Dieses Blog durchsuchen

Donnerstag, 1. Dezember 2022

Fitzek, Sebastian - Der Heimweg


1 von 5 Sternen


Unrealistische Effekthascherei

An Sebastian Fitzek scheiden sich scheinbar die Geister. Einerseits spricht der Erfolg für ihn, seine Bücher haben sich bereits über 13 Millionen Mal verkauft und sie wurden in 24 Sprachen übersetzt. Andererseits gibt es viele Leser:innen, die seinem Werk gar nichts abgewinnen können. Es scheint, als müsste jeder für sich selbst herausfinden, ob man die Bücher von ihm mag oder eben nicht. Ich habe mich nun einmal an „Der Heimweg“ herangetraut, um mir ein Urteil zu bilden. Bisher kannte ich von Fitzek nur sein Debut „Die Therapie“ und war nicht wirklich überzeugt (vgl. eine frühere Rezension).

Das Setting ist durchaus vielversprechend. Jules Tannberg erhält eines Abends einen mysteriösen Anruf und wird unvorhergesehen in einen Strudel von Gewalt hineingezogen. Die Frau am Telefon schildert ihm ihr Martyrium. Und als Leser fragt man sich direkt: Wer ist die Frau, die dort anruft? Was will diese Frau? Was hat es mit ihr auf sich? Kann Jules ihr helfen?

Man fühlt sich als Leser zu Beginn relativ orientierungslos und ist auf der Suche nach Informationen, die das Geschehen verständlich machen. Das mag auch daran liegen, dass recht ungeordnet immer einmal wieder Rückblicke in die Handlung eingestreut werden. Man wird mitten hineingeworfen in dieses Telefonat, ohne zu wissen, in was für eine Richtung sich das Gespräch entwickelt. Auf mich wirkte die Erzählweise recht chaotisch und zerfahren.

Die Darstellung suizidaler Handlungen empfand ich als äußerst drastisch. Vorbelastete Leser:innen sollten lieber von diesem Buch Abstand nehmen. Ich empfand auch das Gespräch von Jules mit der suizidgefährdeten Klara als abstrus und unrealistisch. Vermutlich wird es rein aus dramaturgischen Gründen so inszeniert. Kein normaler Mensch würde am Notfalltelefon so mit jemandem umgehen, der sich selbst umbringen will.

Auch die Erzählungen Klaras zu ihrem Klinikaufenthalt sind völlig abwegig und realitätsfremd. Ihre Teilnahme an einem Experiment zur künstlichen Herbeiführung von Wahnvorstellungen: absurd! In meinen Augen sind es genau solche Darstellungen wie bei Fitzek, die bei einem Großteil der Bevölkerung zu falschen Vorstellungen führen. Nach meinem Dafürhalten sollte der Autor lieber realistische Aufklärungsarbeit in Bezug auf psychische Krankheiten betreiben.

Fitzeks größtes Problem in diesem Buch ist einfach sein fehlender Realismus. Das war schon in „Die Therapie“ zu beobachten und bestätigt sich hier erneut. Da hilft es in meinen Augen auch nicht, dass der Autor im Nachwort darauf hinweist, dass es ihm nicht um eine realistische Darstellung geht. Ich habe große Schwierigkeiten, mich darauf einzulassen. Was soll das Ziel einer solchen Darstellung sein? Geht es hier nur um den dramatischen Effekt? Befördert so etwas denn nicht, dass bei den Leser:innen ein fehlerhaftes Bild von psychischen Krankheiten entsteht? Sollte Unterhaltung nicht auch einen gewissen Anspruch haben?

Auch die Figuren sind überzeichnet. Noch dazu fehlt es ihnen an psychologischer Tiefe. Nicht zuletzt habe ich facettenreich ausgestaltete Beziehungsverhältnisse vermisst. Vieles wirkt konstruiert oder sogar „überdreht“, ganz im Sinne von einfacher Effekthascherei. Für mich ein klarer Mangel dieses Werks. Die Darlegung der sadistischen Gewaltpassagen empfand ich als abstoßend. Man sollte sich vor der Lektüre darüber im Klaren sein, was auf einen zukommt. Eine Triggerwarnung wäre wohl angebracht gewesen. Fitzek spart Obszönitäten und Perversionen nicht aus.

Fazit

In meinen Augen ist der Thriller von schlechter Qualität, er ist unrealistisch, teils absurd, oft stark konstruiert. In erzähltechnischer Hinsicht ist er chaotisch und konfus. Die Figurenzeichnung ist flach, eine klug arrangierte Personenkonstellation habe ich vermisst. Die vielen Gewaltpassagen sind oft abstoßend und in meinen Augen unnötig drastisch. Meine Vermutung: Der Autor betreibt Effekthascherei um jeden Preis. Der Thriller entspricht überhaupt nicht meinem Geschmack. Ich bin von den vielen positiven Rezensionen überrascht, kann ich sie doch nicht nachvollziehen. Wer einen guten Thriller lesen will, greife lieber zu den folgenden Autoren: Henri Faber, Romy Hausmann, Linus Geschke oder Judith Merchant. Ich vergebe einen Stern.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen