ihren Eltern in ein nahegelegenes Bergwerk flüchten, um sich vor den massiven Auswirkungen der Sonnenwinde zu retten. Dort treffen sie auf andere Menschen, die die gleiche Idee hatten. Und was die Spannung anheizt, ist der Umstand, dass keiner weiß, wie lange das Phänomen anhalten und wie heftig es noch ausfallen wird.




Auch fragt man sich, was außerhalb des Bergwerks vor sich geht, während die wenigen Überlebenden in ihrem Schutzraum ausharren. Die Ressourcen sind begrenzt, was den Druck erhöht und die Situation noch einmal zusätzlich verschärft. Wie lange müssen Mia und die anderen durchhalten? Werden sie überleben? Und wenn ja, wie? Das sind zentrale Fragen, die man sich stellt. Und die Spannung zieht noch einmal deutlich an, als die Gruppe entscheiden muss, ob sie das schützende Bergwerk verlässt oder eben nicht. Was werden sie draußen vorfinden?




Es wird gut deutlich, welche psychischen und physischen Auswirkungen die Katastrophe auf die wenigen Überlebenden im Bergwerk hat. Die Nerven liegen blank. Es kommt zu Reibereien und Rivalitäten. Der Verlust von Menschlichkeit wird thematisiert. Aber auch der Überlebenswille, die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt der Gruppe kommen gut zum Ausdruck. Kurzum: Die zwischenmenschliche Dynamik wird nach meinem Empfinden gut eingefangen. Es zeigt sich spürbar, wie sehr Menschen in Notsituationen in der Lage sind, Leid auszuhalten und sich an widrige Bedingungen anzupassen. Das alles hat mich absolut überzeugt.




Die Schilderungen der Katastrophe sind eindringlich und fesselnd. Die Überlebenden schwanken zwischen den Gefühlen Hoffnung und Angst. Und sie müssen unter Tage stets neue Herausforderungen bewältigen. Sie planen nur noch von Tag zu Tag. Der Hunger ist allgegenwärtig. Die niedrigen Temperaturen in der Höhle zehren an den Kräften. Einfache Krankheiten können schnell lebensgefährlich werden, weil es an einer entsprechenden medizinischen Versorgung fehlt.




Die Spannungskurve ist sehr gut und packend gestaltet worden. Ich habe das Schicksal der Überlebenden durchweg mit Anspannung begleitet und mich gefragt, was aus ihnen wird. Auffällig ist, dass man nicht alle neun Personen, die sich im Bergwerk aufhalten, gleich gut kennen lernt. Einige Figuren rücken in den Vordergrund (was gut ist!). Mit ihnen fiebert man aus diesem Grund auch mehr mit. Das Schicksal von Mia hat mich noch am meisten berührt.




An einigen Stellen sind Zeitsprünge eingebaut worden, was ich sehr gelungen finde. So stagniert die Handlung nicht zu sehr und man begleitet die Gruppe auf diese Weise über einen längeren Zeitraum. Der Thriller wird geradlinig erzählt und verzichtet (mit Ausnahme des Beginns) auf Perspektivwechsel. Schade! Denn durch wechselnde Blickwinkel hätten auch noch weitere Aspekte oder Hintergründe der Katastrophe in den Blick gerückt werden können. Der Blick auf das Geschehen wäre dann etwas weiter gewesen. Ein paar mehr Informationen zum Inferno hätte ich gerne noch erfahren.




Abschließen möchte ich meine Rezension mit der Bemerkung, dass die dargestellte Katastrophe in der beschriebenen Form nicht eintreten kann (das ergab meine Recherche). Das sollte man sich bewusst machen. Das Magnetfeld und die Atmosphäre schützen die Erde vor den Auswirkungen von Sonnenwinden. Starke Eruptionen können höchstens einmal dazu führen, dass es zu elektromagnetischen Störungen kommt, die sich auf Strom- und Kommunikationsnetze negativ auswirken können.

Montag, 19. Mai 2025

Clark, Julie - Die unsichtbare Hand


Familiengeheimnisse



Im Alter von 10 Jahren wird die Ich-Erzählerin (Olivia) von Klassenkameraden darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Vater (Vincent), ein berühmter Schriftsteller, ein Mörder sein soll. Er soll seine eigenen Geschwister Danny und Poppy im Jahr 1975 ermordet haben, so die Gerüchte. Grund für diese Verdächtigungen ist, dass er als einziger die Nacht des Mords überlebt hat. Doch er selbst streitet sein ganzes Leben ab, etwas damit zu tun gehabt zu haben. Nichtsdestotrotz lasten die Anschuldigungen gegen ihren Vater schwer auf Olivia. Und gleichzeitig beginnt sie damals erstmals an ihrem eigenen Vater zu zweifeln. Später bricht sie den Kontakt zu ihm gänzlich ab.


Nach 30 Jahren der Funkstille erhält Olivia, die inzwischen als Ghostwriterin arbeitet und aufgrund eines Skandals in schwieriges berufliches „Fahrwasser“ geraten ist, von ihrem Vater unerwartet den Auftrag, für ihn seine Memoiren zu schreiben und das vorhandene Manuskript druckreif zu überarbeiten. Grund dafür ist eine schwere Erkrankung, die seine Schreibfähigkeit beeinträchtigt. Er leidet an der sog. Lewy-Körper-Demenz. Und aus finanziellen Erwägungen heraus beschließt sie die Offerte anzunehmen und tritt wieder mit ihm in Kontakt. Vor ihrem Umfeld aber verschweigt Olivia, dass es sich bei ihrem neuen Auftraggeber um ihren eigenen Vater handelt.


Als Olivia in ihre alte Heimat zurückkehrt, wird sie mit Erinnerungen an ihre Kindheit konfrontiert. Diese verlief alles andere als glücklich. Ihr Vater war aufgrund des Verlusts seiner Geschwister ein gebrochener Mann und schwer traumatisiert. Er flüchtete sich in Alkohol und Drogen. Olivias Mutter verließ die Familie früh und ließ ihre Tochter allein mit ihrem Vater zurück. Als sie wieder aufeinandertreffen, liegt Spannung in der Luft. Sie einigen sich schließlich darauf, die Zusammenarbeit für eine Woche zu testen, bevor sie gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht. Für ihren Vater wird das Schreiben seiner Memoiren zu einer Form der Konfrontationstherapie. Er will die Zeit vor dem Doppelmord beleuchten und davon berichten. Er will sein jahrelanges Schweigen brechen und Stellung zu den Anschuldigungen nehmen, die immer wieder gegen ihn vorgebracht wurden. Und Olivia ist neugierig, mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Wir tauchen ein in das Jahr 1975 und die zentrale Frage, die man sich während der Lektüre stellt, lautet: Was hat sich damals wirklich zugetragen?


Beim Lesen wird deutlich, dass die Krankheit des Vaters gut zum Ausdruck kommt und die Symptomatik nachvollziehbar beschrieben wird. Problematisch bei ihm ist z.B. der Umstand, dass sich Wahnvorstellungen und reale Erinnerungen vermischen können. Es stellt sich also die Frage, wie zuverlässig die Aussagen von Vincent überhaupt sind. Auch der Arbeitsprozess von Olivia, aus dem unfertigen Manuskript und den Erzählungen des Vaters sowie eigener Recherchearbeit ein in sich kohärentes Buch zu formen, wird interessant geschildert. Sie muss zahlreiche Hürden bewältigen. Dabei steht auch ihr Ruf als Ghostwriterin auf dem Spiel (vom Verlag und von Konkurrenten erhält sie Gegenwind). Auch die Charakteristik und die Beziehungskonstellationen der Figuren kommt sehr gut zum Ausdruck und ist differenziert angelegt. Dafür sorgen auch eingeschobene Kapitel mit Rückblicken in das Jahr 1975 aus der Ich-Perspektive von Vincent und dessen Schwester Poppy. Das größte Manko ist in meinen Augen aber die Spannungsarmut: Die Spannung baut sich langsam auf und der Spannungsbogen ist nur schwach spürbar. Das Tempo ist nicht allzu hoch. Für mich entstanden zu wenig Fragen, die ich beantwortet wissen wollte. Meine Neugier wurde wenig „angestachelt“. Alles dreht sich in erster Linie um die Rekonstruktion des Familiengeheimnisses von 1975. Aber richtig miträtseln konnte man dabei auch nicht. Schade!


Insgesamt fand ich das Buch, wie schon gesagt, nicht sehr packend (weder zu Beginn, noch im Mittelteil oder am Schluss). Es kann in meinen Augen bei Weitem nicht mit den ersten beiden Werken mithalten („Der Plan“ und „Der Tausch“). Thematisch entfernt es sich auch deutlich von diesen beiden ersten Büchern. Es geht nun weniger um starke Frauenfiguren, die sich gegen toxische Männlichkeit zur Wehr setzen. Die Autorin probiert mal etwas anderes und öffnet sich damit einem breiteren Lesepublikum (was ja gut ist!). Der Schreibstil bzw. die Übersetzung ist trotz der Spannungsarmut aber sehr angenehm und „Die unsichtbare Hand“ liest sich flüssig. Man bleibt an den Zeilen haften.  Man wird nur leider nicht mitgerissen. Deshalb ist es für mich auch nur ein durchschnittlicher Spannungsroman (als Thriller kann man das Buch nicht bezeichnen). Von mir gibt es dafür 3 Sterne.


Donnerstag, 15. Mai 2025

Strobel, Arno - Das Wesen


Bernd Menkhoff und die Schatten der Vergangenheit

 



Ein anonymer Hinweis führt dazu, dass Kommissar Menkhoff und sein Partner Seifert (aus dessen Sicht erzählt wird) nach einem vermissten Mädchen suchen. An der Adresse, zu der sie vom unbekannten Anrufer gelotst wurden, stoßen sie auf einen alten Bekannten: den Psychiater Dr. Joachim Lichner. Bei dem vermissten Mädchen soll es sich um dessen eigene Tochter handeln. Doch Lichner streitet ab, überhaupt eine Tochter zu haben. Er behauptet, man wolle ihm etwas anhängen, so wie schon vor einigen Jahren. Dazu muss man wissen, dass der Psychiater früher bereits in einem Indizienprozess wegen eines Mords an einem vierjährigen Kind (Juliane) zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und erst seit zwei Jahren wieder auf freiem Fuß ist. Von diesem Fall (Seiferts erster Mordfall überhaupt) wird in Rückblicken erzählt. Erzählt wird also auf zwei Zeitebenen. Die Schilderungen zum Mordfall von 1994 und die auf der Gegenwartsebene wechseln einander stetig ab.

 

Kommissar Menkhoff dürfte dem ein oder anderen aus der Mörderfinder-Reihe bekannt sein (vgl. dazu frühere Rezensionen). Dort ist er ein wichtiger Ansprechpartner von Max Bischoff. Beide verbindet eine gemeinsame Vergangenheit beim KK11 in Düsseldorf. In diesem vorliegenden Thriller wird Menkhoff als hitzköpfig und aufbrausend beschrieben. Es fällt ihm nicht leicht, einen kühlen Kopf und professionelle Distanz zu bewahren. Seine Gefühle kochen schnell hoch. Seifert hingegen ist das genaue Gegenteil. Er bleibt ruhig und betrachtet das Geschehen kühl-distanziert. Gleichzeitig ist Menkhoff der Erfahrenere von beiden, der oft nach intuitivem Bauchgefühl handelt. Die Partner gehen in der Sache hart, aber herzlich miteinander um, geigen sich auch mal gegenseitig die Meinung. V.a. bei den Ermittlungen zum Fall von 1994 werden Meinungsverschiedenheiten zwischen Menkhoff und seinem Partner Seifert deutlich. Das hat mir gut gefallen. Dr. Lichner fordert die beiden bei ihren Ermittlungen heraus und provoziert sie. Er verhält sich bei den Befragungen herablassend und arrogant. Auf diese Weise treibt er Menkhoff oft genug zur Weißglut. Zwischen beiden entspinnt sich ein Psychoduell. Das ist gut arrangiert. Dabei wird auch sehr gut deutlich, dass Menkhoff dem Psychiater nicht unvoreingenommen begegnet. Für ihn ist Lichner ganz klar schuldig und er sucht mit Nachdruck nach den passenden Beweisen, um ihn zu überführen. Als Leser hatte ich oft das Gefühl, dass Menkhoff in seinen Urteilen oft zu vorschnell ist.

 

Insgesamt ist dieser Fall spannend konstruiert worden. Man fragt sich fortlaufend, ob Dr. Lichner nicht vielleicht doch die Wahrheit sagt und jemand ihm etwas anhängen möchte.  Die Handlung ist durchdacht und der Thriller hat mich von Anfang bis Ende bei der Lektüre gefesselt. Viel Raum nimmt die Vernehmung von Zeugen ein. Doch diese Passagen sind nie langatmig, sondern äußerst abwechslungsreich und interessant gestaltet worden. Es kommen auch immer wieder neue Erkenntnisse ans Tageslicht. Auch die Dynamik zwischen den Figuren ist geschickt angelegt. Und die Unzuverlässigkeit von Aussagen kommt gut zum Ausdruck. Nur an einer einzigen Stelle bin ich etwas stutzig geworden. Da waren mir Verhaltensweisen auch mal zu wenig nachvollziehbar und nicht glaubwürdig genug. Auch das Ende war mir teils etwas zu stark konstruiert. Aus diesem Grund kann ich keine 5 Sterne geben. Ansonsten hat mich das Buch aber sehr gut unterhalten und ist auf jeden Fall eine Lektüre wert.

Montag, 12. Mai 2025

Weßling, Bernhard - Was für ein Zufall! (2. Auflage)


Entropie und Nachhaltigkeit

 


2022 lernte ich den Unternehmer, Kranichforscher und promovierten Chemiker Bernhard Weßling im Rahmen eines freundlichen E-Mail-Kontakts kennen und habe bald darauf sein lesenswertes Buch „Was für ein Zufall!“ gelesen und rezensiert. Die Rezension zur 1. Auflage gibt es hier (später folgten auch noch Rezensionen zu seinen Büchern „Der Ruf der Kraniche“ und „Mein Sprung ins kalte Wasser“, vgl. dazu die Links).


Als Fazit hielt ich damals auch Kritisches fest: Der Autor legt hier ein Sachbuch vor, in dem er sich den großen menschlichen Fragen widmet. Er argumentiert aus der Sicht eines Thermodynamikers und stützt sich dabei auf die Theorie von Ilya Prigogine, der 1977 den Nobelpreis für seine Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik erhielt. Weßling liefert viele Denkanstöße. Der Schreibstil ist lebendig, zugewandt und weitestgehend anschaulich und verständlich. Dennoch ist Mitdenken bei der Lektüre gefragt und Wissen zum Fachgebiet der Chemie ist sicherlich verständnisförderlich. Mich persönlich hat die Lektüre bereichert, ich konnte einiges neu dazulernen. Für mich hätte der Autor nur noch etwas stärker herausstellen können, welche Vorteile seine Betrachtungsweise der Beschaffenheit der Welt hat. Nicht immer war mir der inhaltliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Kapiteln deutlich genug ausformuliert. Das Ziel der gedanklichen Reise war mir nicht immer klar.


Nun hat Weßling das Buch aktualisiert, mit zwei neuen Kapiteln versehen und nochmals neu aufgelegt. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, ob meine Kritikpunkte von 2022 nun Berücksichtigung finden. Und ich kann sagen, dass der Autor dieses Mal sehr nachvollziehbar verdeutlicht, worum es ihm geht. Das geht schon aus seinem Vorwort zur 2. Auflage hervor. Er betont noch einmal ganz deutlich, dass der Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Nicht nur die Quanten- und die Relativitätstheorie sollten in den Lehrplänen von Schulen und Universitäten eine Rolle spielen. Und die Entropie ist für Weßling die zentrale Größe, um die es geht. Sie spielt im alltäglichen Leben ebenso eine Rolle wie in der Evolution, in der Ökologie und in der Kosmologie. Und in den beiden neuen Kapiteln (Kapitel 7 und 8) möchte er v.a. den Begriff der Nachhaltigkeit mit der Entropie in Zusammenhang bringen. Dafür möchte er vor allem die technologischen Verfahren zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre und dessen Speicherung in tiefere Erdschichten genauer in den Blick nehmen. Und auf diese beiden Kapitel möchte ich mich im Rahmen dieser Rezension genauer fokussieren. 

 

Kapitel 7

Hier betrachtet Weßling zunächst das Phänomen von Krisen. Er widerspricht entschieden der Behauptung, dass wir heute in einer besonders krisenanfälligen Zeit leben, wie es häufig von Medien kolportiert wird. Die Wahrnehmung, dass man gegenwärtig in einer Art Zeitalter der Polykrise lebt, sei nicht zutreffend, so der Autor. So bestehe das menschliche Leben insgesamt aus einer großen Anzahl von Unwägbarkeiten und befinde sich ständig im Nicht-Gleichgewicht. Die Menschheitsgeschichte sei fortwährend von krisenhaften Zuständen geprägt und oft erst der Auslöser für bestimmte menschliche Entwicklungen gewesen. Mit vielen treffenden Beispielen widerlegt er die von der heutigen Medienwelt gezeichnete Zustandsbeschreibung der Polykrise, leitet danach zu einer Klärung des Begriffs „Krise“ über und zeigt schließlich auf, warum Ilya Prigogines Ansatz der Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik dabei hilft, unsere Welt besser zu verstehen. In diesem Zusammenhang erläutert er auch, was die Entropie dabei für eine Rolle spielt und möchte diese Größe als Kriterium für die Berechnung von Nachhaltigkeit etablieren.

Dafür stellt Weßling verschiedene Verfahren vor, mit denen man CO2 aus der Atmosphäre entziehen kann. Und er stellt kritisch fest, dass bei der Diskussion um diese Verfahren die Thermodynamik und die Entropie keine Rolle spielen, obwohl man mit Hilfe dieser beiden Ansätze berechnen kann, ob die Filterung von CO2 aus der Atmosphäre und dessen Endlagerung überhaupt nachhaltig ist. Der Autor stellt dafür selbst eigene Berechnungen an und hält abschließend kritisch fest: „Die gewaltige Erhöhung der Entropieproduktion zeigt an, dass die Kollateralschäden von DAC-Verfahren um ein Vielfaches größer sein werden als der erhoffte positive Effekt für das Klima. Das gilt auch für die häufig angeführte Beschränkung solcher Verfahren auf das Abfangen von CO2 aus industrieller Abluft (carbon capture and storage, CCS)“, S. 232-233. Und auch die Weiterverarbeitung von aus der Atmosphäre gewonnenem CO2 lohnt sich nach Ansicht des Autors nicht (auch dann nicht, wenn man grünen Wasserstoff für die Herstellung anderer Chemikalien verwendet). Kurzum: Nachhaltigkeit sieht anders aus! Weßling konstatiert: „Weder in Bezug auf Energie noch in Bezug auf Entropie ist die Entsorgung (Endlagerung) oder Nutzung von CO2 nachhaltig. DAC/CCS/CCU sind Verfahren, die auf keinen Fall praktiziert werden sollten“, S. 242. 

 

Kapitel 8

Doch was kann man stattdessen tun? Gibt es Alternativen zu den in Kapitel 7 genannten Verfahren? Es kann ja nicht die Lösung sein, nichts zu tun, um C02 aus der Atmosphäre herauszuziehen. Darauf gibt der Autor in diesem zweiten neuen Kapitel nun eine Antwort. Er schlägt eine naturnahe Lösung vor, bei der es Pflanzen, Pilzen und Mikroben mit Hilfe von Sonnenenergie selbst überlassen wird, das CO2 wieder umzuwandeln. Weßling schweben die Wiederherstellung und die Renaturierung von zerstörten und beschädigten Wäldern vor. Offene Mischwälder mit Beweidung seien nötig. Allein Bäume zu pflanzen, reiche nicht aus. V.a. die Böden müssten wieder dafür sorgen können, dass CO2 in ihnen gespeichert wird. Der Autor zieht einige Studien heran, die seine These stützen.

Auch ein Verzicht auf Dünger und Pestizide sei unerlässlich, um Kollateralschäden zu vermeiden. Die Landwirtschaft solle auf biologische Bewirtschaftung umgestellt werden (was sich natürlich auch auf den Fleischkonsum auswirkt). Auf diese Weise werde das CO2-Speicherpotential vergrößert und die Biodiversität wird gefördert. Die besten CO2 Speicher sind vor allem Moore: „Die Moore unseres Planeten können doppelt so viel CO2 speichern wie alle Wälder der Erde zusammen. Sämtliche unterschiedlichen Feuchtgebiete (Moore, Mangroven, Kelpwälder, Salzmarschen und Seegraswiesen) speichern 20% des gesamten globalen Kohlenstoffs, obwohl sie nur 1% der Erde umfassen“, S. 260.

Umso tragischer erscheint es, dass diese häufig zu landwirtschaftlichen Nutzflächen umgewandelt worden sind: „In Deutschland sind bzw. waren 4,2 % der Fläche von Mooren unterschiedlicher Art bedeckt, wovon 95% zerstört sind (…)“, S. 261. Weßling plädiert dafür, Feuchtgebiete wieder herzustellen und zu schützen. In diesem achten Kapitel wird nur allzu deutlich, dass der Autor ein Mann der Praxis ist (als Kranichforscher und Eigentümer eines biolandwirtschaftlichen Betriebs weiß er, wovon er spricht, und geht selbst mit gutem Beispiel voran), der seine vorgeschlagene Lösung auf „zupackende“ Art und Weise beschreibt.

 

Meine Meinung

Letztlich kann ich mir zu den meisten Inhalten der dargelegten neuen Kapitel keine Meinung bilden, da ich kein Experte auf diesem Gebiet bin. Lediglich zu der Diskussion um das Phänomen der Polykrise habe ich häufiger darüber nachgedacht, ob nicht v.a. auch die sozialen Medien dazu führen, dass wir Krisen heute stärker wahrnehmen. Wer ein Smartphone besitzt, wird rund um die Uhr mit neuen Nachrichten von Krisen auf der ganzen Welt versorgt. Doch was die Verfahren zur Filterung von C02 betrifft, so kenne ich mich damit nicht aus. Ich kenne auch die Formeln (vgl. beispielsweise S. 230) nicht, die Weßling zur Berechnung von Nachhaltigkeit verwendet hat. Ich kann seine rechnerische Darlegung nicht überprüfen (zumal sie für mich als Laie nicht sehr transparent dargelegt wird). Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass sich diese Neuauflage und die beiden neuen Kapitel v.a. an Fachleute richten, weniger an Laien wie mich. Wenn der Autor aber Recht hat mit seinen kritischen Einwänden, so sollten seine Kritikpunkte meiner Meinung nach bei anderen Experten auf jeden Fall Gehör finden. Was die Lösungsvorschläge betrifft, so sind sie nachvollziehbar. Doch sind sie auch durchführbar? Zur Umsetzung ist jedenfalls der politische Wille nötig und ich könnte mir vorstellen, dass die ein oder andere Maßnahme auf gesellschaftlichen Widerstand stoßen könnte. 


Freitag, 9. Mai 2025

Kapitelman, Dmitrij - Eine Formalie in Kiew


Ein Blick in die Vorkriegs-Ukraine



Der Ich-Erzähler berichtet von den Erschwernissen seiner Einbürgerung. Vor 1,5 Jahren hat er einen entsprechenden Antrag gestellt und musste seitdem immer wieder diverse Unterlagen vorlegen. Kurzum: Die bürokratischen Hürden sind hoch. Nun fehlt ihm noch ein Formular, das er nur in seiner Geburtsstadt Kiew bekommen kann (eine sog. Apostille). Aus diesem Grund fliegt er in die Ukraine, um den Prozess seiner Einbürgerung bald zum Abschluss bringen zu können. Und mental stellt sich der Erzähler bereits darauf ein, jede Menge Bestechungsgelder bezahlen zu müssen, um rasch an das Dokument zu kommen. Denn er steht unter Zeitdruck. Er hat nur eine Frist von drei Wochen, um die Unterlagen zu beschaffen und einzureichen.




In einem Rückblick wird zudem die schwierige Anfangszeit in Deutschland geschildert. Der Erzähler kam im Alter von 8 Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland und lebte mit seinen Eltern zunächst für ein Jahr in einem Asylheim. Bald danach machen sich seine Eltern selbstständig und gründen ein Geschäft, in dem russische Spezialitäten verkauft werden (vgl. hierzu auch den Nachfolgeroman, den ich ebenfalls rezensiert habe). Wichtige Info in diesem Zusammenhang: Während der Roman „Eine Formalie Kiew“ noch vor dem russischen Angriffskrieg spielt und einen intakten ukrainischen Alltag schildert, ist die Handlung des Romans „Russische Spezialitäten“ nach dem 24.02.22 angesiedelt und thematisiert u.a. den Kriegsalltag in Kiew.




In der Ukraine angekommen, begibt sich der Erzähler auf Spurensuche nach seinem alten Leben in Kiew und frischt Kindheitserinnerungen wieder auf. Dabei wird die Atmosphäre der Stadt gut eingefangen (und steht, wie schon oben erwähnt, in klarem Kontrast zum Nachfolgeroman. Man erfährt nur am Rande etwas von der Situation im Donbass und auf der Krim). Er tritt mit alten Freunden in Kontakt und besucht auch seinen ehemaligen Wohnort. In den Gesprächen wird auch die Hoffnung auf eine positive Zukunft des Landes spürbar. Und der Behördengang verläuft dann erstaunlich reibungslos und unspektakulär. Die Bürokratie geht ihren Gang und anders als im Vorfeld erwartet, muss der Erzähler kein Bestechungsgeld zahlen. Etwas im Land scheint sich positiv zu verändern…




Doch die Hoffnung, dass Korruption keine große Rolle mehr spielt, währt nicht lange. Als der Erzähler mit dem Gesundheitssystem in Berührung gerät (die näheren Gründe dafür, lasse ich hier aus, um inhaltlich nicht zu viel vorwegzunehmen), muss er feststellen, dass die Bestechung nach wie vor sehr wichtig ist. Ansonsten erhält man keine entsprechende Behandlung. Ohne eine die Zahlung einer sog. „Entdankung“ machen sich die Ärzte nicht die Mühe, genauere Diagnosen zu stellen oder Befunde eingehender zu prüfen. Kurzum: Das Gesundheitswesen erscheint in diesem Buch nicht im besten Licht. Und die Ukraine ist in diesem Bereich von deutschen Standards weit entfernt. Für den Erzähler, der sich nur an seine Kindheit in der Ukraine erinnert, sind das fremdartige Zustände. Doch seine Eltern wissen damit umzugehen, da sie dieses System noch aus Sowjetzeiten kennen.




