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Montag, 11. März 2024

Usinger, Johanna - Einfach können. Gendern


Gendern


Die Verwendung gendergerechter Sprache ist ein kontroverses Thema, bei dem die Gefühle oft „hochkochen“. Doch bevor man in eine Diskussion zum Gendern einsteigt, sollte man sich erst einmal vergegenwärtigen, was denn überhaupt für Möglichkeiten existieren, gendergerecht zu schreiben. Aus diesem Grund möchte ich den Ratgeber vom Cornelsen-Verlag „Einfach können. Gendern“ (2023) von Johanna Usinger hier vorstellen. Das Buch zeigt, dass die deutsche Sprache viele Wege bietet, um Texte genderneutral zu verfassen.


Die gängigsten Formen werden mit Vor- und Nachteilen kurz vorgestellt (vgl. S. 20-29). Hierzu zählen die Doppelnennung (= „die Lehrerinnen oder Lehrer“), die neutrale Form (= „die Lehrkräfte“), der Schrägstrich mit oder ohne Bindestrich (= „Die Lehrer/innen“ oder die „Lehrer/-innen“), das Gendersternchen (= „die Lehrer*innen“), der Doppelpunkt („die Lehrer:innen“), die Einklammerung (= „die Lehrer(innen)“), der Unterstrich (=„die Lehrer_innen“), das Binnen-I (= „die LehrerInnen“), der Gebrauch maskuliner und femininer Formen im Wechsel (= „die Pfleger, Ärztinnen, Therapeuten und Geburtshelferinnen“) oder die Fußnote am Ende eines Wortes.

 

Auf den Seiten 30-31 werden zudem noch 10 weitere Möglichkeiten präsentiert, u.a. das generische Femininum (= „Professorinnen“), der dynamische Unterstrich (= „Archite_ktinnen“) oder das Ausrufezeichen als Ersatz für das Binnen-I (= „Lehrer!nnen“) und weitere. Eine klare Regelung, die noch dazu vom Rat für Rechtschreibung abgedeckt ist, gibt es nicht. Die Wahl der Variante hängt auch davon ab, welches Anliegen man als textverfassende Person man verfolgt. Möchte man Frauen und Männer ansprechen? Möchte man alle Geschlechter ansprechen? Will man Sprache aufbrechen? Will man sich an die amtlichen Regeln der deutschen Rechtschreibung halten? Etc.

 

Mir war z.B. nicht klar, dass der Doppelpunkt als Sonderzeichen, den ich in der Vergangenheit oft selbst gern verwendet habe, weil damit alle Geschlechter einbezogen werden und der Lesefluss damit kaum eingeschränkt wird, nicht barrierefrei ist. Menschen mit Sehbeeinträchtigungen oder blinde Menschen, die sich Texte mit technischen Hilfsmitteln vorlesen lassen, können bei der Doppelpunkt-Schreibung Probleme haben. Will man also barrierefrei schreiben, so sollte man auf die sieben kreativen Tipps und Tricks zurückgreifen, die die Autorin vorschlägt (vgl. S. 36 bis 41).

 

Die Autorin gibt einige Anregungen zur genderneutralen Umformulierung von Satzkonstruktionen und Texten. So kann die Nennung bestimmter Personengruppen gemieden werden. Und Usinger gibt noch eine weitere Hilfe mit an die Hand: Ein kompaktes Wörterbuch mit ca. 1000 Stichwörtern, das man wie ein Synonymwörterbuch nutzen kann. So erhält man viele genderneutrale Alternativen. Das Wort „Leser“ lässt sich z.B. ersetzen durch „lesende Person“, „Lesepublikum“, „lesende Zielgruppe“, „die Lesenden“ oder „Leserschaft“.


Letztlich ist dieser Ratgeber sicher für alle hilfreich, die sich um korrekte genderneutrale Sprache bemühen wollen. Sie kann auch Grundlage für weitere Diskussionen sein (auch um sich darüber klar zu werden, worüber man überhaupt konkret diskutieren möchte). Wer sich in dem Thema „Gendern“ weiterbilden möchte und dafür weiter sensibilisiert werden möchte, der greife zu diesem hilfreichen Buch. Was aber auch sehr deutlich wird: Der Einsatz der verschiedenen Möglichkeiten zum Gendern ist höchst beliebig und uneinheitlich. Die Verwendung bestimmter Formen hängt von der Kreativität und der Experimentierfreude der Autorenschaft ab.

 

Ob und was sich von den Vorschlägen in der Zukunft überhaupt durchsetzen wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Einer von oben verordneten Sprachveränderung stehe ich aber skeptisch gegenüber. Sprachwandelprozesse sind nicht von außen steuerbar. Sprachwandel vollzieht sich unbewusst und über eine lange Zeit, nicht ad-hoc und von außen vorgegeben (vgl. dazu Rudi Keller 2014: „Sprachwandel“). In meinen Augen wird sich die genderneutrale Sprache überhaupt nur dann durchsetzen, wenn die Mehrheit der Deutschen sich aktiv dazu entschließt, diese häufig und über einen langen Zeitraum zu gebrauchen. Auch bleibt abzuwarten, wie der Rat für Rechtschreibung sich positioniert und ob es irgendwann zu einer einheitlichen Regelung kommt. Vorstellen kann ich mir das zwar nicht, aber ich werde die Entwicklung der gendergerechten Sprachverwendung mit Interesse weiter verfolgen. Ich selbst habe mich aber dazu entschieden in meinen Texten zu gendern (in Zukunft dann auch barrierefrei), weil ich niemanden ausschließen will. Allerdings lerne ich selbst auch immer noch dazu…

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