Krimi in exotischer Umgebung
Der
überaus intelligente Michael „Digger“ Digson, ausgestattet mit einer sehr guten
Auffassungs- und Beobachtungsgabe, wird eines Tages Zeuge eines Mordes auf
offener Straße. Bei den polizeilichen Ermittlungen kann er die Täter
identifizieren und wird dann von Detective Superintendant Chilman für den
Polizeidienst angeworben. Chilman steht kurz vor dem Ruhestand und ist eine
interessant gestaltete Figur eines Vorgesetzten. Es wird deutlich, dass ihn ein
alter Fall nicht loslässt. Für Digger wird er eine Art Mentor und Förderer. Er
bewegt ihn dazu, sich in England zum Forensiker ausbilden zu lassen. Nachdem
Chilman sich in den Ruhestand verabschiedet, bildet Digger dann mit Chilmans
Tochter, Miss Stanislaus, ein gut eingespieltes und charismatisches
Ermittlerduo, das weiter daran arbeitet, den Fall abzuschließen, der Chilman
seit Jahren umtreibt.
Als
gelungen habe ich die atmosphärische Beschreibung der Karibikinsel Camaho
empfunden. Beim Lesen entsteht ein besonderes Flair, das sich wohltuend von
deutschen oder auch skandinavischen Schauplätzen abhebt. Unterstützt wird die
exotische, karibische Atmosphäre durch eine besondere Form der
Sprachgestaltung: Die Figuren lassen bei Wörtern häufiger einmal die
Endkonsonanten aus oder es kommt zu Kontraktionen von zwei Wörtern. Vermutlich
soll auf diese Weise der besondere Sprachstil auf der Insel im Deutschen
nachgeahmt werden. Auf mich hat diese Form des Sprechens lässig gewirkt. Mich
würde tatsächlich interessieren, wie die Figuren im Original „The bone readers“
sprechen. Eine Anmerkung des Übersetzers Thomas Wörtche im Nachwort hätte ich
mich durchaus interessiert.
Was
ich ebenfalls als positiv empfunden habe, ist der Umstand, dass die
Polizeiarbeit mitsamt der dazugehörigen Konkurrenzkämpfe und schwierigen
Hierarchien beleuchtet wird. Zwischen Digger und dem neuen Vorgesetzten Malan
kommt es zu Auseinandersetzungen, der Umgangston ist teils rüde. Die Chemie
zwischen beiden stimmt nicht. Malan stört sich vor allem daran, dass Chilman
auch aus seinem Ruhestand heraus noch Einfluss auf die Ermittlungsarbeit nehmen
will. Diese Darstellung von „Mikropolitik“ innerhalb der Polizeibehörde fand
ich reizvoll.
Den
Fall selbst finde ich hingegen stellenweise etwas verworren dargelegt. Ich konnte
nicht immer gut folgen. Er spielt auch über viele Seiten nur am Rande eine
Rolle, er rückt erst am Ende wieder mehr in den Fokus. Die Beschreibung der zwischenmenschlichen
Beziehungen stand nach meinem Gefühl viel mehr im Zentrum als der Fall selbst. Das
fand ich ungewöhnlich. Auch hat mich der Fall nicht so richtig mitgerissen. Was
mich auch gestört hat: Die spezielle Fähigkeit des Knochenlesens, immerhin der
Titel des Buchs, kam für mich viel zu selten zum Einsatz. Das besondere Talent,
das Digger erlernt hat, wird erzählerisch kaum genutzt. Da hätte ich mehr
erwartet. Auch die vielen Frauengeschichten von Michael Digson, die viel Raum
einnehmen, haben mich nicht sonderlich interessiert.
Fazit:
Ein Kriminalroman mit einem interessanten, charismatischen Ermittlerduo, einer exotischen Karibikatmosphäre und einer innovativen Sprachgestaltung, in dem vor allem die „Mikropolitik“ in der Polizeibehörde reizvoll gestaltet worden ist. Der Fall selbst hat mich nicht so mitgerissen, er wird auch etwas verworren dargelegt. Der Titel weckt zudem eine falsche Erwartungshaltung. Insgesamt solide und 3 Sterne. Für solche Leser, die einmal an einem exotischen Schauplatz interessiert sind.
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