Das Buch ist für solche Leserinnen und Leser interessant, die am Beispiel des Erzählers und seiner Beziehung zu seinen Eltern einen Blick in die Ukraine werfen möchten, bevor sie 2022 angegriffen wurde. Es wird sehr deutlich, wie sich das osteuropäische Land hoffnungsfroh an Europa orientiert und im Bereich der Bürokratie offenbar bereits erfolgreiche Anstrengungen unternommen hat, die Korruption einzudämmen. Am Beispiel des Gesundheitssystems, das nicht staatlich organisiert ist, wird aber auch deutlich, dass Bestechung immer noch eine große Rolle spielt. Am Agieren des Ich-Erzählers in diesem von ihm als fremd wahrgenommenen System zeigt sich darüber hinaus, dass er in der Lage ist, sich zwischen verschiedenen kulturellen Welten zu bewegen (dabei lernt er die deutschen Standards durchaus zu schätzen, vielleicht mit Ausnahme der Passkontrolle am Flughafen). Das alles liest sich sehr interessant. Von mir gibt es dafür 5 Sterne.

Dienstag, 6. Mai 2025

Olsberg, Karl - Das KALA-Experiment


Über die Verantwortung von Wissenschaft

 


Zu Beginn überbringt ein Hauptkommissar einem Familienvater eine Todesnachricht. Angeblich sollen dessen Frau und Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein. Der Hinterbliebene wundert sich jedoch darüber. Denn seine Familie befindet sich quicklebendig im Haus und das Auto steht unbeschädigt in der Tiefgarage. Was ist da los? Ist der Dienststelle ein Fehler unterlaufen? Ohne zu viel zu verraten: Dies wird nicht der einzige merkwürdige Vorfall bleiben…

 

Danach folgt ein Blickwechsel: Die Bloggerin Nina interviewt einen der international renommiertesten theoretischen Physiker namens Hans Ichting. Kurz nach dem Interview begeht er Selbstmord und wird tot in der Badewanne aufgefunden. Nina ist fassungslos und glaubt nicht daran, dass Ichting sich selbst umgebracht hat. Sie ermittelt auf eigene Faust, was dem Physiker zugestoßen ist, und hört sich in dessen Bekanntenkreis um. Hatte er überhaupt ein Motiv für einen Suizid? Woran genau hat er gearbeitet?

 

Weitere Figuren, die in Erscheinung treten, sind Reverend Victor, der selbst an Gott zweifelt und seinen Beruf äußerst desillusioniert ausübt, sowie John Sparrow, ein Ex-Afghanistan-Soldat, der als eine Art Söldner für einen privaten Sicherheitsdienst arbeitet und riskante Aufträge übernimmt. Sie werden im weiteren Handlungsverlauf noch an Bedeutung gewinnen und Nina bei ihren Ermittlungen, die sie bis nach Albuquerque (USA) führen, über den Weg laufen.

 

Inhaltlich wartet der Wissenschafts-Thriller mit einigen interessanten physikalischen und kosmologischen Hintergründen auf. Auch die Arbeit am CERN wird näher beleuchtet. Das hat mir sehr gut gefallen. Der Spannungsbogen ist gut durchkonstruiert und ich habe die Geschehnisse durchweg mit Neugier begleitet. Lediglich das Erzähltempo lässt etwas zu wünschen übrig. Verglichen mit den übrigen Büchern, die ich von Olsberg gelesen habe, ist dieses etwas untypisch. Dieses Mal steht nicht das Thema der Künstlichen Intelligenz im Mittelpunkt, sondern v.a. die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaft. Das Wissenschaftsgebiet der Physik rückt stattdessen in den Fokus. Allerdings wird man als Leser sehr lang auf die Folter gespannt, bis man erfährt, woran Ichting genau gearbeitet hat. Für mich war es das bisher schwächste Buch von Olsberg. Ich würde knappe 4 Sterne geben. Seine anderen Thriller, die ich kenne, fand ich spannender, temporeicher, direkter und auch wendungsreicher.

Samstag, 3. Mai 2025

Ahsoka (Staffel 1)


Zu viel benötigtes Vorwissen und zu offenes Ende




In der Serie „Ahsoka“ geht es um die Suche der ehemaligen Jedi nach dem imperialen Großadmiral Thrawn, den man ggf. aus den Büchern von Timothy Zahn kennt („Erben des Imperiums“, „Die dunkle Seite der Macht“ sowie „das letzte Kommando“). Das ist die grundlegende Handlung. Unterstützung erhält Ahsoka von ihrer ehemaligen Schülerin Sabine Wren. Und interessant ist in meinen Augen auch der Umstand, dass Ahsoka eine ehemalige Schülerin von Anakin Skywalker ist. Diese Beziehungskonstellation lässt auf viel positive Dynamik hoffen.


Direkt in der ersten Folge wird das Star-Wars-Universum um solche Figuren erweitert, die ehemals dem Jedi-Orden angehört haben, aber nach den Klon-Kriegen verschwunden sind und die ebenfalls in der Lage sind, die Macht zu gebrauchen und ein Lichtschwert zu führen (z.B. Lord Baylan). Das verstößt gegen den klassischen Kanon. Darauf muss man sich bei dieser Serie einlassen können.


Was für das Schauen dieser Serie weiterhin relevant ist: Es sind Vorkenntnisse aus der animierten Serie „Star Wars Rebels“ empfehlenswert, da es auf diese einige Rückbezüge gibt. Das finde ich schade, weil mir diese Animationsserie gänzlich unbekannt ist. Man versteht „Ahsoka“ zwar auch so, aber es fehlen zu zentralen Figuren wie Sabine, Ezra und Thrawn weitere Hintergründe. Warum beispielsweise ist Thrawn im Exil und wie ist er überhaupt dorthin gekommen? Die Figurenzeichnung könnte in meinen Augen insgesamt mit mehr Informationen aufwarten (so z.B. auch zu Lord Baylan). 


Was mir gut gefallen hat, waren einige überraschende Gastauftritte von bekannten Figuren aus dem Star-Wars-Franchise (manche würden hier eher abwertend von sog. Fan-Service sprechen). So begegnet Ahsoka Tano ihrem ehemaligen Meister Anakin und auch C3PO tritt an einer Stelle (kurz) in Erscheinung. Auf diese Weise erhalten wir u.a. einen knappen Einblick in die Zeit der Klon-Kriege, die für Ahsoka prägend gewesen sind. Weniger konnte ich mit den sog. Nacht-Schwestern von Dathomir anfangen. Ihre Erscheinung ging mir zu sehr in Richtung „Fantasy“ und passte nicht so richtig zu Star Wars. Auch der Bösewicht Thrawn übte auf mich keinen großen Reiz aus. Fazit: „Ahsoka“ kann nicht mit „The Mandalorian“ mithalten, gefiel mir aber besser als „Boba Fett“. Mit einer Fortsetzung ist nichtsdestotrotz zu rechnen (vermutlich 2026), da das Ende sehr offen gestaltet wurde und viel Raum für eine Fortführung der Handlung lässt.

Donnerstag, 1. Mai 2025

Logan, T. M. - Holiday


Psychologisch und wendungsreich



Sean, Kate und die Kinder Daniel und Lucy fahren gemeinsam in den Urlaub. Und schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass sich Kate nach der körperlichen Nähe ihres Mannes sehnt und ein merkwürdiges Verhalten bei ihm registriert. Er schaut verdächtig oft auf sein Handy. Sie schiebt es anfänglich auf den Stress bei der Arbeit und macht sich zunächst keine weiteren Gedanken darüber. Dies wird sich im weiteren Handlungsverlauf ändern…


Beim Ferienhaus angekommen, trifft Kate auf ihre Freundin und ehemalige Kommilitonin Rowan. Mit ihr, deren Mann Russ und Tochter Odette will sie den Urlaub verbringen. Dabei wird sofort deutlich, dass sich beide Frauen in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Während Rowan eine steile Karriere hingelegt hat, tritt Kate beruflich auf der Stelle. Auch Russ wirkt gut betucht und hat in seinem Job mit hohen Geldsummen zu tun.


Später stoßen noch zwei weitere Freundinnen dazu (Jennifer mit ihrem Mann Alistair und den Söhnen Jake und Ethan sowie die alleinstehende Izzy). Insgesamt agieren 12 Figuren in diesem psychologischen Thriller, die wir durch sporadisch eingeschobene Kapitel (die mit einem Wechsel des Blickwinkels einhergehen und geschickt platziert sind) alle auch ein bisschen näher kennenlernen. Handlungsort ist eine Villa, die Rowan als Ferienhaus organisiert hat. Sie liegt abgelegen und es handelt sich um ein richtiges Luxusressort.


Fahrt nimmt die Handlung auf, als Kate beim Auspacken der Koffer zufällig Seans Handy genauer in den Blick nimmt und darauf mysteriöse Botschaften einer anonymen Fremden entdeckt. Der Inhalt der Nachrichten auf dem Gerät verleitet sie zu der Annahme, dass ihr Mann sie betrügt (und zwar mit einer ihrer Freundinnen). Aber mit wem? Das versucht Kate durch eigene Beobachtungen im Folgenden herauszufinden. Sie weiß aber nicht recht, wie sie mit ihrem Verdacht umgehen soll. Sie scheut sich davor zurück, ihren Mann mit der Entdeckung zu konfrontieren und sucht kein klärendes Gespräch. Stattdessen behält sie ihre Vermutung für sich und beschließt, sich normal zu verhalten und sich nichts anmerken zu lassen. Doch kann sie das durchhalten? Ihre Freundinnen beäugt sie fortan jedenfalls misstrauisch und als Leser erleben wir hautnah mit, welche Hypothesen Kate aufstellt. Sie versinkt förmlich in einem Analysemodus.


Die Handlung wird wendungsreich erzählt und der Spannungsbogen ist deutlich spürbar. Lediglich im Mittelteil drehte sich die Angelegenheit für mich ein wenig zu sehr im Kreis und hat ihre Längen. Der Thriller liest sich flüssig und der Inhalt lebt von der Darstellung der zwischenmenschlichen Reibungen. Die Charakterisierung der Figuren empfand ich als gelungen und (für einen Thriller) tiefgründig. Die Wechsel der Blickwinkel sorgen für Abwechslung und dafür, dass man den Figuren näherkommt und  auch der Nachwuchs der Protagonisten in den Blick gerät (wodurch sich eine weitere Handlungsebene ergibt, die wiederum eine neue Dynamik erzeugt). Das Tempo ist nicht allzu hoch (was u.a. an der ausführlichen Charakterzeichnung liegt). Als Leser kann man sehr gut miträtseln, der Verdacht von Kate wird auf verschiedene Figuren gelenkt. Meine Neugier wurde durchweg aufrechterhalten. Später kommen auch weitere Handlungselemente hinzu, die das Buch nach meinem Gefühl nicht langweilig werden lassen. Das Finale war packend. Was ich noch positiv festhalten möchte: Trotz des Umstands, dass 12 Figuren vorkommen, habe ich nie den Überblick verloren (es dauerte lediglich, bis man alle Namen kannte und die Kinder den Eltern zuordnen konnte). Kurzum: Ein sehr guter psychologischer Thriller. Ich fand ihn nicht so gut wie „The Catch“, aber besser als die anderen Thriller von T.M. Logan („The Parents“, „Trust me“). Ich komme auf gute 4 Sterne.

Samstag, 26. April 2025

Star Trek - Sektion 31


Misslungen auf ganzer Linie



Was für ein Film! Für mich war „Sektion 31“ kein Star Trek, wie ich es kenne und mag. Die Dialoge passen für mich nicht zum Franchise, die Handlung ist viel zu actionreich, das Setting viel zu düster und die Charaktere kommen zu überdreht und durchgeknallt daher. Von der für Star Trek typischen Wissenschaftlichkeit keine Spur, auch sonst wird an nichts Bekanntes aus dem Star Trek-Universum angeknüpft (es könnte sich also genauso gut um einen x-beliebigen Science-Fiction-Actionkracher handeln). Noch dazu wird mit Philippa Georgiou eine Figur in den Mittelpunkt gerückt, mit der man nur dann etwas anfangen kann, wenn man „Star Trek Discovery“ kennt (nach meiner Ansicht die schlechteste Star Trek-Serie), was schon kein gutes Vorzeichen ist. Philippa trägt die Handlung nicht. Die Handlung dafür ist auch zu dünn und wenig tiefgründig. Es geht lediglich darum, eine Massenvernichtungswaffe aufzuspüren und zu vernichten. Das war es auch schon. Ich konnte mit diesem Film beim besten Willen nichts, aber auch gar nichts anfangen (und ich bin eigentlich niemand, der nicht offen für Neues ist). Von mir gibt es dafür 1 Stern.

Mittwoch, 23. April 2025

Cavanagh, Steve - Die Komplizin

 

Temporeich und spannend

 


Zu Beginn des Buchs erleben wir die Schilderung eines Zugriffs durch ein FBI-Team mit. Doch statt des gesuchten Serienmörders Daniel Miller findet es nur seine Ehefrau Carrie im Haus vor. Diese wird aus anfangs noch unerfindlichen Gründen verhaftet und dann des mehrfachen Mordes angeklagt. Ihr wird zur Last gelegt, dass sie von den Morden ihres Mannes gewusst und bei der Ausführung der Taten geholfen hat. Die Ausgangssituation von Carrie erscheint denkbar schlecht. Doch Eddie Flynn und sein Team glauben an ihre Unschuld und übernehmen die Verteidigung von Carrie, in dem Wissen, dass Daniel Miller weiterhin auf freiem Fuß ist und ihnen gefährlich werden könnte.


In einer weiteren Perspektive begleiten wir den Sandmann und erleben mit, wie er weiter sein Unwesen treibt. Sein Ziel ist es, die Zeugen der Anklage auszuschalten. Dabei geht die Schilderung der Taten unter die Haut. Und als Leser hofft man darauf, dass er gefasst wird. Gleichzeitig befindet er sich auf der Flucht vor dem FBI und alles läuft auf ein Katz-und-Maus-Spiel hinaus. Spannung entsteht v.a. auch dadurch, dass die Verfolger Daniel immer dicht auf den Fersen sind. Unterstützung bei der Suche erhält das FBI durch Eddies Kollegin Bloch.


Eingeschobene Tagebucheinträge von Carrie verraten uns darüber hinaus mehr über das Beziehungsleben der Millers. Es wird gut deutlich, dass es sich um ein asymmetrisches Verhältnis handelt. Carrie ist finanziell abhängig von ihrem Mann und scheint Warnsignale übersehen zu haben. Sie hinterfragt wenig, obwohl Daniel ein teils auffälliges Verhalten an den Tag legt. Doch kann man ihr deswegen einen Vorwurf machen?


Insgesamt liest sich der Thriller sehr flüssig. Das Erzähltempo ist hoch. Die Spannung ist permanent stark ausgeprägt. Die Wechsel der Blickwinkel sind in meinen Augen sehr gut platziert (v.a. ist es nicht zu hektisch, man bleibt auch einmal länger an einer Figur dran). Die Handlung entwickelt sich stets action-, ereignis- und wendungsreich. Es gab keine Längen. Auch die Auflösung am Ende ist überraschend.


Das Einzige, was ich etwas schade fand, war der Umstand, dass die Gerichtsszenen nicht so im Zentrum der Handlung standen (obwohl diese und Eddies Agieren vor dem Richter für mich stets das Highlight bilden). Ich mag die Schilderungen, wie Eddie gewitzt und trickreich bei den Verhandlungen auftritt, sehr. Er nimmt die Zeugen der Anklage im Kreuzverhör regelrecht auseinander. Und für mich sind es genau diese Passagen, die den Thriller so einzigartig machen. Sie lese ich am liebsten. Deswegen möchte ich gern mehr davon. Aber nun gut. Trotzdem war es ein sehr guter Thriller, der mich sehr gut unterhalten hat. Deshalb gibt es von mir 5 Sterne.