Dieses Blog durchsuchen

Montag, 12. Februar 2024

Capus, Alex - Das kleine Haus am Sonnenhang






Müßiggang als Quelle von Kreativität

 

„Wir schreiben, was wir in uns haben und wie wir sind; wie denn sonst.“

 

Was macht ein Autor so, während er an seinem ersten Roman schreibt? Alex Capus gewährt in seinem schmalen autobiographischen Büchlein „Das kleine Haus am Sonnenhang“ einen äußerst persönlichen Einblick in sein privates Leben in den 90er Jahren, als er an seinem Debut arbeitete. Und eines ist sicher: Sollte ich „Munzinger Pascha“ irgendwann lesen, so werde ich stets nach Spuren eines Siebenschläfers darin suchen.

 

Der Erzählton des Berichts ist amüsant und locker-beschwingt. Capus erinnert sich wehmütig an seine Zeit in Italien, als er ein altes Steinhaus am Fuße eines Weinbergs gekauft hat, um dort in Ruhe zu schreiben. Eine Zeit, in der es weder Handy noch E-Mails gab. Er beschreibt den Müßiggang, den er erlebt und der für die Entfaltung seiner Kreativität einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Mit der Zeit wird das Manuskript stets besser und länger. Capus findet reichlich Zeit zum „Brüten“, wie er es nennt. Das Leben, das er uns zeigt, zeichnet sich aus durch Entschleunigung. Und Capus genießt die Ruhe, den Frieden und die Abgeschiedenheit in dem Haus. Das wird nur allzu deutlich. Nur selten sucht er die Nähe zu anderen Menschen.

 

Capus neigt auch zur Selbstreflexion. Er ist in der Lage, seine eigenen Charakterzüge zu benennen, die ihn ausmachen. Sehr interessant und eine äußerst persönliche Auskunft noch dazu! Auf mich macht er den Eindruck, als ruhe er in sich selbst. Er kennt sich selbst genau und akzeptiert, wie er ist. Besonders aufschlussreich fand ich die Textstellen, als Capus offenlegt, woher seine Ideen stammen. Es seien Dinge, die er erlebt oder gesehen, gehört oder gelesen oder sonst wie erfahren habe. Er bediene sich aus dem Fundus seiner Seele, aus dem Steinbruch der Vergangenheit. Niemand, so Capus, schöpfe beim Erzählen aus der leeren Luft. Für ihn werden selbst Kneipenabende zu einer Quelle der Inspiration.

 

Was ich auch mit Interesse gelesen habe: Capus verfügt über ein besonderes Einfühlungsvermögen. Er ist in der Lage, sich in den Charakter einer historischen Figur so hineinzuversetzen, dass sie der Realität nahekommt und lebensecht wirkt. Ein großes Talent! Was mir ebenfalls gefiel: Die Reflexion über die Rolle der Lesenden und der Autoren sowie über das Wechselspiel von Rezipient, Verfasser und Werk. Eine für mich diskussionswürdige Stelle findet sich z.B. auf S. 78: „Der Autor ist sein Werk, das scheint mir selbstverständlich, und umgekehrt spiegelt das Werk das Wesen des Autors; was denn sonst. Ich habe in meinem Leben zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller kennengelernt und bilde mir ein, sie in ihren Büchern zweifelsfrei wiedererkannt zu haben.“ Und in Bezug auf Leser:innen hält Capus fest, dass diese nur das erschließen könnten, was in ihrer Seele schon geschrieben stehe. Insbesondere für die Lektüreauswahl in den Schulen hat diese Ansicht in meinen Augen weitreichende Konsequenzen.


Es gibt zahlreiche Textstellen, die mir sehr gut gefallen haben, weil Capus wichtige Aspekte (und Wahrheiten), die mit dem Schreiben zusammenhängen, ausspricht, sie gut auf den Punkt bringt und so zum Nachdenken anregt. So auch die folgende Passage auf S. 91: „Ich fürchte, ich bin weniger klug als meine Bücher. Kein Autor und keine Autorin, glaube ich, ist als Mensch auf der Höhe seines Werks. Warum ist das so? Weil die Bücher, die wir schreiben, jeweils die Summe der lichten Momente sind, die wir in der Zeitspanne der Niederschrift über zwei, drei oder fünf Jahre gehabt haben mögen.“ Sehr interessant! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen