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Freitag, 30. Mai 2025

Faber, Henri - Locked In


Guter Beginn, am Ende zu unübersichtlich



Ein namenloser Entführer hat drei Menschen verschwinden lassen und die zwei Polizisten Paul Maertens und Stefanie Krüger sind ihm zu Beginn des Buchs dicht auf den Fersen. Das Tempo ist hoch, die Sätze kurz, der Einstieg dynamisch. Ellipsen, Interjektionen und Parallelismen sowie Aufzählungen prasseln auf die Leser ein. Kurzum: Fabers Sprache hat Wiedererkennungswert (welche Autoren haben das schon?).


Beim Zugriff wird der Entführer schwer verwundet und trägt eine Kopfverletzung davon. Er überlebt mit schweren Hirnschäden und muss sein Dasein fortan als Locked-In-Patient fristen, der in seinem eigenen Körper gefangen ist. Gelähmt, aber bei vollem Bewusstsein. Und die Entführungsopfer bleiben verschollen…


Eingeschoben werden auch Kapitel aus der Sicht eines Opfers, das sich in einem Verlies befindet und orientierungs- und gedächtnislos ist. Ihm bleibt nicht viel Zeit und es muss ums Überleben kämpfen. Es versucht sich aus seiner ausweglosen Situation zu befreien und wächst dabei über sich hinaus. Die Schilderungen sind eindringlich. Die Zeit läuft und der physische und psychische Zustand des Gefangenen drohen sich zu verschlechtern. Doch anfangs erscheint uns das Opfer noch kräftig und willensstark. Doch bleibt das so?


Eine weitere Perspektive kommt dem Neurowissenschaftler Prof. Dr. Theo Linde zu, der ein Gerät entwickelt hat, mit dem sog. Locked-In-Patienten kommunizieren können. Es misst die Hirnströme und kann Ja- und Nein-Antworten ermitteln. Diese Erfindung soll der Polizei dabei helfen, mit dem überlebenden Entführer zu kommunizieren, damit dieser Auskunft über seine Verbrechen geben kann. Doch warum sollte er die an ihn gerichteten Fragen korrekt beantworten? Welches Interesse sollte der Entführer daran haben, zu helfen?


Die gewählten Ich-Perspektiven erzeugen Unmittelbarkeit. Wir sind als Leser nah dran am Geschehen. Die Schreibweise zeichnet sich durch Kreativität und Ideenreichtum aus. Und der Umstand, dass ein entführtes Opfer gefangen ist und der Entführer gleichzeitig verhört werden soll, erzeugt Zeitdruck. Auch das ist gelungen. Die Ermittlungen werden dynamisch und ereignisreich vorangetrieben. Es wird an vielen Stellschrauben gedreht, um Spannung zu erzeugen. Es kommt keine Langeweile auf. Prima!


Weiterhin finde ich interessant, dass der Inhalt des Thrillers einen realen Hintergrund hat. Locked-In-Patienten gibt es tatsächlich und auch ein Gerät zur Kommunikation mit solchen Patienten existiert in Wirklichkeit (obwohl es für mich anfangs eher nach Raumschiff Enterprise klang). Dass es sich nicht um eine reine Fiktion handelt, wertet den Inhalt in meinen Augen noch einmal zusätzlich auf. Ich mag es, wenn ich noch etwas dazulernen kann. Und an einer Stelle erhält das Geschehen durchaus auch Tiefgang. So wird die Frage nach Sterbehilfe thematisiert (allerdings nur knapp).


Allerdings habe ich bei diesem neuen Thriller auch etwas zu meckern. Mit zunehmendem Handlungsverlauf wird die Handlung für mich zunehmend unübersichtlich. Die Ereignisse und Wendungen überschlagen sich. Mir war das zu viel. Es war mir zu hektisch. Ich habe auch nicht immer verstanden, wie eins zum anderen kommt. Einiges war mir dann auch mal zu abgedreht, das muss ich ehrlich zugeben. Schade, schade! Die beiden Vorgänger gefielen mir insgesamt besser.

Donnerstag, 22. Mai 2025

Pätzold, Oliver - Die Helios-Apokalypse


Kampf ums Überleben



Was wäre, wenn die Erde von heftigen Sonnenstürmen heimgesucht würde, die massive Auswirkungen auf das Leben der Menschen hätten und zu einer Katastrophe führten? Zunächst werden Kommunikationssysteme und Stromanlagen gestört, dann kommt der Flugverkehr zum Erliegen und es folgen starke Hitzewellen in Osteuropa, die sich nach und nach ausbreiten. Das alles erleben wir am Beispiel einer Familie, die gerade Urlaub in Österreich macht.






Das Katastrophenszenario wird zunehmend bedrohlicher und nimmt einen schrecklichen Verlauf. Mia muss mit ihren Eltern in ein nahegelegenes Bergwerk flüchten, um sich vor den massiven Auswirkungen der Sonnenwinde zu retten. Dort treffen sie auf andere Menschen, die die gleiche Idee hatten. Und was die Spannung anheizt, ist der Umstand, dass keiner weiß, wie lange das Phänomen anhalten und wie heftig es noch ausfallen wird.




Auch fragt man sich, was außerhalb des Bergwerks vor sich geht, während die wenigen Überlebenden in ihrem Schutzraum ausharren. Die Ressourcen sind begrenzt, was den Druck erhöht und die Situation noch einmal zusätzlich verschärft. Wie lange müssen Mia und die anderen durchhalten? Werden sie überleben? Und wenn ja, wie? Das sind zentrale Fragen, die man sich stellt. Und die Spannung zieht noch einmal deutlich an, als die Gruppe entscheiden muss, ob sie das schützende Bergwerk verlässt oder eben nicht. Was werden sie draußen vorfinden?




Es wird gut deutlich, welche psychischen und physischen Auswirkungen die Katastrophe auf die wenigen Überlebenden im Bergwerk hat. Die Nerven liegen blank. Es kommt zu Reibereien und Rivalitäten. Der Verlust von Menschlichkeit wird thematisiert. Aber auch der Überlebenswille, die Hilfsbereitschaft und der Zusammenhalt der Gruppe kommen gut zum Ausdruck. Kurzum: Die zwischenmenschliche Dynamik wird nach meinem Empfinden gut eingefangen. Es zeigt sich spürbar, wie sehr Menschen in Notsituationen in der Lage sind, Leid auszuhalten und sich an widrige Bedingungen anzupassen. Das alles hat mich absolut überzeugt.




Die Schilderungen der Katastrophe sind eindringlich und fesselnd. Die Überlebenden schwanken zwischen den Gefühlen Hoffnung und Angst. Und sie müssen unter Tage stets neue Herausforderungen bewältigen. Sie planen nur noch von Tag zu Tag. Der Hunger ist allgegenwärtig. Die niedrigen Temperaturen in der Höhle zehren an den Kräften. Einfache Krankheiten können schnell lebensgefährlich werden, weil es an einer entsprechenden medizinischen Versorgung fehlt.




Die Spannungskurve ist sehr gut und packend gestaltet worden. Ich habe das Schicksal der Überlebenden durchweg mit Anspannung begleitet und mich gefragt, was aus ihnen wird. Auffällig ist, dass man nicht alle neun Personen, die sich im Bergwerk aufhalten, gleich gut kennen lernt. Einige Figuren rücken in den Vordergrund (was gut ist!). Mit ihnen fiebert man aus diesem Grund auch mehr mit. Das Schicksal von Mia hat mich noch am meisten berührt.




An einigen Stellen sind Zeitsprünge eingebaut worden, was ich sehr gelungen finde. So stagniert die Handlung nicht zu sehr und man begleitet die Gruppe auf diese Weise über einen längeren Zeitraum. Der Thriller wird geradlinig erzählt und verzichtet (mit Ausnahme des Beginns) auf Perspektivwechsel. Schade! Denn durch wechselnde Blickwinkel hätten auch noch weitere Aspekte oder Hintergründe der Katastrophe in den Blick gerückt werden können. Der Blick auf das Geschehen wäre dann etwas weiter gewesen. Ein paar mehr Informationen zum Inferno hätte ich gerne noch erfahren.




Abschließen möchte ich meine Rezension mit der Bemerkung, dass die dargestellte Katastrophe in der beschriebenen Form nicht eintreten kann (das ergab meine Recherche). Das sollte man sich bewusst machen. Das Magnetfeld und die Atmosphäre schützen die Erde vor den Auswirkungen von Sonnenwinden. Starke Eruptionen können höchstens einmal dazu führen, dass es zu elektromagnetischen Störungen kommt, die sich auf Strom- und Kommunikationsnetze negativ auswirken können.

Montag, 19. Mai 2025

Clark, Julie - Die unsichtbare Hand


Familiengeheimnisse



Im Alter von 10 Jahren wird die Ich-Erzählerin (Olivia) von Klassenkameraden darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Vater (Vincent), ein berühmter Schriftsteller, ein Mörder sein soll. Er soll seine eigenen Geschwister Danny und Poppy im Jahr 1975 ermordet haben, so die Gerüchte. Grund für diese Verdächtigungen ist, dass er als einziger die Nacht des Mords überlebt hat. Doch er selbst streitet sein ganzes Leben ab, etwas damit zu tun gehabt zu haben. Nichtsdestotrotz lasten die Anschuldigungen gegen ihren Vater schwer auf Olivia. Und gleichzeitig beginnt sie damals erstmals an ihrem eigenen Vater zu zweifeln. Später bricht sie den Kontakt zu ihm gänzlich ab.


Nach 30 Jahren der Funkstille erhält Olivia, die inzwischen als Ghostwriterin arbeitet und aufgrund eines Skandals in schwieriges berufliches „Fahrwasser“ geraten ist, von ihrem Vater unerwartet den Auftrag, für ihn seine Memoiren zu schreiben und das vorhandene Manuskript druckreif zu überarbeiten. Grund dafür ist eine schwere Erkrankung, die seine Schreibfähigkeit beeinträchtigt. Er leidet an der sog. Lewy-Körper-Demenz. Und aus finanziellen Erwägungen heraus beschließt sie die Offerte anzunehmen und tritt wieder mit ihm in Kontakt. Vor ihrem Umfeld aber verschweigt Olivia, dass es sich bei ihrem neuen Auftraggeber um ihren eigenen Vater handelt.


Als Olivia in ihre alte Heimat zurückkehrt, wird sie mit Erinnerungen an ihre Kindheit konfrontiert. Diese verlief alles andere als glücklich. Ihr Vater war aufgrund des Verlusts seiner Geschwister ein gebrochener Mann und schwer traumatisiert. Er flüchtete sich in Alkohol und Drogen. Olivias Mutter verließ die Familie früh und ließ ihre Tochter allein mit ihrem Vater zurück. Als sie wieder aufeinandertreffen, liegt Spannung in der Luft. Sie einigen sich schließlich darauf, die Zusammenarbeit für eine Woche zu testen, bevor sie gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht. Für ihren Vater wird das Schreiben seiner Memoiren zu einer Form der Konfrontationstherapie. Er will die Zeit vor dem Doppelmord beleuchten und davon berichten. Er will sein jahrelanges Schweigen brechen und Stellung zu den Anschuldigungen nehmen, die immer wieder gegen ihn vorgebracht wurden. Und Olivia ist neugierig, mehr über die Vergangenheit zu erfahren. Wir tauchen ein in das Jahr 1975 und die zentrale Frage, die man sich während der Lektüre stellt, lautet: Was hat sich damals wirklich zugetragen?


Beim Lesen wird deutlich, dass die Krankheit des Vaters gut zum Ausdruck kommt und die Symptomatik nachvollziehbar beschrieben wird. Problematisch bei ihm ist z.B. der Umstand, dass sich Wahnvorstellungen und reale Erinnerungen vermischen können. Es stellt sich also die Frage, wie zuverlässig die Aussagen von Vincent überhaupt sind. Auch der Arbeitsprozess von Olivia, aus dem unfertigen Manuskript und den Erzählungen des Vaters sowie eigener Recherchearbeit ein in sich kohärentes Buch zu formen, wird interessant geschildert. Sie muss zahlreiche Hürden bewältigen. Dabei steht auch ihr Ruf als Ghostwriterin auf dem Spiel (vom Verlag und von Konkurrenten erhält sie Gegenwind). Auch die Charakteristik und die Beziehungskonstellationen der Figuren kommt sehr gut zum Ausdruck und ist differenziert angelegt. Dafür sorgen auch eingeschobene Kapitel mit Rückblicken in das Jahr 1975 aus der Ich-Perspektive von Vincent und dessen Schwester Poppy. Das größte Manko ist in meinen Augen aber die Spannungsarmut: Die Spannung baut sich langsam auf und der Spannungsbogen ist nur schwach spürbar. Das Tempo ist nicht allzu hoch. Für mich entstanden zu wenig Fragen, die ich beantwortet wissen wollte. Meine Neugier wurde wenig „angestachelt“. Alles dreht sich in erster Linie um die Rekonstruktion des Familiengeheimnisses von 1975. Aber richtig miträtseln konnte man dabei auch nicht. Schade!


Insgesamt fand ich das Buch, wie schon gesagt, nicht sehr packend (weder zu Beginn, noch im Mittelteil oder am Schluss). Es kann in meinen Augen bei Weitem nicht mit den ersten beiden Werken mithalten („Der Plan“ und „Der Tausch“). Thematisch entfernt es sich auch deutlich von diesen beiden ersten Büchern. Es geht nun weniger um starke Frauenfiguren, die sich gegen toxische Männlichkeit zur Wehr setzen. Die Autorin probiert mal etwas anderes und öffnet sich damit einem breiteren Lesepublikum (was ja gut ist!). Der Schreibstil bzw. die Übersetzung ist trotz der Spannungsarmut aber sehr angenehm und „Die unsichtbare Hand“ liest sich flüssig. Man bleibt an den Zeilen haften.  Man wird nur leider nicht mitgerissen. Deshalb ist es für mich auch nur ein durchschnittlicher Spannungsroman (als Thriller kann man das Buch nicht bezeichnen). Von mir gibt es dafür 3 Sterne.


Donnerstag, 15. Mai 2025

Strobel, Arno - Das Wesen


Bernd Menkhoff und die Schatten der Vergangenheit

 



Ein anonymer Hinweis führt dazu, dass Kommissar Menkhoff und sein Partner Seifert (aus dessen Sicht erzählt wird) nach einem vermissten Mädchen suchen. An der Adresse, zu der sie vom unbekannten Anrufer gelotst wurden, stoßen sie auf einen alten Bekannten: den Psychiater Dr. Joachim Lichner. Bei dem vermissten Mädchen soll es sich um dessen eigene Tochter handeln. Doch Lichner streitet ab, überhaupt eine Tochter zu haben. Er behauptet, man wolle ihm etwas anhängen, so wie schon vor einigen Jahren. Dazu muss man wissen, dass der Psychiater früher bereits in einem Indizienprozess wegen eines Mords an einem vierjährigen Kind (Juliane) zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde und erst seit zwei Jahren wieder auf freiem Fuß ist. Von diesem Fall (Seiferts erster Mordfall überhaupt) wird in Rückblicken erzählt. Erzählt wird also auf zwei Zeitebenen. Die Schilderungen zum Mordfall von 1994 und die auf der Gegenwartsebene wechseln einander stetig ab.

 

