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Mittwoch, 10. Mai 2023

Geschke, Linus - Die Verborgenen



5 von 5 Sternen



„Du bist ein Hai“


Wer gut durchkonstruierte Thriller mit geschickt arrangierten Perspektivwechseln mag und auch einmal eine andere Perspektive als die eines klassischen Ermittlerteams einnehmen will, der ist bei dem Thriller „Die Verborgenen“ von Linus Geschke genau richtig. Schon der Einstieg in den Thriller ist in meinen Augen sehr gelungen, weil er irritiert. Selten liest man eine „Du-Perspektive“. Und ich habe mich anfangs als Leser dagegen gewehrt, die von außen aufgestülpte Perspektive zu übernehmen. Man bekommt eine fremde Perspektive förmlich aufgedrängt. Ein schöner Effekt (und ist mir in dieser Form noch nicht begegnet bisher)! Bei mir hat das sofort Neugier und Interesse geweckt.

 

Im Anschluss folgen die Ich-Perspektiven von Sven und Franziska Hoffmann. Und schnell wird klar, dass sich Sven fremdbestimmt und unglücklich fühlt. Seine Frau nennt er abschätzig „Familien-Managerin“. Er versinkt in Selbstzweifeln und stellt sein eigenes Lebensglück in Frage. Und auch Franziska spürt die Entfremdung von ihrem Mann. Routinen sind in die Ehe eingekehrt. Kurzum: Die Ehe befindet sich in einem kritischen Zustand. Das kommt gut zum Ausdruck.

 

Der Schreibstil ist eingängig und der Autor versteht es sehr gut, Spannung sowie Abwechslung zu erzeugen und auch überraschende, unvorhersehbare Wendungen einzubauen. Und ich war froh, dass die Handlung nicht zu sehr ins Übersinnliche abdriftete (auch wenn Franziska anfangs recht esoterisch auf mich wirkte). Und auch eine unheimliche Atmosphäre entsteht. In das Haus der Hoffmanns dringt ein sog. „Phrogger“ ein, der in die intimsten Winkel eindringt und die Privatsphäre der Bewohner verletzt. Ein weiteres Element, das die Spannung steigert: Der Job von Sven. Er ist Journalist und berichtet über den Fall eines vermissten Mädchens. Das verleiht der Handlung noch einmal zusätzliche „Triebkraft“. Prima! Ebenfalls gelungen: Die eingestreuten Hinweise darauf, dass jede Figur mehr weiß, als sie sagt. Alle Beteiligten haben ihre persönlichen Geheimnisse, die man als Leser:in Schritt für Schritt aufdeckt. Heimlichkeiten und Lügen spielen eine große Rolle. Und mit der Zeit wird das gegenseitige Misstrauen der einzelnen Familienmitglieder größer und größer (auch befördert durch die Aktionen des Phroggers). Das ist toll arrangiert!

 

Die Stärke des Autors ist es, Thriller sehr gut durchzukonstruieren. Die Wechsel der Perspektiven sind geschickt platziert. Und Linus Geschke hat viele kreative Ideen (auch was die Wendungen und die psychologische Seite der Figuren angeht), das spürt man. Und das gefällt mir! Meine Erwartungen wurden an vielen Stellen wunderbar durchbrochen. Und das macht einen sehr guten Thriller aus! Das wirklich einzige, was man evtl. noch bemängeln könnte, ist der Umstand, dass die Charakterzüge der Figuren stets auf dem „Silbertablett“ präsentiert werden (teils sehr kompakt), also sehr direkt und explizit. Das Wesen der Protagonisten ergibt sich weniger aus ihren Handlungen und Worten, es wird also nicht subtil vermittelt. Mich stört das aber nicht, weil Geschke dafür andere Qualitäten an den Tag legt.

 

Fazit

Mit Linus Geschke als Autor bin ich erstmals durch „Das Loft“ in Berührung gekommen; ein Thriller, der mir sehr gut gefallen hat (vgl. eine frühere Rezension). Auf mich macht es den Eindruck, als ob der Autor ein Garant für gut konstruierte, wendungsreiche Thriller mit geschickt platzierten Wechseln von Perspektiven ist. Das Buch ist v.a. für solche Leser:innen geeignet, die es unblutig und psychologisch mögen. Die Spannung entsteht vor allem dadurch, dass die Figuren eine verborgene Seite aufweisen, die nach und nach ans Tageslicht kommt. Und durch die Heimlichkeiten und Lügen entsteht Misstrauen. Ich finde den Thriller sehr gut, aber nicht herausragend. Das Spannungsniveau könnte noch ein wenig stärker ausgeprägt sein. 4 Sterne von mir!

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