Müßiggang als Quelle von Kreativität
„Wir
schreiben, was wir in uns haben und wie wir sind; wie denn sonst.“
Was
macht ein Autor so, während er an seinem ersten Roman schreibt? Alex Capus
gewährt in seinem schmalen autobiographischen Büchlein „Das kleine Haus am
Sonnenhang“ einen äußerst persönlichen Einblick in sein privates Leben in den
90er Jahren, als er an seinem Debut arbeitete. Und eines ist sicher: Sollte ich
„Munzinger Pascha“ irgendwann lesen, so werde ich stets nach Spuren eines
Siebenschläfers darin suchen.
Der
Erzählton des Berichts ist amüsant und locker-beschwingt. Capus erinnert sich
wehmütig an seine Zeit in Italien, als er ein altes Steinhaus am Fuße eines
Weinbergs gekauft hat, um dort in Ruhe zu schreiben. Eine Zeit, in der es weder
Handy noch E-Mails gab. Er beschreibt den Müßiggang, den er erlebt und der für
die Entfaltung seiner Kreativität einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Mit
der Zeit wird das Manuskript stets besser und länger. Capus findet reichlich
Zeit zum „Brüten“, wie er es nennt. Das Leben, das er uns zeigt, zeichnet sich
aus durch Entschleunigung. Und Capus genießt die Ruhe, den Frieden und die
Abgeschiedenheit in dem Haus. Das wird nur allzu deutlich. Nur selten sucht er
die Nähe zu anderen Menschen.
Capus
neigt auch zur Selbstreflexion. Er ist in der Lage, seine eigenen Charakterzüge
zu benennen, die ihn ausmachen. Sehr interessant und eine äußerst persönliche
Auskunft noch dazu! Auf mich macht er den Eindruck, als ruhe er in sich selbst.
Er kennt sich selbst genau und akzeptiert, wie er ist. Besonders
aufschlussreich fand ich die Textstellen, als Capus offenlegt, woher seine
Ideen stammen. Es seien Dinge, die er erlebt oder gesehen, gehört oder gelesen
oder sonst wie erfahren habe. Er bediene sich aus dem Fundus seiner Seele, aus
dem Steinbruch der Vergangenheit. Niemand, so Capus, schöpfe beim Erzählen aus
der leeren Luft. Für ihn werden selbst Kneipenabende zu einer Quelle der
Inspiration.
Was ich auch mit Interesse gelesen habe: Capus verfügt über ein besonderes Einfühlungsvermögen. Er ist in der Lage, sich in den Charakter einer historischen Figur so hineinzuversetzen, dass sie der Realität nahekommt und lebensecht wirkt. Ein großes Talent! Was mir ebenfalls gefiel: Die Reflexion über die Rolle der Lesenden und der Autoren sowie über das Wechselspiel von Rezipient, Verfasser und Werk. Eine für mich diskussionswürdige Stelle findet sich z.B. auf S. 78: „Der Autor ist sein Werk, das scheint mir selbstverständlich, und umgekehrt spiegelt das Werk das Wesen des Autors; was denn sonst. Ich habe in meinem Leben zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller kennengelernt und bilde mir ein, sie in ihren Büchern zweifelsfrei wiedererkannt zu haben.“ Und in Bezug auf Leser:innen hält Capus fest, dass diese nur das erschließen könnten, was in ihrer Seele schon geschrieben stehe. Insbesondere für die Lektüreauswahl in den Schulen hat diese Ansicht in meinen Augen weitreichende Konsequenzen.
Es gibt zahlreiche Textstellen, die mir sehr gut gefallen haben, weil Capus wichtige Aspekte (und Wahrheiten), die mit dem Schreiben zusammenhängen, ausspricht, sie gut auf den Punkt bringt und so zum Nachdenken anregt. So auch die folgende Passage auf S. 91: „Ich fürchte, ich bin weniger klug als meine Bücher. Kein Autor und keine Autorin, glaube ich, ist als Mensch auf der Höhe seines Werks. Warum ist das so? Weil die Bücher, die wir schreiben, jeweils die Summe der lichten Momente sind, die wir in der Zeitspanne der Niederschrift über zwei, drei oder fünf Jahre gehabt haben mögen.“ Sehr interessant!
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