Digital-Detox auf dem Watzmann
Von
Arno Strobel habe ich bereits einige Thriller gelesen: „Sharing“, „Fake“,
„Mörderfinder 1“, „Die App“. Zuletzt „Der Trip“ (vgl. dazu frühere
Rezensionen). Und eines zeichnet alle Thriller in meinen Augen aus: Hohes Tempo
und eine schnell getaktete Ereignishaftigkeit. Ich habe (bisher) noch keinen
anderen Autoren gefunden, der ähnlich dynamisch schreibt. „Fake“ und
„Mörderfinder 1“ haben mir von allen Thrillern, die ich von Strobel kenne, am
besten gefallen. Sie weisen zusätzlich noch eine geschickt konstruierte
Spannungskurve und unerwartete Wendungen auf.
Aus
diesem Grund ist klar, dass ich immer einmal wieder Thriller von Strobel lese,
in der Hoffnung, beim Lesen in einen Zustand innerer Anspannung und Aufregung
versetzt zu werden. Dieses Mal fiel meine Wahl auf „Offline“, erschienen im Jahr
2019. Und das Ausgangssetting klang gut: Eine Gruppe von Menschen, die auf dem
Watzmann für eine Woche einen „Digital-Detox-Urlaub“ einlegt und in einem von
der Außenwelt abgeschnittenen Bergsteigerhotel unterkommt. Und plötzlich
verschwindet jemand aus der Truppe und wird schwer misshandelt wiedergefunden. Er
ist seiner Sinne beraubt worden: Taub, blind, bewegungsunfähig und ohne Zunge.
Eine grausige Tat. Was ist ihm widerfahren? Wer ist zu so etwas in der Lage?
War es jemand aus der Gruppe? Und schon fliegt man gespannt durch die Seiten,
zumindest anfangs.
Die
typische Strobel-Zutat findet man auch hier: eine hohe Dialoghaftigkeit, die
Unmittelbarkeit erzeugt. Das ist gut! Und dann kommen zwei weitere Elemente
hinzu, die mir in dieser Form bei Strobel bisher noch nicht begegnet sind: Ein
geschlossener Handlungsraum und viele handelnde Figuren. Während die Wahl des (verwinkelten)
Handlungsorts sicherlich die Spannung zu steigern vermag (Ruth Ware lässt
grüßen), bremst die hohe Anzahl der Figuren das Tempo jedoch wieder aus. Das
ist schade!
Besonders
perfide ist dieses Mal, dass kein Mordopfer gefunden wird, sondern dass das
Opfer durch Misshandlungen gequält wird. Das erfordert dieses Mal ein starkes
Nervenkostüm. Die Vorstellung, wie das Opfer leidet, ist schwer auszuhalten.
Man leidet mit. Im späteren Handlungsverlauf werden auch noch kurze Kapitel aus
der Sicht eines weiteren Opfers eingebunden, die schwer lesbar sind. Die
geschilderten Qualen in Form von Gefühlen und Gedanken gingen mir unter die
Haut. Die anderen Thriller, die ich bisher von Strobel gelesen habe, fand ich
nicht so grausam und brutal. Sie haben mir besser gefallen.
Nach
der Tat beginnen die Mitglieder der Gruppe sich gegenseitig zu verdächtigen,
die Anfeindungen und das Misstrauen nehmen zu. Und anfangs ist die Schilderung
der Gruppendynamik auch äußerst interessant. Mit zunehmendem Handlungsverlauf
verlor dieses Setting aber immer mehr seinen Reiz. Es wiederholt sich Vieles zu
sehr, es dreht sich zu sehr im Kreis. Es fehlen neue, spannungserregende
Impulse, die die Handlung vorantreiben. Die Darstellung der Gruppendynamik
nutzt sich mit der Zeit einfach ab. Immer wieder wird (auf ermüdende Weise)
durchgespielt, wer der Täter sein könnte und wie man sich vor weiteren Taten
schützen kann. Das kann Strobel eindeutig besser!
Und
noch etwas, das mich enttäuscht hat: Die Auflösung am Ende. Sie konnte mich
nicht überzeugen. Ich fand sie unrealistisch und insgesamt zu unausgegoren.
Auch das kann Strobel besser! Für mich das bisher schwächste Buch, das ich vom
Autor gelesen habe. Schade!
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