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Mittwoch, 20. September 2023

Zeh, Juli und Elisa Hoven - Der war's





Von der Relevanz der Unschuldsvermutung 


Marie werden Pausenbrote gestohlen und sie beschließt, etwas dagegen zu unternehmen. Darum geht es in dem Kinderbuch „Der war’s“ von Juli Zeh und Elisa Hoven. Auf den ersten Seiten wird dafür das Klassengefüge der 6a gut in den Blick genommen. Und man stellt sich zu Beginn die folgenden Fragen: Wer steckt hinter den Diebstählen? Warum wird gerade Marie zum Opfer? Wie wird die Sache aufgeklärt? Und was passiert mit dem Täter? Genug Fragen, die Neugier erzeugen.

 

Wichtige Themen, die behandelt werden, sind Selbstjustiz und Mobbing. Es wird demonstriert, wie schnell Gerüchte entstehen können und welche Folgen es hat, eine Beschuldigung vorschnell zu äußern. Besonders dramatisch bei dem geschilderten Fall: Der potentielle Täter erhält anfangs überhaupt keine Möglichkeit, sich zu äußern. Was ich an diesem inhaltlichen Ansatz gelungen finde, ist der Umstand, dass man mit seinem Nachwuchs sehr gut das Verhalten der Figuren reflektieren kann. Gemeinsam kann man überlegen, wie man sich in einer solchen Situation, wie sie beschrieben wird, stattdessen hätte verhalten können. Eine sehr gewinnbringende Lektüre, mit der man noch etwas Wichtiges dazulernt. So macht sich der vermeintliche Täter z.B. noch mehr dadurch selbst zum Opfer, dass er nichts zu den Anschuldigungen sagt. Kurzum: Genügend Stoff zum Besprechen.

 

Und beiläufig wird noch viel juristisches Wissen kindgerecht vermittelt (z.B. dazu, wie Verfahren ablaufen, oder, was es mit der Unschuldsvermutung auf sich hat). Sehr gelungen ist in meinen Augen auch der kompakte Anhang, in dem genauer und auf anschauliche Art und Weise erklärt wird, wie ein Strafverfahren abläuft.

 

Beim Wortschatz ist mir aufgefallen, dass es schon auch das ein oder andere Fremdwort gibt (z.B. „Verbrechensprävention“, „imaginär“, S. 20; „Ultimatum“, S. 25; „Persönlichkeitsentwicklung und Selbstwirksamkeitserfahrung“, S. 27; „Observation“, S. 33 etc.). Auch juristische Fachbegriffe werden an späterer Stelle in die Handlung integriert. Es ist eine gute Möglichkeit der Wortschatzerweiterung. Die für den Nachwuchs möglicherweise schwierigen Wörter kamen nach meinem Empfinden nicht zu gehäuft vor.

 

Das einzige, was mich an diesem Buch gestört hat, ist die recht einseitige und negative Darstellung der Lehrperson (Herr Schindelbart-Bunsemann). Er bemüht sich nicht ernsthaft darum, die Sache mit den verschwundenen Pausenbroten aufzuklären und reagiert pädagogisch unangemessen. Auf mich wirkt das vermittelte Lehrerbild antiquiert und nicht mehr zeitgemäß. Aber inhaltlich soll es ja nicht darum gehen, das Lehrerverhalten, sondern das Schülerverhalten zu thematisieren. Von daher verstehe ich, dass die Autorinnen sich dazu entschieden haben, den Klassenlehrer als „Witzfigur“, dazustellen. So müssen sich die Kinder selbst helfen, weil sie von außen keine Hilfe erhalten.

 

Man hätte natürlich auch überlegen können, ob die Schüler:innen nicht vielleicht besser pädagogisch von außen angeleitet werden, wenn sie ihr Gerichtsverfahren durch“spielen“. Aber in einem solchen Fall hätten die Kinder natürlich weniger eigenständig und selbstwirksam gehandelt. Von daher kann ich schon nachvollziehen, warum die Autor:innen sich dazu entschieden haben, die Lerner:innen eigenverantwortlich handelt zu lassen.

 

Vor allem für Kinder (aber auch für Eltern), die sich für rechtsstaatliche Prinzipien interessieren, ist es ein gewinnbringendes Buch! Es wird aufgezeigt, wie wichtig es ist, nicht vorschnell zu urteilen und nicht unüberlegt auf Formen der Selbstjustiz zurückzugreifen. Ich halte die inhaltliche Vermittlung für kindgerecht und auch die vom Verlag vorgeschlagene Altersempfehlung (ab 8 Jahren) finde ich passend. Von mir gibt es 5 Sterne!

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