Dialogische Tagebuchaufzeichnungen
Emmi
Rothner und Leo Leike sind zurück! Das unglückliche Paar, das noch nicht
zusammengefunden hat, obwohl die Zuneigung beider Figuren zueinander so
offensichtlich ist. Wer den Roman „Gut gegen Nordwind“ von Daniel Glattauer
gelesen hat, dürfte vom Ende des Buchs überrascht worden sein. Leo verschwindet
nach Boston, Emmi bleibt allein zurück, der Kontakt bricht ab. Doch der Autor
hat mit den Leser:innen ein Einsehen. Leo kehrt aus Boston zurück und der
E-Mail-Kontakt zu Emmi wird wieder aufgenommen.
Zwischen
beiden entwickelt sich ein stetiges Auf und Ab in ihrer Gefühlswelt. Leo möchte
gern einen Schlussstrich unter die Beziehung setzen und bereut, dass er
überhaupt auf Emmis Mail reagiert hat. Er hat mit Pam(ela) eine neue Frau
kennen gelernt. Und Emmi ist einverstanden. Sie wünscht sich ein persönliches
Treffen, um auf diese Weise einen Abschluss zu finden, und zwar eine Begegnung
von Angesicht zu Angesicht. Wie wird es nun mit Emmi und Leo weitergehen?
Beide
Protagonisten sind in ihren jeweiligen Lebenswelten gefangen, wünschen sich
aber insgeheim etwas anderes. Doch es fehlen ihnen die Entschlusskraft und der
Mut, den letzten Schritt zu gehen, und das gemeinsam. Mir als Leser ist das
völlig klar, nicht hingegen den beiden Figuren, denen man wünscht, endlich
einmal das Herz in die Hand zu nehmen. Wohin führt ihr E-Mail-Verkehr? Wie
werden sich Emmi und Leo entscheiden? Finden sie zusammen? Oder werden sie
getrennte Wege gehen? Das sind die zentralen Fragen, die ich als Leser während
der Lektüre beantwortet wissen wollte. Und auf Dauer ist es etwas anstrengend
den Gedankengängen der Figuren zu folgen. So ging es mir z.B. bei der
Textstelle, als Emmi ihre Unentschlossenheit zeigt: „Wie es mit uns weitergehen
soll, Leo? – Weiter wie bisher. Ob es mit uns weitergehen soll? – Unbedingt.
Wohin? – Nirgendwohin. Einfach nur weiter. Du lebst dein Leben. Ich lebe mein
Leben. Und den Rest leben wir gemeinsam.“ (S. 66). Weiß sie selbst, was sie
will? Kann das funktionieren? Wird Leo sich darauf einlassen? Und was wird dann
aus Pam? Für mich als Leser war die Entscheidungsunfreudigkeit der beiden
äußerst nervig. Emmi, weiß nicht, was sie will. Und Leo wartet in meinen Augen
nur auf ein Zeichen von ihr. Würde sie ihm klar zu verstehen geben, dass sie
mit Bernhard unglücklich ist und sich von ihm trennt, stünde dem Glück der
beiden nichts mehr im Wege. Man wünscht Leo und Emmi ein Happy End, auch wenn
mir Pamela und Bernhard dabei ein wenig leidtun. Doch wird es soweit kommen?
Was
mir in diesem Buch von Daniel Glattauer darüber hinaus gefällt, ist die
Sprachgestaltung. Emmi und Leo schreiben unglaublich kreativ, spielerisch und
wortgewandt. Dies wird z.B. bei der Analyse der Wendung „Ja, aber (…). Nein,
kein Aber. Ja!“ (S.53) deutlich: „Zuerst ein ‚ja‘ der scheinbar entschlossenen
Zusage. Dann ein Komma der zu erwartenden Beifügung. Dann ein ‚Aber‘ der
angekündigten Einschränkung. Dann eine runde Klammer der schriftlichen
Formalkunst. Dann drei Punkte der geheimnisumwitterten Gedankenvielfalt. Danach
Disziplin genug, um die Klammer zu schließen und das anonyme Wirrnis zu verpacken.
Danach ein wertkonservativer Punkt, um im inneren Chaos die äußere Ordnung
aufrechtzuerhalten. Dann plötzlich ein trotziges ‚Nein‘ der scheinbar
entschlossenen Absage. Wieder ein Komma der bevorstehenden Ergänzung. Danach
ein ‚Kein‘ der kompromisslosen Ablehnung. Dann ein neuerliches ‚Aber‘, ein sich
auflösendes, ein ‚Aber‘, das nur da ist, um aufzuzeigen, dass es keines mehr
gibt. Alle Zweifel angedeutet. Kin Zweifel ausgesprochen. Alle Zweifel
abgeschoben. Am Ende steht ein tapferes ‚Ja‘ mit trotzigem Ausrufezeichen.“ (S.
53-54). Das ist typisch für Glattauer. Genial!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen