Gendern
Die
Verwendung gendergerechter Sprache ist ein kontroverses Thema, bei dem die
Gefühle oft „hochkochen“. Doch bevor man in eine Diskussion zum Gendern
einsteigt, sollte man sich erst einmal vergegenwärtigen, was denn überhaupt für
Möglichkeiten existieren, gendergerecht zu schreiben. Aus diesem Grund möchte
ich den Ratgeber vom Cornelsen-Verlag „Einfach können. Gendern“ (2023) von
Johanna Usinger hier vorstellen. Das Buch zeigt, dass die deutsche Sprache
viele Wege bietet, um Texte genderneutral zu verfassen.
Die gängigsten Formen werden mit Vor- und Nachteilen kurz vorgestellt (vgl. S. 20-29). Hierzu zählen die Doppelnennung (= „die Lehrerinnen oder Lehrer“), die neutrale Form (= „die Lehrkräfte“), der Schrägstrich mit oder ohne Bindestrich (= „Die Lehrer/innen“ oder die „Lehrer/-innen“), das Gendersternchen (= „die Lehrer*innen“), der Doppelpunkt („die Lehrer:innen“), die Einklammerung (= „die Lehrer(innen)“), der Unterstrich (=„die Lehrer_innen“), das Binnen-I (= „die LehrerInnen“), der Gebrauch maskuliner und femininer Formen im Wechsel (= „die Pfleger, Ärztinnen, Therapeuten und Geburtshelferinnen“) oder die Fußnote am Ende eines Wortes.
Auf
den Seiten 30-31 werden zudem noch 10 weitere Möglichkeiten präsentiert, u.a.
das generische Femininum (= „Professorinnen“), der dynamische Unterstrich (= „Archite_ktinnen“)
oder das Ausrufezeichen als Ersatz für das Binnen-I (= „Lehrer!nnen“) und
weitere. Eine klare Regelung, die noch dazu vom Rat für Rechtschreibung
abgedeckt ist, gibt es nicht. Die Wahl der Variante hängt auch davon ab,
welches Anliegen man als textverfassende Person man verfolgt. Möchte man Frauen
und Männer ansprechen? Möchte man alle Geschlechter ansprechen? Will man
Sprache aufbrechen? Will man sich an die amtlichen Regeln der deutschen
Rechtschreibung halten? Etc.
Mir
war z.B. nicht klar, dass der Doppelpunkt als Sonderzeichen, den ich in der
Vergangenheit oft selbst gern verwendet habe, weil damit alle Geschlechter
einbezogen werden und der Lesefluss damit kaum eingeschränkt wird, nicht
barrierefrei ist. Menschen mit Sehbeeinträchtigungen oder blinde Menschen, die
sich Texte mit technischen Hilfsmitteln vorlesen lassen, können bei der
Doppelpunkt-Schreibung Probleme haben. Will man also barrierefrei schreiben, so
sollte man auf die sieben kreativen Tipps und Tricks zurückgreifen, die die
Autorin vorschlägt (vgl. S. 36 bis 41).
Die
Autorin gibt einige Anregungen zur genderneutralen Umformulierung von Satzkonstruktionen
und Texten. So kann die Nennung bestimmter Personengruppen gemieden werden. Und
Usinger gibt noch eine weitere Hilfe mit an die Hand: Ein kompaktes Wörterbuch
mit ca. 1000 Stichwörtern, das man wie ein Synonymwörterbuch nutzen kann. So
erhält man viele genderneutrale Alternativen. Das Wort „Leser“ lässt sich z.B.
ersetzen durch „lesende Person“, „Lesepublikum“, „lesende Zielgruppe“, „die
Lesenden“ oder „Leserschaft“.
Letztlich
ist dieser Ratgeber sicher für alle hilfreich, die sich um korrekte
genderneutrale Sprache bemühen wollen. Sie kann auch Grundlage für weitere
Diskussionen sein (auch um sich darüber klar zu werden, worüber man überhaupt
konkret diskutieren möchte). Wer sich in dem Thema „Gendern“ weiterbilden
möchte und dafür weiter sensibilisiert werden möchte, der greife zu diesem
hilfreichen Buch. Was aber auch sehr deutlich wird: Der Einsatz der
verschiedenen Möglichkeiten zum Gendern ist höchst beliebig und uneinheitlich. Die
Verwendung bestimmter Formen hängt von der Kreativität und der
Experimentierfreude der Autorenschaft ab.
Ob
und was sich von den Vorschlägen in der Zukunft überhaupt durchsetzen wird,
lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Einer von oben verordneten
Sprachveränderung stehe ich aber skeptisch gegenüber. Sprachwandelprozesse sind
nicht von außen steuerbar. Sprachwandel vollzieht sich unbewusst und über eine
lange Zeit, nicht ad-hoc und von außen vorgegeben (vgl. dazu Rudi Keller 2014: „Sprachwandel“).
In meinen Augen wird sich die genderneutrale Sprache überhaupt nur dann
durchsetzen, wenn die Mehrheit der Deutschen sich aktiv dazu entschließt, diese
häufig und über einen langen Zeitraum zu gebrauchen. Auch bleibt abzuwarten,
wie der Rat für Rechtschreibung sich positioniert und ob es irgendwann zu einer
einheitlichen Regelung kommt. Vorstellen kann ich mir das zwar nicht, aber ich
werde die Entwicklung der gendergerechten Sprachverwendung mit Interesse weiter
verfolgen. Ich selbst habe mich aber dazu entschieden in meinen Texten zu
gendern (in Zukunft dann auch barrierefrei), weil ich niemanden ausschließen will. Allerdings lerne ich selbst auch
immer noch dazu…
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