Dieses Blog durchsuchen

Montag, 1. Mai 2023

Kuang, Rebecca F. - Babel


3 von 5 Sternen


Übertriebener Hype


Selten habe ich ein Buch gelesen, das mit so vielen Vorschusslorbeeren bedacht wurde. Da heißt es auf dem Klappentext „Ein brillantes, messerscharfes Buch“ oder „ein mitreißender Roman […] etwas wahrhaft Magisches“. Es wird betont, dass es sich um einen weltweiten Bestseller handelt und natürlich darf Denis Scheck nicht fehlen, der meint, dass Babel „das Aufregendste im Fantasygenre seit Harry Potter“ sei. Das schraubt die Erwartungshaltung natürlich ganz schön in die Höhe. Zentrale Frage dieser Rezension: Ist das Buch wirklich so grandios?

 

Die große Stärke des Buchs ist mit Sicherheit das erdachte Magiesystem des sog. Silberwerkens, in das Kenntnisse aus Sprachwissenschaft und Translationswissenschaft einfließen. Ich empfand die Idee durchdacht, kreativ und ausgefeilt. Überhaupt werden einige interessante Reflexionen über Sprache, über Etymologie und über das Übersetzen in die Handlung eingebunden. Die Passagen, in denen das System erläutert wird, fand ich faszinierend. Und mit Sicherheit übt das Buch v.a. auf solche Leser:innen einen Reiz aus, die sich für Sprache interessieren (dazu zähle ich mich auch). Und was zu Beginn ebenfalls recht klug arrangiert ist: Der Verstehensprozess der Leser:innen nimmt mit dem Lernprozess von Robin zu.

 

Doch so interessant und kreativ die Idee des Silberwerkens auch ist, ich bin während der Lektüre das Gefühl nicht losgeworden, dass viel Potential ungenutzt blieb. Das liegt daran, dass das Fantasy-Element insgesamt nur äußerst dezent durchscheint, ja sogar kaum vorhanden ist. Das unterscheidet dieses Buch z.B. ganz klar von Harry Potter und macht es zu einem recht eigentümlichen Fantasy-Epos (und deswegen bin ich auch unsicher, ob sich die Marketing-Abteilung des Verlags selbst einen Gefallen tut, wenn „Babel“ durch die Aussage von Scheck mit dem Buch von Rowling in Verbindung gebracht wird). Und auch ein weiteres Thema, das im Roman angesprochen wird, hätte nach meinem Gefühl mehr Raum einnehmen können: Der Opiumhandel zwischen China und Großbritannien. Leider wurde dieses geschichtliche Kapitel nur ganz kurz angerissen.

 

Insgesamt hat der Roman von Kuang in meinen Augen auch zahlreiche erzählerische Schwächen und auch ein stark schwankendes Spannungsniveau. Die Spannungskurve mäandert durch die gesamte Handlung hinweg, so dass es immer wieder Passagen gibt, die sich nur zäh lesen. Allerdings gibt es auch gleichzeitig immer wieder Stellen, die man sehr gebannt liest. Für mich ergibt sich dadurch ein sehr uneinheitliches Bild. Und ich mag eher Bücher, in denen ich die ganze Zeit gefesselt werde. Auch der Start ins Buch verläuft eher schleppend. Man braucht schon etwas Geduld, bevor die Handlung ihren Reiz entfaltet. Kurzum: Ein paar spannungserregende Momente und Impulse mehr hätten dem Inhalt gut getan.

 

Hinzu kommen Schwächen bei der Figurenzeichnung und der Gestaltung der Beziehungsverhältnisse zwischen den Figuren. Vor allem die Randfiguren bleiben äußerst blass. Keine Figur entfaltet so richtig „Zugkraft“, nicht einmal die Hauptfigur selbst (kein Vergleich zu Kvothe aus „Der Name des Windes“). Und an einigen Stellen erhalten einzelne Figuren eigene Kapitel, um ihnen mehr Tiefe zu verleihen. Das fand ich recht unglücklich, v.a. wenn die Handlungsweise einer Figur erst im Nachgang plausibel gemacht wird.

 

Nicht zuletzt hat mich noch gestört, dass einige Dinge im Roman aus dramaturgischen Gründen recht unrealistisch konstruiert worden sind. Hierzu zähle ich besonders auch den Schluss, der mich doch enttäuscht hat. Normalerweise stellt das Finale das Highlight eines Buchs dar. Es wird dann oft so packend, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann. Handlungsfäden laufen zusammen etc. Das alles fehlte mir bei „Babel“.

 

Fazit

Nach meiner bescheidenen Meinung kann ich den Hype um dieses Buch nicht nachvollziehen. Das einzige, was absolut Lob und Anerkennung verdient, ist das erdachte Magiesystem und der kreative Einbezug von Sprachreflexionen. Ansonsten weist das Buch aber auch zahlreiche Schwächen auf. Für mich ist das Buch eher durchschnittlich. Ich gebe 3 Sterne. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen