Interessante Dystopie mit vielen Denkanstößen
Was wäre, wenn in Deutschland
eine Art bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt würde? Wie würde sich diese
Einführung auf das gesellschaftliche Zusammenleben auswirken? Wie würde es die
Bedeutung von Arbeit verändern? In diesem Spektrum von Fragen siedelt Andreas
Eschbach seinen neuen dystopischen Roman „Freiheitsgeld“ an. Und die
Zukunftsvision, die er dabei entwirft, kommt nicht sehr wünschenswert daher,
sondern totalitär und stark kontrolliert. Steuerfahndungen spielen eine ebenso
große Rolle wie abgeschottete, luxuriös ausgestattete Wohn-Oasen, in denen eine
elitäre Schicht lebt.
Was Eschbach in meinen Augen gut
gelingt, ist es, beim Leser/ bei der Leserin während der Lektüre viele offene
Fragen zu erzeugen. Diese Offenheit animiert zum Weiterlesen. Es gibt viele
interessante Figurenbeziehungen und auch recht komplex angelegte
Personenkonstellationen, die man verfolgt und über die man mehr erfahren
möchte. Da haben wir beispielsweise das junge Paar Lina und Valentin, die sich
in einer der sogenannten Oasen einrichten möchten, dafür aber einen hohen Preis
zahlen müssen. Wir haben den Altbundeskanzler Havelock, einen grimmigen alten
Kauz mit einem guten Kern, der trotz seines hohen Alters noch sehr motiviert
und ehrgeizig wirkt. Er möchte ein lang gehütetes Geheimnis lüften, und zwar
zusammen mit seinem einstigen Widersacher, einem Journalisten namens
Leventheim. Noch dazu haben wir den charismatischen Polizisten Ahmad Müller,
der sich als geschickter und raffinierter Ermittler herausstellt, aber ein etwas
„liebesturbulentes“ Privatleben aufweist. Und nicht zuletzt gibt es noch eine
mysteriöse Familie, die aus der elitären Oase vertrieben wurde. Insgesamt also
eine bunte Mischung, die durch Krimielemente bereichert wird.
Der Schreibstil ist ebenfalls
flüssig, man kann der Handlung gut folgen. Jeder Handlungsstrang wird gut
weiterentwickelt und nicht aus den Augen verloren, auch sind die verschiedenen
Stränge vom Umfang gut ausbalanciert. Auch das Bild der Zukunft wird peu a peu
erzeugt. Immer wieder gibt es Informationen, nicht zu gehäuft, so dass die
Zukunftsvision mit der Zeit immer klarer wird. Das finde ich gut gemacht.
Lediglich die Perspektivwechsel zwischen den Figuren ereignen sich manchmal
etwas abrupt, so dass man sich bei der Lektüre auch einmal kurz orientieren
muss. Das empfand ich stellenweise als etwas fordernd.
Besonders interessant wurde es
nach meinem Dafürhalten immer dann, wenn es um das gesellschaftspolitisch
relevante Thema „Freiheitsgeld“ ging. Häppchenweise werden dem Leser immer
wieder Hintergründe dazu vermittelt. Vor- und Nachteile der Einführung werden
gut deutlich. So wird z.B. auch die Frage diskutiert, ob ein Art
bedingungsloses Grundeinkommen die Motivation zu arbeiten mindert oder
aufrechterhält. Besonders interessant auch die Frage, inwieweit Arbeit als
Sinnstiftung im Leben eines Menschen notwendig ist. Benötigt nicht jeder Mensch
eine erfüllende Tätigkeit, um im Leben zufrieden zu sein? Kommt es zu einer
gesellschaftlichen Stagnation, wenn die Erwerbsarbeit nicht mehr zwingend
notwendig ist? Besonderes die Darlegung im letzten Viertel des Buchs fand ich
sehr lesenswert.
Was ich ebenfalls gelungen fand,
war der Umstand, dass Eschbach viele Ideen und Denkanstöße in sein Buch
integriert (z.B. die Abschaffung der Schulpflicht). Zwar buchstabiert er nicht
alles aus und Vieles bleibt doch recht vage, aber natürlich kann man auch nicht
erwarten, dass alle Überlegungen tiefgründig wie in einem Sachbuch behandelt
werden. Aber ich finde es gut, wenn ein Buch zum Nachdenken animiert. Auch die
Problematisierung der veränderten Frauen- und Männerrollen hat mir gefallen.
Fazit: Eschbach entwirft eine
interessante Zukunftsvision und wirft viele Fragen auf, die mich zum weiteren
Nachdenken angeregt haben. Lediglich das Ende fand ich wenig hoffnungsvoll. Ich
vergebe 4 Sterne.
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