Familientragödien
Kristina
Hauff, die in der Vergangenheit bereits unter ihrem wahren Namen Susanne Kliem
Kriminalliteratur geschrieben hat, ist mir mit ihrem Spannungsroman „In
blaukalter Tiefe“ in sehr guter Erinnerung geblieben. Darin werden zwischenmenschliche
Spannungen und Beziehungsdramen auf einem Segelschiff sehr gut zum Ausdruck
gebracht. Eine tolle Charakterstudie! Aus diesem Grund wollte ich mehr von
dieser Autorin lesen und entschied mich für die Lektüre von „Unter Wasser
Nacht“ (2021), das ich hier besprechen möchte.
Nach
dem Tod ihres elfjährigen Sohns Aaron, der in der Elbe ertrunken ist, ist die
Welt für Sophie und Thies eine andere. Ihr Leben wird fortan beherrscht von
Trauer und Unausgesprochenem, was ihre Beziehung belastet. Sie geben sich eine
Mitschuld an dem Tod von Aaron, der ein schwieriges Kind war. Tragisch auch:
Die Ermittlungen in dem Fall werden nach 13 Monaten ergebnislos eingestellt.
Der Verlust bleibt also unerklärlich. Sophie und Thies können niemandem die
Schuld geben, sie wissen nicht, was vorgefallen ist. Diese Unwissenheit ist
eine schwere Last für die Eltern. Sophie zieht sich zurück und pflegt kaum soziale
Kontakte. Hinzu kommt der Neid auf das perfekte Familienleben der Nachbarn. Die
Handlung wird vorangetrieben durch die folgende Frage: Was ist damals wirklich passiert?
Wird neues Wissen zum Geschehen doch noch mehr Licht ins Dunkel der
Vergangenheit bringen?
Hauff
beweist einmal mehr großes Einfühlungsvermögen und kann sich unglaublich gut in
die Figuren hineinversetzen. So kommt z.B. auch das elterliche Vergleichen gut
zum Ausdruck: Was machen die anderen Eltern besser als man selbst? Warum
scheitert man selbst an der Erziehung der eigenen Kinder? Wie kriegen es die
anderen besser hin? Auch das typische Verhalten der Kinder in der Pubertät wird
gut beschrieben: Das Schweigen gegenüber den eigenen Eltern, die Heimlichkeiten,
Vertrauensbrüche. Das alles wird gut deutlich. In einem weiteren
Handlungsstrang, der geschickt mit dem ersten verwoben wird, geht es um das
Auftauchen einer mysteriösen Fremden, die sich aus unerklärlichen Gründen in
das Familienleben der beiden benachbarten Familien einmischt. Dies erzeugt noch
einmal zusätzlich Neugier. Wer ist sie? Was will sie? Warum taucht sie gerade
jetzt auf?
Das
Tempo des Romans ist gemächlich, was aber auch zum bedrückenden Inhalt passt.
Wir haben es hier nicht mit einem dynamischen Thriller zu tun, sondern mit
Spannungsliteratur, in der die Figuren eine besondere psychologische Tiefe
aufweisen und Beziehungsdramen mit viel schriftstellerischem
Fingerspitzengefühl zum Ausdruck gebracht werden. Die psychologische Seite ist
wie schon bei „In blaukalter Tiefe“ sehr gut konzipiert worden. Das hat mir
richtig gut gefallen.
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