Birth, school, work, death
„Our house, it has a crowd / There’s
always something happening and it’s / usually quite loud”
Frieder,
der beste Freund des Ich-Erzählers Höppner, unternimmt einen Selbstmordversuch
und landet danach in der Psychiatrie. Höppner, der jugendlich-unbeschwert und
mit einer „Was-kostet-die-Welt-Einstellung“ lebt, besucht ihn dort und das
Gespräch verläuft unbeholfen. Wie spricht man jemanden darauf an, dass er sich
umbringen wollte? Nach der Entlassung aus der Psychiatrie ziehen Höppner, seine
Freundin Vera und Frieder in das leerstehende Haus von Frieders Großvater, ein
altes Bauernhaus. Eine willkommene Gelegenheit für den Ich-Erzähler, vor seinem
ungeliebten Stiefvater zu flüchten. Und damit Vera nicht das einzige Mädchen in
der WG ist, zieht ihre Freundin Cäcilia ebenfalls mit in das sogenannte
Auerhaus ein. Im weiteren Handlungsverlauf wird das bunte Leben der WG
geschildert. Darum geht es in dem Roman „Auerhaus“ von Bov Bjerg, der
eigentlich Rudolf Schmidt heißt.
Der
jugendliche Drang nach Freiheit und nach Selbstbestimmung kommt gut zum
Ausdruck. Die WG-Bewohner agieren oft gedankenlos und leichtsinnig. Doch
gleichzeitig schwebt über der Lebenswelt von Höppner, Vera, Frieder und Cäcilia
stets eine gewisse Unsicherheit, weil Frieder nicht völlig stabil ist (ein
schöner Kontrast zwischen Ernsthafthaftigkeit und Unbeschwertheit, die hier
deutlich wird). Die Themen „Suizid“ und „Depression“ werden auf diese Weise
vertieft. Und eine zentrale Frage spielt eine Rolle: Wie geht man mit jemandem
um, der suizidgefährdet ist? Doch der Erzählton ist nicht melancholisch-schwergängig,
sondern amüsant, locker-leicht. Der Humor ist oft trocken. Es hat mich sehr an „Herr
Lehmann“ von Sven Regener erinnert. Oft musste ich beim Lesen schmunzeln.
Herrlich ist z.B. die Schilderung der Musterung oder das Schreiben der
Deutschklausur im Abitur. Und was auch gut zum Ausdruck kommt: Die Ratlosigkeit
des Ich-Erzählers, was er mit seinem Leben nach der Schule anfangen will. Das
alles sind Themen, die auch jugendliche Leser ansprechen sollten, auch wenn
einige der geschilderten Situationen nicht mehr zur heutigen Lebenssituation
passen (z.B. die Sorge vor der Einberufung zum Wehrdienst).
Das
Zusammenleben der vier Bewohner nimmt oft groteske Formen an und verläuft
unkonventionell, stellenweise ist es auch rauschend-überschwänglich sowie
tabulos-exzessiv-provokativ. Der Inhalt ist an vielen Stellen politisch-inkorrekt,
viele Verhaltensweisen werden nicht moralisierend beschrieben. Darauf sollte
man sich einstellen. Gerade für Lehrkräfte, die dieses Buch im Unterricht
besprechen möchten, kann das zu einer Herausforderung werden. Da ist viel
Fingerspitzengefühl gefragt (ich stelle es mir ehrlich gesagt schwer vor, mit
Lernenden über solch privaten Themen, wie sie im Buch angesprochen werden, im
Unterricht ins Gespräch zu kommen). Und am Beispiel des Ich-Erzählers wird nur
allzu deutlich, dass seine Lebenswirklichkeit und die schulischen Anforderungen,
die an ihn gestellt werden, weit auseinanderklaffen. Er ist mit seinen Gedanken
ganz woanders und wälzt völlig anderes Probleme, als das was schulisch von ihm
erwartet wird. Auch die Sprachgestaltung ist an vielen Stellen kreativ. Das
alles hat mir sehr gut gefallen.
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