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Donnerstag, 24. August 2023

Glattauer, Daniel - Alle sieben Wellen





Dialogische Tagebuchaufzeichnungen


Emmi Rothner und Leo Leike sind zurück! Das unglückliche Paar, das noch nicht zusammengefunden hat, obwohl die Zuneigung beider Figuren zueinander so offensichtlich ist. Wer den Roman „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer gelesen hat, dürfte vom Ende des Buchs überrascht worden sein. Leo verschwindet nach Boston, Emmi bleibt allein zurück, der Kontakt bricht ab. Doch der Autor hat mit den Leser:innen ein Einsehen. Leo kehrt aus Boston zurück und der E-Mail-Kontakt zu Emmi wird wieder aufgenommen.

 

Zwischen beiden entwickelt sich ein stetiges Auf und Ab in ihrer Gefühlswelt. Leo möchte gern einen Schlussstrich unter die Beziehung setzen und bereut, dass er überhaupt auf Emmis Mail reagiert hat. Er hat mit Pam(ela) eine neue Frau kennen gelernt. Und Emmi ist einverstanden. Sie wünscht sich ein persönliches Treffen, um auf diese Weise einen Abschluss zu finden, und zwar eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Wie wird es nun mit Emmi und Leo weitergehen?

 

Beide Protagonisten sind in ihren jeweiligen Lebenswelten gefangen, wünschen sich aber insgeheim etwas anderes. Doch es fehlen ihnen die Entschlusskraft und der Mut, den letzten Schritt zu gehen, und das gemeinsam. Mir als Leser ist das völlig klar, nicht hingegen den beiden Figuren, denen man wünscht, endlich einmal das Herz in die Hand zu nehmen. Wohin führt ihr E-Mail-Verkehr? Wie werden sich Emmi und Leo entscheiden? Finden sie zusammen? Oder werden sie getrennte Wege gehen? Das sind die zentralen Fragen, die ich als Leser während der Lektüre beantwortet wissen wollte. Und auf Dauer ist es etwas anstrengend den Gedankengängen der Figuren zu folgen. So ging es mir z.B. bei der Textstelle, als Emmi ihre Unentschlossenheit zeigt: „Wie es mit uns weitergehen soll, Leo? – Weiter wie bisher. Ob es mit uns weitergehen soll? – Unbedingt. Wohin? – Nirgendwohin. Einfach nur weiter. Du lebst dein Leben. Ich lebe mein Leben. Und den Rest leben wir gemeinsam.“ (S. 66). Weiß sie selbst, was sie will? Kann das funktionieren? Wird Leo sich darauf einlassen? Und was wird dann aus Pam? Für mich als Leser war die Entscheidungsunfreudigkeit der beiden äußerst nervig. Emmi, weiß nicht, was sie will. Und Leo wartet in meinen Augen nur auf ein Zeichen von ihr. Würde sie ihm klar zu verstehen geben, dass sie mit Bernhard unglücklich ist und sich von ihm trennt, stünde dem Glück der beiden nichts mehr im Wege. Man wünscht Leo und Emmi ein Happy End, auch wenn mir Pamela und Bernhard dabei ein wenig leidtun. Doch wird es soweit kommen?

 

Was mir in diesem Buch von Daniel Glattauer darüber hinaus gefällt, ist die Sprachgestaltung. Emmi und Leo schreiben unglaublich kreativ, spielerisch und wortgewandt. Dies wird z.B. bei der Analyse der Wendung „Ja, aber (…). Nein, kein Aber. Ja!“ (S.53) deutlich: „Zuerst ein ‚ja‘ der scheinbar entschlossenen Zusage. Dann ein Komma der zu erwartenden Beifügung. Dann ein ‚Aber‘ der angekündigten Einschränkung. Dann eine runde Klammer der schriftlichen Formalkunst. Dann drei Punkte der geheimnisumwitterten Gedankenvielfalt. Danach Disziplin genug, um die Klammer zu schließen und das anonyme Wirrnis zu verpacken. Danach ein wertkonservativer Punkt, um im inneren Chaos die äußere Ordnung aufrechtzuerhalten. Dann plötzlich ein trotziges ‚Nein‘ der scheinbar entschlossenen Absage. Wieder ein Komma der bevorstehenden Ergänzung. Danach ein ‚Kein‘ der kompromisslosen Ablehnung. Dann ein neuerliches ‚Aber‘, ein sich auflösendes, ein ‚Aber‘, das nur da ist, um aufzuzeigen, dass es keines mehr gibt. Alle Zweifel angedeutet. Kin Zweifel ausgesprochen. Alle Zweifel abgeschoben. Am Ende steht ein tapferes ‚Ja‘ mit trotzigem Ausrufezeichen.“ (S. 53-54). Das ist typisch für Glattauer. Genial!

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