Lektüre als Einladung zum intertextuellen Vergleich
Das
Motiv des Teufelsbündnisses hat weltliterarische Bedeutung und zieht sich seit
Jahrhunderten durch die Literaturgeschichte (vgl. dazu den Eintrag
„Teufelsbündner“ in Frenzels Nachschlagewerk „Motive der Weltliteratur“). In
der deutschen Literatur denkt man dabei natürlich sofort an Goethes „Faust“
oder Chamissos „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“. Kein Wunder also, dass
der Hanser-Verlag diese intertextuelle Referenz auf Faust und Mephisto auch im
Klappentext anführt. Denn mit seinem Roman „Ein Mann mit vielen Talenten“
leistet der amerikanische Schriftsteller Castle Freeman nun seinen eigenen
literarischen Beitrag zu dem Motiv des Teufelspakts. Und wer mit dem Inhalt der
Klassiker der deutschen Literatur vertraut ist, der kann bei der Lektüre von
Freemans Werk zahlreiche intertextuelle Bezüge anstellen und entdeckt dabei
zahlreiche Uminterpretationen des klassischen Faust-Stoffs. Abhängig vom
eigenen Vorwissen und der Vertrautheit mit dem Faust-Stoff entdeckt man also
viele Parallelen bzw. Abweichungen. Das macht Spaß!
Mit
der Figur Dangerfield, einem Handlanger des Teufels, der für die meisten
Menschen unsichtbar bleibt, wird eine diabolische Figur entworfen, die zwar
längst nicht so charismatisch wie ein Mephisto daherkommt, aber doch eine
gewisse Eloquenz an den Tag legt, wie sie für Teufelsfiguren typisch ist.
Amüsant sind die Passagen, wo Dangerfield seinen Bündner Landon Taft
beeinflusst und ihm Worte in den Mund legt, die dieser einfach im Gespräch nachplappert,
oder wo er sich passend zur Situation mit auffälligen Kostümen verkleidet. Doch
anders als Faust bleibt Langdon Taft ziemlich standhaft und kann sich gegen die
Manipulationsversuche durch Dangerfield behaupten. Taft nutzt seine Macht konsequent
für das Gute und handelt nicht egoistisch. Er ist freigiebig und
nächstenliebend. Allerdings schreckt er auch vor dem Einsatz von Gewalt und
Selbstjustiz nicht zurück, um andere zu schützen. Eine vergleichende
Gegenüberstellung von Faust und Taft kann also ergiebige Ergebnisse zutage
fördern.
Auch
das klassische „Verhandlungs-Gespräch“ zwischen Teufelsfigur und Bündner kommt
natürlich im Buch vor. Hier hatte ich viele Assoziationen zum Tauschhandel von
Peter Schlemihl, der seinen Schatten an den grauen Mann verkauft. Ein Vergleich
drängt sich förmlich auf. Und natürlich spielt auch das Thema „Liebe“ eine
Rolle. Es wird aber völlig anders umgesetzt als z.B. bei Goethe, wo die
Gretchentragödie ja einen großen Raum einnimmt. Das Gespräch zwischen Taft und
seiner Liebsten, Trooper Madison, bleibt sogar eine Leerstelle. Und auch das
magische Element kommt nicht zu kurz, beispielsweise in Form eines
Verwandlungszaubers, sogar eine Hexe tritt auf. Nicht zuletzt kann man noch das
Ende des klassischen Dramas mit dem Roman von Freeman in Beziehung setzen. Doch
ich will an dieser Stelle nicht verraten, ob Taft den Pakt mit Dangerfield
unterlaufen kann. Wie der Faust ausging, wissen wir ja…
Fazit:
Der Reiz des Romans von Castle Freeman liegt in meinen Augen darin, dass man
ihn mit dem klassischen Drama von Goethe in Beziehung setzen kann und viele
intertextuelle Bezüge herstellen kann. Mir hat die Lektüre vor allem aus diesem
Grund viel Spaß gemacht. Aber letztlich hat jeder Leser/ jede Leserin einen
eigenen subjektiven Zugang zu Literatur. Was für mich den Reiz ausmacht, kann
für andere wenig interessant sein. Die Handlung wird vor allem durch die Frage
vorangetrieben, wie Taft seine neue Macht nutzen wird und ob er den Pakt
unterlaufen kann oder nicht. Auch die Gestaltung des Sprachstils finde ich sehr
gelungen: viele lakonische Gespräche und trockener Humor regen zum Schmunzeln
an. Ich vergebe 5 Sterne!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen