„Die
schreckliche Vermissung“
Kinder
entdecken die Welt im Spiel und lieben Rollenspiele. Genau diese Idee wird in
dem von Nils Pickert verfassten Kinderbuch „Seeräubermädchen und
Prinzessinnenjunge“ wunderbar aufgegriffen, und zwar ganz ohne
Geschlechterklischees. Milo spielt für sein Leben gern Prinzessin und Mara ist
in ihrer Phantasie am liebsten ein Seeräubermädchen. Und ich finde diese
beiläufige Vermittlung von Toleranz gelungen. Warum sollten Jungen nicht
Prinzessin oder Mädchen Pirat spielen dürfen? Mit diesem Buch wird den Kindern
zugestanden, sich frei zu entfalten. Das ist gelungen!
Und
noch ein anderes zentrales Thema wird in diesem Buch aufgegriffen:
Freundschaft. Auf dem Spielplatz freunden sich Milo und Mara an, spielen
zusammen und tauchen jeweils in die Welt des bzw. der anderen ein. Und die
Freundschaft entwickelt sich über die Geschlechtergrenze hinweg. Und warum auch
nicht?
Ein
Einschnitt in der Freundschaft erfolgt, als Milo und Mara voneinander getrennt
werden und sich gegenseitig schmerzlich vermissen. Da verschwindet aufgrund des
Gefühls von Traurigkeit sogar auf einer Doppelseite die Farbe aus dem Bild, was
ich für eine kreative Text-Bild-Verzahnung halte. Mara fährt ohne Milo in den
Urlaub. Und nun wird ein weiteres wichtiges Thema von Freundschaft vertieft: Trennungsschmerz.
Auch das kennt wohl jedes Kind, gerade in den Ferien, wenn Freunde und
Freundinnen in den Urlaub fahren. Hier finde ich die inhaltliche Aufbereitung
der Gefühlsebene sehr gelungen und treffend. Auch die gegenseitige Befremdung
des ersten Wiedersehens, wenn man sich länger nicht gesehen hat, wird gut
deutlich. Und die Freude über eine Geburtstagseinladung und der gemeinsame Spaß
auf der Feier, die sich ebenfalls im Buch wiederfinden, dürften auch jedem Kind
bekannt vorkommen.
Auch
die Illustrationen von Lena Hesse sind gelungen. Auf jeder Seite findet man ein
Bild und es gibt auch einige großformatige Bilder, die zur längeren Betrachtung
einladen (ich habe auf den 67 Seiten 24 Illustrationen gezählt, die mehr als
eine halbe Seite umfassen). Die Bilder beziehen sich inhaltlich auf das
Gelesene, unterstützen also den Text. Besonders passend finde ich, wie auf
einigen Bildern die Phantasiewelt der Kinder aus dem Rollenspiel aufgegriffen
wird. Auch gibt es einige Zeichnungen, auf denen die Emotionen der Figuren gut
zum Ausdruck gebracht werden.
Erzählerisch
gelungen finde ich auch den Wechsel der Perspektiven zwischen Milo und Mara,
die hin und wieder, wenn auch nicht immer konsequent genug, vorkommen. Nicht
ganz erschlossen hat sich mir allerdings, warum die Schriftfarbe hin und wieder
wechselt. Dabei konnte ich keine Systematik erkennen. Und noch ein „kleiner“
Verbesserungsvorschlag: Ich hätte Kapitel gut gefunden. Gerade wenn man ein
Buch vorliest, finde ich es immer hilfreich, wenn das Buch eine Struktur
vorgibt, so dass man an den entsprechenden Stellen eine Pause einlegen kann.
Fazit:
Mal wieder ein tolles Buch des Carlsen-Verlags! Das Kinderbuch spiegelt
inhaltlich treffend die Lebenswelt und die Gefühlsebene von Kindern in Bezug
auf Spiel und Freundschaft wider. Dadurch finden sich die jungen Zuhörer:innen
in dem Gelesenen gut wieder. Sie können das Gehörte gut auf sich selbst und
ihre eigenen Erfahrungen beziehen. Das ist absolut lobenswert! Noch dazu werden
Geschlechterklischees ignoriert und durch die Darstellung einer geschlechterübergreifenden
Freundschaft wird in diesem Buch auch ein toleranter Umgang miteinander
vorgelebt. Das finde ich ebenfalls positiv. Von mir eine klare Leseempfehlung
und 5 Sterne.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen