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Donnerstag, 9. Juni 2022

Faber, Henri - Ausweglos


4 von 5 Sternen


Nicht so gut wie „Kaltherz“

Nachdem ich den Thriller „Kaltherz“ von Henri Faber gelesen habe und sehr begeistert war (vgl. eine frühere Rezension), wollte ich auch sein Debut lesen, in der Hoffnung, dass auch „Ausweglos“ ein solch grandioser Thriller ist wie „Kaltherz“. Doch ist er das? In meinen Augen leider nicht ganz. Ich will gerne erklären, warum.

 

Hohe Spannungsintensität

Anders als in „Kaltherz“ empfand ich die Sogwirkung beim Lesen als nicht ganz so intensiv. So nimmt die Darstellung der Beziehung zwischen Linda und Noah doch viel Raum ein, was sich in meinen Augen negativ auf die Spannung ausgewirkt hat. Ich wollte vielmehr über den Mörder erfahren, weniger über das problematische Beziehungsleben der beiden. Allerdings schafft es Faber ähnlich wie bei „Kaltherz“ im Laufe der Handlung die Spannungsintensität zu steigern.

 

Unerwartete Wendungen und ein schlüssiges Ende

Was Wendungen und die schlüssige Auflösung am Ende betrifft, ist der Autor auf jeden Fall kaum zu toppen. Hier offenbar sich das besondere Talent von Henri Faber. Er schafft es immer wieder, den Leser/ die Leserin zu überraschen und unvorhersehbare Wendungen zu konstruieren, und das gleich mehrfach. Das ist beachtlich! Und was ich in „Ausweglos“ innovativ finde, weil ich es in der Form so noch nicht gelesen habe: Es gibt zwei Enden. Allerdings hat mich das zweite Ende mehr begeistert und überzeugt als das erste. Beim ersten Ende fand ich sowohl das Motiv als auch die Darstellung des psychischen Zustands und der Medikation etwas unrealistisch. Allerdings wird die Gefühlswelt des Lesers/ der Leserin beim Lesen nicht ganz so auf den Kopf gestellt wie bei „Kaltherz“.

 

Facettenreich gestaltete Figuren

Wie schon in „Kaltherz“ werden auch in „Ausweglos“ interessante und facettenreich gestaltete Figuren entworfen, z.B. Noah und Linda, ein Paar mit unerfülltem Kinderwunsch. Allerdings kann das Debut hier in meinen Augen keinesfalls mit „Kaltherz“ mithalten. Hier erkennt man klar, dass sich der Autor in seinem zweiten Werk weiterentwickelt hat. Denn eine Sache ist mir schon etwas negativ aufgefallen: Die Charaktere wirken oft überzeichnet und nicht so „lebensecht“. Das gilt vor allem für Elias Blom und seine Polizeikollegen, die innerhalb ihrer Abteilung regelrechte „Hahnenkämpfe“ ausfechten, das erschien mir doch teilweise stark übertrieben. Auch ist Kommissar Elias Blom längst kein so charismatischer und außergewöhnlicher Ermittler mit Kommissarin Kim Lansky. Eine auffällige Parallele zwischen beiden ist aber, dass sie im zwischenmenschlichen Umgang so ihre Probleme haben.

 

Dynamische erzählerische und sprachliche Gestaltung

Auch „Ausweglos“ punktet mit einer geschickt arrangierten mehrperspektivischen Gestaltung, so wie schon „Kaltherz“. Außer der Perspektive von Noah, Linda und Kommissar Elias Blom wird uns auch der Blickwinkel des Ringfingermörders dargeboten. Die Gedankenwelt des Mörders kennenzulernen, ist dabei äußerst verstörend und abschreckend. Die Perspektiven wechseln einander ab.

Auch greift der Autor schon hier auf ein ähnliches erzählerisches „Handwerkszeug“ zurück, um dem Geschilderten in hohes Tempo und eine gute Dynamik zu verleihen: kurze Kapitel und Cliffhanger.

Was die sprachliche Gestaltung betrifft, ist mir ein ganz klarer Unterschied zu „Kaltherz“ aufgefallen. Während der Autor in seinem zweiten Werk seinen gelungenen dynamischen Schreibstil wohldosiert einsetzt, um Spannung zu steigern, greift er in seinem ersten Werk permanent auf diesen Stil zurück und übertreibt es damit ein wenig. Ja, es strengt sogar ein wenig an. Als Leser war ich von der stetig anhaltenden Dynamik überfordert. Immer wieder ein dicht gestaffelter Satzbau, bestehend aus Aufzählungen, Komparationen, Parataxen, asyndetische Reihungen, knappen, abgehackten Sätze und Parallelismen. Ich konnte kaum Durchatmen beim Lesen. Man merkt einfach, wie an fast jeder Zeile gefeilt wurde. Das ist eigentlich auch beachtlich und es ist toll, dass Faber damit einen Stil erschafft, der durchaus Wiedererkennungswert hat. Aber diese sprachlichen Mittel zur Dramatisierung sollten nicht dauerhaft zum Einsatz kommen, sondern nur punktuell. Sonst wirkt die Sprache einfach „künstlerisch überformt“.

 

Wie fällt der Vergleich zwischen „Kaltherz“ und „Ausweglos“ nun aus? In meinen Augen ist „Kaltherz“ klar besser, der Autor hat sich weiterentwickelt, das spürt man. Die Sprache ist nicht so überformt, die Charaktere sind nicht so überzeichnet. Die Spannungsintensität ist höher. Trotzdem ist auch „Ausweglos“ ein sehr guter Thriller, aber von mir bekommt er eben „nur“ vier Sterne.

 

Fazit

Ein Thriller, der vor allem durch zahlreiche unerwartete Wendungen und ein schlüssiges Ende besticht. Lesenswert, aber nicht so gut wie „Kaltherz“. 4 Sterne!

 

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