Nicht so gut wie „Kaltherz“
Nachdem
ich den Thriller „Kaltherz“ von Henri Faber gelesen habe und sehr begeistert
war (vgl. eine frühere Rezension), wollte ich auch sein Debut lesen, in der
Hoffnung, dass auch „Ausweglos“ ein solch grandioser Thriller ist wie
„Kaltherz“. Doch ist er das? In meinen Augen leider nicht ganz. Ich will gerne
erklären, warum.
Hohe
Spannungsintensität
Anders
als in „Kaltherz“ empfand ich die Sogwirkung beim Lesen als nicht ganz so
intensiv. So nimmt die Darstellung der Beziehung zwischen Linda und Noah doch
viel Raum ein, was sich in meinen Augen negativ auf die Spannung ausgewirkt
hat. Ich wollte vielmehr über den Mörder erfahren, weniger über das
problematische Beziehungsleben der beiden. Allerdings schafft es Faber ähnlich
wie bei „Kaltherz“ im Laufe der Handlung die Spannungsintensität zu steigern.
Unerwartete
Wendungen und ein schlüssiges Ende
Was
Wendungen und die schlüssige Auflösung am Ende betrifft, ist der Autor auf
jeden Fall kaum zu toppen. Hier offenbar sich das besondere Talent von Henri
Faber. Er schafft es immer wieder, den Leser/ die Leserin zu überraschen und
unvorhersehbare Wendungen zu konstruieren, und das gleich mehrfach. Das ist
beachtlich! Und was ich in „Ausweglos“ innovativ finde, weil ich es in der Form
so noch nicht gelesen habe: Es gibt zwei Enden. Allerdings hat mich das zweite
Ende mehr begeistert und überzeugt als das erste. Beim ersten Ende fand ich sowohl
das Motiv als auch die Darstellung des psychischen Zustands und der Medikation
etwas unrealistisch. Allerdings wird die Gefühlswelt des Lesers/ der Leserin
beim Lesen nicht ganz so auf den Kopf gestellt wie bei „Kaltherz“.
Facettenreich
gestaltete Figuren
Wie
schon in „Kaltherz“ werden auch in „Ausweglos“ interessante und facettenreich
gestaltete Figuren entworfen, z.B. Noah und Linda, ein Paar mit unerfülltem
Kinderwunsch. Allerdings kann das Debut hier in meinen Augen keinesfalls mit „Kaltherz“
mithalten. Hier erkennt man klar, dass sich der Autor in seinem zweiten Werk
weiterentwickelt hat. Denn eine Sache ist mir schon etwas negativ aufgefallen:
Die Charaktere wirken oft überzeichnet und nicht so „lebensecht“. Das gilt vor
allem für Elias Blom und seine Polizeikollegen, die innerhalb ihrer Abteilung
regelrechte „Hahnenkämpfe“ ausfechten, das erschien mir doch teilweise stark
übertrieben. Auch ist Kommissar Elias Blom längst kein so charismatischer und
außergewöhnlicher Ermittler mit Kommissarin Kim Lansky. Eine auffällige
Parallele zwischen beiden ist aber, dass sie im zwischenmenschlichen Umgang so
ihre Probleme haben.
Dynamische
erzählerische und sprachliche Gestaltung
Auch
„Ausweglos“ punktet mit einer geschickt arrangierten mehrperspektivischen
Gestaltung, so wie schon „Kaltherz“. Außer der Perspektive von Noah, Linda und
Kommissar Elias Blom wird uns auch der Blickwinkel des Ringfingermörders
dargeboten. Die Gedankenwelt des Mörders kennenzulernen, ist dabei äußerst
verstörend und abschreckend. Die Perspektiven wechseln einander ab.
Auch
greift der Autor schon hier auf ein ähnliches erzählerisches „Handwerkszeug“
zurück, um dem Geschilderten in hohes Tempo und eine gute Dynamik zu verleihen:
kurze Kapitel und Cliffhanger.
Was
die sprachliche Gestaltung betrifft, ist mir ein ganz klarer Unterschied zu „Kaltherz“
aufgefallen. Während der Autor in seinem zweiten Werk seinen gelungenen
dynamischen Schreibstil wohldosiert einsetzt, um Spannung zu steigern, greift
er in seinem ersten Werk permanent auf diesen Stil zurück und übertreibt es
damit ein wenig. Ja, es strengt sogar ein wenig an. Als Leser war ich von der
stetig anhaltenden Dynamik überfordert. Immer wieder ein dicht gestaffelter
Satzbau, bestehend aus Aufzählungen, Komparationen, Parataxen, asyndetische
Reihungen, knappen, abgehackten Sätze und Parallelismen. Ich konnte kaum
Durchatmen beim Lesen. Man merkt einfach, wie an fast jeder Zeile gefeilt
wurde. Das ist eigentlich auch beachtlich und es ist toll, dass Faber damit
einen Stil erschafft, der durchaus Wiedererkennungswert hat. Aber diese
sprachlichen Mittel zur Dramatisierung sollten nicht dauerhaft zum Einsatz
kommen, sondern nur punktuell. Sonst wirkt die Sprache einfach „künstlerisch
überformt“.
Wie
fällt der Vergleich zwischen „Kaltherz“ und „Ausweglos“ nun aus? In meinen
Augen ist „Kaltherz“ klar besser, der Autor hat sich weiterentwickelt, das spürt
man. Die Sprache ist nicht so überformt, die Charaktere sind nicht so
überzeichnet. Die Spannungsintensität ist höher. Trotzdem ist auch „Ausweglos“
ein sehr guter Thriller, aber von mir bekommt er eben „nur“ vier Sterne.
Fazit:
Ein Thriller, der vor allem durch zahlreiche unerwartete Wendungen und ein
schlüssiges Ende besticht. Lesenswert, aber nicht so gut wie „Kaltherz“. 4
Sterne!
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