Kommissar Menkhoff dürfte dem ein oder anderen aus der Mörderfinder-Reihe bekannt sein (vgl. dazu frühere Rezensionen). Dort ist er ein wichtiger Ansprechpartner von Max Bischoff. Beide verbindet eine gemeinsame Vergangenheit beim KK11 in Düsseldorf. In diesem vorliegenden Thriller wird Menkhoff als hitzköpfig und aufbrausend beschrieben. Es fällt ihm nicht leicht, einen kühlen Kopf und professionelle Distanz zu bewahren. Seine Gefühle kochen schnell hoch. Seifert hingegen ist das genaue Gegenteil. Er bleibt ruhig und betrachtet das Geschehen kühl-distanziert. Gleichzeitig ist Menkhoff der Erfahrenere von beiden, der oft nach intuitivem Bauchgefühl handelt. Die Partner gehen in der Sache hart, aber herzlich miteinander um, geigen sich auch mal gegenseitig die Meinung. V.a. bei den Ermittlungen zum Fall von 1994 werden Meinungsverschiedenheiten zwischen Menkhoff und seinem Partner Seifert deutlich. Das hat mir gut gefallen. Dr. Lichner fordert die beiden bei ihren Ermittlungen heraus und provoziert sie. Er verhält sich bei den Befragungen herablassend und arrogant. Auf diese Weise treibt er Menkhoff oft genug zur Weißglut. Zwischen beiden entspinnt sich ein Psychoduell. Das ist gut arrangiert. Dabei wird auch sehr gut deutlich, dass Menkhoff dem Psychiater nicht unvoreingenommen begegnet. Für ihn ist Lichner ganz klar schuldig und er sucht mit Nachdruck nach den passenden Beweisen, um ihn zu überführen. Als Leser hatte ich oft das Gefühl, dass Menkhoff in seinen Urteilen oft zu vorschnell ist.

 

Insgesamt ist dieser Fall spannend konstruiert worden. Man fragt sich fortlaufend, ob Dr. Lichner nicht vielleicht doch die Wahrheit sagt und jemand ihm etwas anhängen möchte.  Die Handlung ist durchdacht und der Thriller hat mich von Anfang bis Ende bei der Lektüre gefesselt. Viel Raum nimmt die Vernehmung von Zeugen ein. Doch diese Passagen sind nie langatmig, sondern äußerst abwechslungsreich und interessant gestaltet worden. Es kommen auch immer wieder neue Erkenntnisse ans Tageslicht. Auch die Dynamik zwischen den Figuren ist geschickt angelegt. Und die Unzuverlässigkeit von Aussagen kommt gut zum Ausdruck. Nur an einer einzigen Stelle bin ich etwas stutzig geworden. Da waren mir Verhaltensweisen auch mal zu wenig nachvollziehbar und nicht glaubwürdig genug. Auch das Ende war mir teils etwas zu stark konstruiert. Aus diesem Grund kann ich keine 5 Sterne geben. Ansonsten hat mich das Buch aber sehr gut unterhalten und ist auf jeden Fall eine Lektüre wert.

Montag, 12. Mai 2025

Weßling, Bernhard - Was für ein Zufall! (2. Auflage)


Entropie und Nachhaltigkeit

 


2022 lernte ich den Unternehmer, Kranichforscher und promovierten Chemiker Bernhard Weßling im Rahmen eines freundlichen E-Mail-Kontakts kennen und habe bald darauf sein lesenswertes Buch „Was für ein Zufall!“ gelesen und rezensiert. Die Rezension zur 1. Auflage gibt es hier (später folgten auch noch Rezensionen zu seinen Büchern „Der Ruf der Kraniche“ und „Mein Sprung ins kalte Wasser“, vgl. dazu die Links).


Als Fazit hielt ich damals auch Kritisches fest: Der Autor legt hier ein Sachbuch vor, in dem er sich den großen menschlichen Fragen widmet. Er argumentiert aus der Sicht eines Thermodynamikers und stützt sich dabei auf die Theorie von Ilya Prigogine, der 1977 den Nobelpreis für seine Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik erhielt. Weßling liefert viele Denkanstöße. Der Schreibstil ist lebendig, zugewandt und weitestgehend anschaulich und verständlich. Dennoch ist Mitdenken bei der Lektüre gefragt und Wissen zum Fachgebiet der Chemie ist sicherlich verständnisförderlich. Mich persönlich hat die Lektüre bereichert, ich konnte einiges neu dazulernen. Für mich hätte der Autor nur noch etwas stärker herausstellen können, welche Vorteile seine Betrachtungsweise der Beschaffenheit der Welt hat. Nicht immer war mir der inhaltliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Kapiteln deutlich genug ausformuliert. Das Ziel der gedanklichen Reise war mir nicht immer klar.


Nun hat Weßling das Buch aktualisiert, mit zwei neuen Kapiteln versehen und nochmals neu aufgelegt. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, ob meine Kritikpunkte von 2022 nun Berücksichtigung finden. Und ich kann sagen, dass der Autor dieses Mal sehr nachvollziehbar verdeutlicht, worum es ihm geht. Das geht schon aus seinem Vorwort zur 2. Auflage hervor. Er betont noch einmal ganz deutlich, dass der Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik mehr Beachtung geschenkt werden sollte. Nicht nur die Quanten- und die Relativitätstheorie sollten in den Lehrplänen von Schulen und Universitäten eine Rolle spielen. Und die Entropie ist für Weßling die zentrale Größe, um die es geht. Sie spielt im alltäglichen Leben ebenso eine Rolle wie in der Evolution, in der Ökologie und in der Kosmologie. Und in den beiden neuen Kapiteln (Kapitel 7 und 8) möchte er v.a. den Begriff der Nachhaltigkeit mit der Entropie in Zusammenhang bringen. Dafür möchte er vor allem die technologischen Verfahren zur Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre und dessen Speicherung in tiefere Erdschichten genauer in den Blick nehmen. Und auf diese beiden Kapitel möchte ich mich im Rahmen dieser Rezension genauer fokussieren. 

 

Kapitel 7

Hier betrachtet Weßling zunächst das Phänomen von Krisen. Er widerspricht entschieden der Behauptung, dass wir heute in einer besonders krisenanfälligen Zeit leben, wie es häufig von Medien kolportiert wird. Die Wahrnehmung, dass man gegenwärtig in einer Art Zeitalter der Polykrise lebt, sei nicht zutreffend, so der Autor. So bestehe das menschliche Leben insgesamt aus einer großen Anzahl von Unwägbarkeiten und befinde sich ständig im Nicht-Gleichgewicht. Die Menschheitsgeschichte sei fortwährend von krisenhaften Zuständen geprägt und oft erst der Auslöser für bestimmte menschliche Entwicklungen gewesen. Mit vielen treffenden Beispielen widerlegt er die von der heutigen Medienwelt gezeichnete Zustandsbeschreibung der Polykrise, leitet danach zu einer Klärung des Begriffs „Krise“ über und zeigt schließlich auf, warum Ilya Prigogines Ansatz der Nicht-Gleichgewichts-Thermodynamik dabei hilft, unsere Welt besser zu verstehen. In diesem Zusammenhang erläutert er auch, was die Entropie dabei für eine Rolle spielt und möchte diese Größe als Kriterium für die Berechnung von Nachhaltigkeit etablieren.

Dafür stellt Weßling verschiedene Verfahren vor, mit denen man CO2 aus der Atmosphäre entziehen kann. Und er stellt kritisch fest, dass bei der Diskussion um diese Verfahren die Thermodynamik und die Entropie keine Rolle spielen, obwohl man mit Hilfe dieser beiden Ansätze berechnen kann, ob die Filterung von CO2 aus der Atmosphäre und dessen Endlagerung überhaupt nachhaltig ist. Der Autor stellt dafür selbst eigene Berechnungen an und hält abschließend kritisch fest: „Die gewaltige Erhöhung der Entropieproduktion zeigt an, dass die Kollateralschäden von DAC-Verfahren um ein Vielfaches größer sein werden als der erhoffte positive Effekt für das Klima. Das gilt auch für die häufig angeführte Beschränkung solcher Verfahren auf das Abfangen von CO2 aus industrieller Abluft (carbon capture and storage, CCS)“, S. 232-233. Und auch die Weiterverarbeitung von aus der Atmosphäre gewonnenem CO2 lohnt sich nach Ansicht des Autors nicht (auch dann nicht, wenn man grünen Wasserstoff für die Herstellung anderer Chemikalien verwendet). Kurzum: Nachhaltigkeit sieht anders aus! Weßling konstatiert: „Weder in Bezug auf Energie noch in Bezug auf Entropie ist die Entsorgung (Endlagerung) oder Nutzung von CO2 nachhaltig. DAC/CCS/CCU sind Verfahren, die auf keinen Fall praktiziert werden sollten“, S. 242. 

 

Kapitel 8

Doch was kann man stattdessen tun? Gibt es Alternativen zu den in Kapitel 7 genannten Verfahren? Es kann ja nicht die Lösung sein, nichts zu tun, um C02 aus der Atmosphäre herauszuziehen. Darauf gibt der Autor in diesem zweiten neuen Kapitel nun eine Antwort. Er schlägt eine naturnahe Lösung vor, bei der es Pflanzen, Pilzen und Mikroben mit Hilfe von Sonnenenergie selbst überlassen wird, das CO2 wieder umzuwandeln. Weßling schweben die Wiederherstellung und die Renaturierung von zerstörten und beschädigten Wäldern vor. Offene Mischwälder mit Beweidung seien nötig. Allein Bäume zu pflanzen, reiche nicht aus. V.a. die Böden müssten wieder dafür sorgen können, dass CO2 in ihnen gespeichert wird. Der Autor zieht einige Studien heran, die seine These stützen.

Auch ein Verzicht auf Dünger und Pestizide sei unerlässlich, um Kollateralschäden zu vermeiden. Die Landwirtschaft solle auf biologische Bewirtschaftung umgestellt werden (was sich natürlich auch auf den Fleischkonsum auswirkt). Auf diese Weise werde das CO2-Speicherpotential vergrößert und die Biodiversität wird gefördert. Die besten CO2 Speicher sind vor allem Moore: „Die Moore unseres Planeten können doppelt so viel CO2 speichern wie alle Wälder der Erde zusammen. Sämtliche unterschiedlichen Feuchtgebiete (Moore, Mangroven, Kelpwälder, Salzmarschen und Seegraswiesen) speichern 20% des gesamten globalen Kohlenstoffs, obwohl sie nur 1% der Erde umfassen“, S. 260.

Umso tragischer erscheint es, dass diese häufig zu landwirtschaftlichen Nutzflächen umgewandelt worden sind: „In Deutschland sind bzw. waren 4,2 % der Fläche von Mooren unterschiedlicher Art bedeckt, wovon 95% zerstört sind (…)“, S. 261. Weßling plädiert dafür, Feuchtgebiete wieder herzustellen und zu schützen. In diesem achten Kapitel wird nur allzu deutlich, dass der Autor ein Mann der Praxis ist (als Kranichforscher und Eigentümer eines biolandwirtschaftlichen Betriebs weiß er, wovon er spricht, und geht selbst mit gutem Beispiel voran), der seine vorgeschlagene Lösung auf „zupackende“ Art und Weise beschreibt.

 

Meine Meinung

Letztlich kann ich mir zu den meisten Inhalten der dargelegten neuen Kapitel keine Meinung bilden, da ich kein Experte auf diesem Gebiet bin. Lediglich zu der Diskussion um das Phänomen der Polykrise habe ich häufiger darüber nachgedacht, ob nicht v.a. auch die sozialen Medien dazu führen, dass wir Krisen heute stärker wahrnehmen. Wer ein Smartphone besitzt, wird rund um die Uhr mit neuen Nachrichten von Krisen auf der ganzen Welt versorgt. Doch was die Verfahren zur Filterung von C02 betrifft, so kenne ich mich damit nicht aus. Ich kenne auch die Formeln (vgl. beispielsweise S. 230) nicht, die Weßling zur Berechnung von Nachhaltigkeit verwendet hat. Ich kann seine rechnerische Darlegung nicht überprüfen (zumal sie für mich als Laie nicht sehr transparent dargelegt wird). Aus diesem Grund bin ich der Ansicht, dass sich diese Neuauflage und die beiden neuen Kapitel v.a. an Fachleute richten, weniger an Laien wie mich. Wenn der Autor aber Recht hat mit seinen kritischen Einwänden, so sollten seine Kritikpunkte meiner Meinung nach bei anderen Experten auf jeden Fall Gehör finden. Was die Lösungsvorschläge betrifft, so sind sie nachvollziehbar. Doch sind sie auch durchführbar? Zur Umsetzung ist jedenfalls der politische Wille nötig und ich könnte mir vorstellen, dass die ein oder andere Maßnahme auf gesellschaftlichen Widerstand stoßen könnte. 


Freitag, 9. Mai 2025

Kapitelman, Dmitrij - Eine Formalie in Kiew


Ein Blick in die Vorkriegs-Ukraine



Der Ich-Erzähler berichtet von den Erschwernissen seiner Einbürgerung. Vor 1,5 Jahren hat er einen entsprechenden Antrag gestellt und musste seitdem immer wieder diverse Unterlagen vorlegen. Kurzum: Die bürokratischen Hürden sind hoch. Nun fehlt ihm noch ein Formular, das er nur in seiner Geburtsstadt Kiew bekommen kann (eine sog. Apostille). Aus diesem Grund fliegt er in die Ukraine, um den Prozess seiner Einbürgerung bald zum Abschluss bringen zu können. Und mental stellt sich der Erzähler bereits darauf ein, jede Menge Bestechungsgelder bezahlen zu müssen, um rasch an das Dokument zu kommen. Denn er steht unter Zeitdruck. Er hat nur eine Frist von drei Wochen, um die Unterlagen zu beschaffen und einzureichen.




In einem Rückblick wird zudem die schwierige Anfangszeit in Deutschland geschildert. Der Erzähler kam im Alter von 8 Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland und lebte mit seinen Eltern zunächst für ein Jahr in einem Asylheim. Bald danach machen sich seine Eltern selbstständig und gründen ein Geschäft, in dem russische Spezialitäten verkauft werden (vgl. hierzu auch den Nachfolgeroman, den ich ebenfalls rezensiert habe). Wichtige Info in diesem Zusammenhang: Während der Roman „Eine Formalie Kiew“ noch vor dem russischen Angriffskrieg spielt und einen intakten ukrainischen Alltag schildert, ist die Handlung des Romans „Russische Spezialitäten“ nach dem 24.02.22 angesiedelt und thematisiert u.a. den Kriegsalltag in Kiew.




In der Ukraine angekommen, begibt sich der Erzähler auf Spurensuche nach seinem alten Leben in Kiew und frischt Kindheitserinnerungen wieder auf. Dabei wird die Atmosphäre der Stadt gut eingefangen (und steht, wie schon oben erwähnt, in klarem Kontrast zum Nachfolgeroman. Man erfährt nur am Rande etwas von der Situation im Donbass und auf der Krim). Er tritt mit alten Freunden in Kontakt und besucht auch seinen ehemaligen Wohnort. In den Gesprächen wird auch die Hoffnung auf eine positive Zukunft des Landes spürbar. Und der Behördengang verläuft dann erstaunlich reibungslos und unspektakulär. Die Bürokratie geht ihren Gang und anders als im Vorfeld erwartet, muss der Erzähler kein Bestechungsgeld zahlen. Etwas im Land scheint sich positiv zu verändern…




Doch die Hoffnung, dass Korruption keine große Rolle mehr spielt, währt nicht lange. Als der Erzähler mit dem Gesundheitssystem in Berührung gerät (die näheren Gründe dafür, lasse ich hier aus, um inhaltlich nicht zu viel vorwegzunehmen), muss er feststellen, dass die Bestechung nach wie vor sehr wichtig ist. Ansonsten erhält man keine entsprechende Behandlung. Ohne eine die Zahlung einer sog. „Entdankung“ machen sich die Ärzte nicht die Mühe, genauere Diagnosen zu stellen oder Befunde eingehender zu prüfen. Kurzum: Das Gesundheitswesen erscheint in diesem Buch nicht im besten Licht. Und die Ukraine ist in diesem Bereich von deutschen Standards weit entfernt. Für den Erzähler, der sich nur an seine Kindheit in der Ukraine erinnert, sind das fremdartige Zustände. Doch seine Eltern wissen damit umzugehen, da sie dieses System noch aus Sowjetzeiten kennen.




Das Buch ist für solche Leserinnen und Leser interessant, die am Beispiel des Erzählers und seiner Beziehung zu seinen Eltern einen Blick in die Ukraine werfen möchten, bevor sie 2022 angegriffen wurde. Es wird sehr deutlich, wie sich das osteuropäische Land hoffnungsfroh an Europa orientiert und im Bereich der Bürokratie offenbar bereits erfolgreiche Anstrengungen unternommen hat, die Korruption einzudämmen. Am Beispiel des Gesundheitssystems, das nicht staatlich organisiert ist, wird aber auch deutlich, dass Bestechung immer noch eine große Rolle spielt. Am Agieren des Ich-Erzählers in diesem von ihm als fremd wahrgenommenen System zeigt sich darüber hinaus, dass er in der Lage ist, sich zwischen verschiedenen kulturellen Welten zu bewegen (dabei lernt er die deutschen Standards durchaus zu schätzen, vielleicht mit Ausnahme der Passkontrolle am Flughafen). Das alles liest sich sehr interessant. Von mir gibt es dafür 5 Sterne.

Dienstag, 6. Mai 2025

Olsberg, Karl - Das KALA-Experiment


Über die Verantwortung von Wissenschaft

 


Zu Beginn überbringt ein Hauptkommissar einem Familienvater eine Todesnachricht. Angeblich sollen dessen Frau und Sohn bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen sein. Der Hinterbliebene wundert sich jedoch darüber. Denn seine Familie befindet sich quicklebendig im Haus und das Auto steht unbeschädigt in der Tiefgarage. Was ist da los? Ist der Dienststelle ein Fehler unterlaufen? Ohne zu viel zu verraten: Dies wird nicht der einzige merkwürdige Vorfall bleiben…

 

Danach folgt ein Blickwechsel: Die Bloggerin Nina interviewt einen der international renommiertesten theoretischen Physiker namens Hans Ichting. Kurz nach dem Interview begeht er Selbstmord und wird tot in der Badewanne aufgefunden. Nina ist fassungslos und glaubt nicht daran, dass Ichting sich selbst umgebracht hat. Sie ermittelt auf eigene Faust, was dem Physiker zugestoßen ist, und hört sich in dessen Bekanntenkreis um. Hatte er überhaupt ein Motiv für einen Suizid? Woran genau hat er gearbeitet?

 

Weitere Figuren, die in Erscheinung treten, sind Reverend Victor, der selbst an Gott zweifelt und seinen Beruf äußerst desillusioniert ausübt, sowie John Sparrow, ein Ex-Afghanistan-Soldat, der als eine Art Söldner für einen privaten Sicherheitsdienst arbeitet und riskante Aufträge übernimmt. Sie werden im weiteren Handlungsverlauf noch an Bedeutung gewinnen und Nina bei ihren Ermittlungen, die sie bis nach Albuquerque (USA) führen, über den Weg laufen.

 

Inhaltlich wartet der Wissenschafts-Thriller mit einigen interessanten physikalischen und kosmologischen Hintergründen auf. Auch die Arbeit am CERN wird näher beleuchtet. Das hat mir sehr gut gefallen. Der Spannungsbogen ist gut durchkonstruiert und ich habe die Geschehnisse durchweg mit Neugier begleitet. Lediglich das Erzähltempo lässt etwas zu wünschen übrig. Verglichen mit den übrigen Büchern, die ich von Olsberg gelesen habe, ist dieses etwas untypisch. Dieses Mal steht nicht das Thema der Künstlichen Intelligenz im Mittelpunkt, sondern v.a. die Frage nach der Verantwortung von Wissenschaft. Das Wissenschaftsgebiet der Physik rückt stattdessen in den Fokus. Allerdings wird man als Leser sehr lang auf die Folter gespannt, bis man erfährt, woran Ichting genau gearbeitet hat. Für mich war es das bisher schwächste Buch von Olsberg. Ich würde knappe 4 Sterne geben. Seine anderen Thriller, die ich kenne, fand ich spannender, temporeicher, direkter und auch wendungsreicher.

Samstag, 3. Mai 2025

Ahsoka (Staffel 1)


Zu viel benötigtes Vorwissen und zu offenes Ende




In der Serie „Ahsoka“ geht es um die Suche der ehemaligen Jedi nach dem imperialen Großadmiral Thrawn, den man ggf. aus den Büchern von Timothy Zahn kennt („Erben des Imperiums“, „Die dunkle Seite der Macht“ sowie „das letzte Kommando“). Das ist die grundlegende Handlung. Unterstützung erhält Ahsoka von ihrer ehemaligen Schülerin Sabine Wren. Und interessant ist in meinen Augen auch der Umstand, dass Ahsoka eine ehemalige Schülerin von Anakin Skywalker ist. Diese Beziehungskonstellation lässt auf viel positive Dynamik hoffen.


Direkt in der ersten Folge wird das Star-Wars-Universum um solche Figuren erweitert, die ehemals dem Jedi-Orden angehört haben, aber nach den Klon-Kriegen verschwunden sind und die ebenfalls in der Lage sind, die Macht zu gebrauchen und ein Lichtschwert zu führen (z.B. Lord Baylan). Das verstößt gegen den klassischen Kanon. Darauf muss man sich bei dieser Serie einlassen können.


Was für das Schauen dieser Serie weiterhin relevant ist: Es sind Vorkenntnisse aus der animierten Serie „Star Wars Rebels“ empfehlenswert, da es auf diese einige Rückbezüge gibt. Das finde ich schade, weil mir diese Animationsserie gänzlich unbekannt ist. Man versteht „Ahsoka“ zwar auch so, aber es fehlen zu zentralen Figuren wie Sabine, Ezra und Thrawn weitere Hintergründe. Warum beispielsweise ist Thrawn im Exil und wie ist er überhaupt dorthin gekommen? Die Figurenzeichnung könnte in meinen Augen insgesamt mit mehr Informationen aufwarten (so z.B. auch zu Lord Baylan). 


Was mir gut gefallen hat, waren einige überraschende Gastauftritte von bekannten Figuren aus dem Star-Wars-Franchise (manche würden hier eher abwertend von sog. Fan-Service sprechen). So begegnet Ahsoka Tano ihrem ehemaligen Meister Anakin und auch C3PO tritt an einer Stelle (kurz) in Erscheinung. Auf diese Weise erhalten wir u.a. einen knappen Einblick in die Zeit der Klon-Kriege, die für Ahsoka prägend gewesen sind. Weniger konnte ich mit den sog. Nacht-Schwestern von Dathomir anfangen. Ihre Erscheinung ging mir zu sehr in Richtung „Fantasy“ und passte nicht so richtig zu Star Wars. Auch der Bösewicht Thrawn übte auf mich keinen großen Reiz aus. Fazit: „Ahsoka“ kann nicht mit „The Mandalorian“ mithalten, gefiel mir aber besser als „Boba Fett“. Mit einer Fortsetzung ist nichtsdestotrotz zu rechnen (vermutlich 2026), da das Ende sehr offen gestaltet wurde und viel Raum für eine Fortführung der Handlung lässt.

Donnerstag, 1. Mai 2025

Logan, T. M. - Holiday


Psychologisch und wendungsreich



Sean, Kate und die Kinder Daniel und Lucy fahren gemeinsam in den Urlaub. Und schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass sich Kate nach der körperlichen Nähe ihres Mannes sehnt und ein merkwürdiges Verhalten bei ihm registriert. Er schaut verdächtig oft auf sein Handy. Sie schiebt es anfänglich auf den Stress bei der Arbeit und macht sich zunächst keine weiteren Gedanken darüber. Dies wird sich im weiteren Handlungsverlauf ändern…


Beim Ferienhaus angekommen, trifft Kate auf ihre Freundin und ehemalige Kommilitonin Rowan. Mit ihr, deren Mann Russ und Tochter Odette will sie den Urlaub verbringen. Dabei wird sofort deutlich, dass sich beide Frauen in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Während Rowan eine steile Karriere hingelegt hat, tritt Kate beruflich auf der Stelle. Auch Russ wirkt gut betucht und hat in seinem Job mit hohen Geldsummen zu tun.


Später stoßen noch zwei weitere Freundinnen dazu (Jennifer mit ihrem Mann Alistair und den Söhnen Jake und Ethan sowie die alleinstehende Izzy). Insgesamt agieren 12 Figuren in diesem psychologischen Thriller, die wir durch sporadisch eingeschobene Kapitel (die mit einem Wechsel des Blickwinkels einhergehen und geschickt platziert sind) alle auch ein bisschen näher kennenlernen. Handlungsort ist eine Villa, die Rowan als Ferienhaus organisiert hat. Sie liegt abgelegen und es handelt sich um ein richtiges Luxusressort.


Fahrt nimmt die Handlung auf, als Kate beim Auspacken der Koffer zufällig Seans Handy genauer in den Blick nimmt und darauf mysteriöse Botschaften einer anonymen Fremden entdeckt. Der Inhalt der Nachrichten auf dem Gerät verleitet sie zu der Annahme, dass ihr Mann sie betrügt (und zwar mit einer ihrer Freundinnen). Aber mit wem? Das versucht Kate durch eigene Beobachtungen im Folgenden herauszufinden. Sie weiß aber nicht recht, wie sie mit ihrem Verdacht umgehen soll. Sie scheut sich davor zurück, ihren Mann mit der Entdeckung zu konfrontieren und sucht kein klärendes Gespräch. Stattdessen behält sie ihre Vermutung für sich und beschließt, sich normal zu verhalten und sich nichts anmerken zu lassen. Doch kann sie das durchhalten? Ihre Freundinnen beäugt sie fortan jedenfalls misstrauisch und als Leser erleben wir hautnah mit, welche Hypothesen Kate aufstellt. Sie versinkt förmlich in einem Analysemodus.


Die Handlung wird wendungsreich erzählt und der Spannungsbogen ist deutlich spürbar. Lediglich im Mittelteil drehte sich die Angelegenheit für mich ein wenig zu sehr im Kreis und hat ihre Längen. Der Thriller liest sich flüssig und der Inhalt lebt von der Darstellung der zwischenmenschlichen Reibungen. Die Charakterisierung der Figuren empfand ich als gelungen und (für einen Thriller) tiefgründig. Die Wechsel der Blickwinkel sorgen für Abwechslung und dafür, dass man den Figuren näherkommt und  auch der Nachwuchs der Protagonisten in den Blick gerät (wodurch sich eine weitere Handlungsebene ergibt, die wiederum eine neue Dynamik erzeugt). Das Tempo ist nicht allzu hoch (was u.a. an der ausführlichen Charakterzeichnung liegt). Als Leser kann man sehr gut miträtseln, der Verdacht von Kate wird auf verschiedene Figuren gelenkt. Meine Neugier wurde durchweg aufrechterhalten. Später kommen auch weitere Handlungselemente hinzu, die das Buch nach meinem Gefühl nicht langweilig werden lassen. Das Finale war packend. Was ich noch positiv festhalten möchte: Trotz des Umstands, dass 12 Figuren vorkommen, habe ich nie den Überblick verloren (es dauerte lediglich, bis man alle Namen kannte und die Kinder den Eltern zuordnen konnte). Kurzum: Ein sehr guter psychologischer Thriller. Ich fand ihn nicht so gut wie „The Catch“, aber besser als die anderen Thriller von T.M. Logan („The Parents“, „Trust me“). Ich komme auf gute 4 Sterne.