Über die Erzählkunst
Was
ich an Rafik Schami schätze sind seine Reflexionen über das Erzählen, sein
Ideenreichtum, sein Humor und die Auswahl interkultureller Themen. Und auch mit
dem schmalen Band „Vom Zauber der Zunge“ bin ich wieder voll auf meine Kosten
gekommen. Darin enthalten sind vier Reden, die der Autor im Rahmen von
Preisverleihungen gehalten hat (München 1985, Stuttgart 1986, Hameln 1990,
Wetzlar 1990).
In
der ersten Rede beschreibt der Autor immer wieder die Hindernisse, die ihn vom
Schreiben des Textes abgehalten haben. Sehr amüsant! Interessant fand ich v.a.
seinen Verweis auf das Genre der „Gastarbeiterliteratur“ („…die Welt wäre viel
ärmer, wenn sie nur noch aus Deutschen und Nichtdeutschen bestehen würde. Wir
sind viel lebendiger und stolzer, als daß wir durch die Negation der Deutschen
definiert werden. […] Sie ist weder Exil- noch Arbeiterliteratur, weder den
Themen noch der Form nach. Die Deutschen müssen mit und von uns lernen, daß es
genau wie die englisch- und französischsprachige auch eine deutschsprachige
Literatur von Fremden gibt, eine solche Definition trägt unserer Autonomie
Rechnung“). Der Text endet schließlich mit einem Märchen, das den Titel „Der
Wald und das Streichholz“ trägt.
In
der zweiten Rede lernen wir den redegewandten, talentierten Erzähler Onkel Salim
kennen. Eine Fee eröffnet ihm, dass er nur noch 21 Wörter zur Verfügung hat,
bevor er endgültig verstummt. Sein Umfeld bemüht sich anschließend nach Kräften
darum, sieben richtige Geschenke zu machen, um ihm seine Erzählkraft zurückzugeben.
Gleichzeitig werden interessante Überlegungen zur Kunst des Erzählens eingeflochten.
Die Rede selbst kann als Beispiel für gelungenes Erzählen dienen.
In
der dritten Rede gefiel mir die Passage am besten, in der Schami über die
Hürden des Erlernens der deutschen Sprache sinniert und auch Vergleiche zu
seiner Heimatsprache anstellt (mehr davon!). Dafür findet er auch amüsante
sprachliche Bilder. Für mich die lesenswerteste Rede im ganzen Buch.
In
der vierten Rede erweckt der Erzähler eine von ihm erschaffene Figur zum Leben
und hält mit ihr ein Zwiegespräch. Der Text ist autofiktional. Ein schönes
Zeugnis von Kreativität und Fantasie und gleichzeitig eine Anregung für
Autoren, mit den eigenen Charakteren übungsweise in den Dialog zu treten.
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