Ethnographische Feldforschung als Literatur?
Ich
mag es, wenn Literatur eine gesellschaftspolitische Relevanz hat und Themen
aufgegriffen werden, die Fremdverstehen oder Empathie fördern. Ich möchte
emotional mitgerissen werden, durch literarische Offenheit zum Nachdenken und
Reflektieren angeregt werden. Manchmal ist es auch die sprachliche Gestaltung,
die bei mir Begeisterung für ein literarisches Werk erzeugt (zuletzt bei
„Kleine Probleme“ von Nele Pollatschek). Es passiert mir eigentlich selten,
dass ich keinen oder nur einen schlechten Zugang zu einem Buch finde. Meist
spricht mich immer irgendetwas an und kann mich überzeugen. Nicht so dieses
Mal. Dem neuen Roman von Teresa Präauer „Kochen im falschen Jahrhundert“ konnte
ich einfach nichts abgewinnen, und das, obwohl es für den deutschen und
österreichischen Buchpreis nominiert wurde und im Feuilleton begeisterte
Stimmen erhielt. Woran liegt das?
Vermutlich
liegt es auch daran, dass das Treffen einer Gruppe von Freunden zum Abendessen
mit großer Distanz zum Geschehen erzählt wird. Die Mittelbarkeit des Erzählten störten
mich, weil jegliche Lebendigkeit verloren geht. Die Erzählerinstanz wird zu
vermittelnden Zwischenstation. Nicht mein Geschmack! Ich lese den Inhalt über
weite Strecken unbeteiligt und ohne großes Interesse. Es gibt keinen
Spannungsbogen. Die Gedankenführung ist sprunghaft. Die Gespräche boten mir
wenig inhaltliche Anknüpfungsmöglichkeit. Mich packte nichts, mich erreichte
nichts. Ich konnte mich an nichts „reiben“. Zu sachlich, nüchtern, langatmig
und distanziert ist mir der Erzählstil. Die dargestellte Situation wird von
außen beschrieben und gedeutet. Gespräche werden in deskriptiver Form
wiedergegeben. Das soziale Miteinander wird im Detail ausgeleuchtet. Rituale
des abendlichen Zusammenseins und der Essenszubereitung werden in Totalität äußerst
emotionslos wiedergegeben. Die Musterhaftigkeit des sozialen Miteinanders wird
offengelegt. Es liest sich wie eine
ethnographische Beobachtung. Wer so etwas mag, der macht mit diesem Buch nichts
falsch. Allen anderen rate ich von der Lektüre ab. Bei mir jedenfalls wollte
der Funke einfach nicht überspringen.
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