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Samstag, 29. Oktober 2022

Sweeney, John - Der Killer im Kreml


3 von 5 Sternen


Interessante Zusammenschau, teilweise zu verschwörungstheoretisch

John Sweeney legt mit „Der Killer im Kreml“ ein Werk vor, in dem er den Aufstieg Putins und sein rücksichtsloses politisches Agieren nachzeichnet. Dabei geht Sweeney, der aktuell als freiberuflicher Kriegsberichterstatter in der Ukraine tätigt ist, auf zentrale Ereignisse ein und geht chronologisch vor.

 

So wird die familiäre Herkunft des russischen Präsidenten erörtert. Sweeney bringt hier auch eine höchst umstrittene Theorie ins Spiel, nach der Putin ein uneheliches Kind sei. Was man aber sicher weiß: Er stammt aus sehr ärmlichen Verhältnissen und musst sich schon in seiner Kindheit mit Stärke behaupten. 1975 trat Putin dann dem KGB bei, auch hier geht der Autor auf relevante Ereignisse in der Geheimdienstkarriere des späteren russischen Präsidenten ein. Sweeney „knöpft“ sich auch Putins Weltanschauung und seine verengte Sicht auf den Westen vor. Die wichtige Rolle, die Anatoli Sobtschak spielte, wird aufgezeigt. Putin unterhielt während seiner Zeit in Petersburg Kontakte zur Mafia, so Sweeney. Besonders brisant fand ich in diesem Zusammenhang die Ausführungen zur Strategie des „Kompromat“, bei der kompromittierendes Material über eine Zielperson gesammelt wird, die aus dem Weg geräumt werden soll (so z.B. gegenüber Skuratow, vgl. S. 72). Der Autor befeuert auch die These, dass die Moskauer Bombenanschläge von 1999 inszeniert gewesen seien, um einen Anlass für den zweiten Tschetschenien-Krieg zu haben. Am Beispiel der Kursk verdeutlicht Sweeney die Gleichschaltung der Medien in Russland. Eine weitere Verschwörungstheorie, die der Autor bedient: Der FSB habe hinter der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater gesteckt.

 

Besonders lesenswert fand ich die Ausführungen zu Anna Politkowskaja, die schon früh prophezeite, in welche Richtung sich Russland womöglich entwickeln könnte, und zu Alexander Litwinenko, der in London mit Polonium 210 vergiftet worden ist. Auch das, was Sweeney zum Personenkult um Putin schreibt, ist aufschlussreich und interessant. Weitere relevante „Stationen“, die beleuchtet werden: Die Ermordung von Boris Nemzow, die Inhaftierung von Michail Chodorkowski, Abschuss der MH17 im Jahr 2014. Was der Autor ebenfalls nicht ausspart, sind Thesen zum Liebesleben des Präsidenten, zu möglichen Affären und zu unehelichen Kindern. Auch Annahmen über eine mögliche psychische Erkrankung oder über eine Krebserkrankung von Putin werden in den Raum gestellt.

 

Der Erzählton von Sweeney ist recht flapsig und sehr direkt. Der Leser bzw. die Leserin wird auf diese Weise unmittelbar mitgenommen. Und der Autor selbst schildert den Inhalt nicht teilnahmslos und mit emotionaler Distanz oder allzu sachlich, sondern es werden Betroffenheit und eine subjektive Gefühlsebene deutlich. Für ein Sachbuch ist das etwas ungewöhnlich. Schon auf den ersten Seiten ist klar, auf welcher Seite der Autor steht. Es geht Sweeney also nicht um objektive Berichterstattung. Angesichts des unmenschlichen Angriffskriegs Russlands unter der Führung Putins kann ich das aber durchaus nachvollziehen. Aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass der Autor nicht zu sehr seiner Sensationslust nachgibt.

 

Manches war mir doch zu reißerisch und zu spekulativ. Einige Abschnitte wirkten auf mich zu wenig untermauert und zu wenig fundiert recherchiert. Stattdessen betreibt Sweeney rund herum um Putin eine gewisse Mythenbildung und fabuliert punktuell dann doch stark verschwörungstheoretisch, ohne stichhaltige Beweise anzuführen. Er beschränkt sich zu sehr auf Mutmaßungen und Indizien. Das hat mich nicht immer überzeugt und es hat mir auch nicht gut gefallen, auch wenn ich natürlich verstehen kann, dass man den Kriegsverbrecher Putin in ein schlechtes Licht rücken will, um sein Handeln überhaupt begreifen zu können! Natürlich wäre es aber auch unfassbar, wenn Sweeney mit all seinen Behauptungen tatsächlich Recht hätte.

 

Fazit

Die Darstellung von John Sweeney enthält viele interessante Informationen, auch vermag er mit seinem Schreibstil den Leser bzw. die Leserin zu fesseln. Stellenweise ist seine Zusammenschau über Putins Aufstieg aber doch arg verschwörungstheoretisch geraten. Deshalb vergebe ich auch nur 3 Sterne. Abschließend möchte ich noch den Wunsch äußern, dass weitere Bücher von Sweeney ins Deutsche übersetzt werden sollten. Die Lektüre seiner Reportagen zu Nordkorea oder zu Scientology würde mich ebenfalls interessieren.

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