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Dienstag, 25. Oktober 2022

Eschbach, Andreas - Freiheitsgeld


5 von 5 Sternen


Interessante Dystopie mit vielen Denkanstößen

Was wäre, wenn in Deutschland eine Art bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt würde? Wie würde sich diese Einführung auf das gesellschaftliche Zusammenleben auswirken? Wie würde es die Bedeutung von Arbeit verändern? In diesem Spektrum von Fragen siedelt Andreas Eschbach seinen neuen dystopischen Roman „Freiheitsgeld“ an. Und die Zukunftsvision, die er dabei entwirft, kommt nicht sehr wünschenswert daher, sondern totalitär und stark kontrolliert. Steuerfahndungen spielen eine ebenso große Rolle wie abgeschottete, luxuriös ausgestattete Wohn-Oasen, in denen eine elitäre Schicht lebt.

Was Eschbach in meinen Augen gut gelingt, ist es, beim Leser/ bei der Leserin während der Lektüre viele offene Fragen zu erzeugen. Diese Offenheit animiert zum Weiterlesen. Es gibt viele interessante Figurenbeziehungen und auch recht komplex angelegte Personenkonstellationen, die man verfolgt und über die man mehr erfahren möchte. Da haben wir beispielsweise das junge Paar Lina und Valentin, die sich in einer der sogenannten Oasen einrichten möchten, dafür aber einen hohen Preis zahlen müssen. Wir haben den Altbundeskanzler Havelock, einen grimmigen alten Kauz mit einem guten Kern, der trotz seines hohen Alters noch sehr motiviert und ehrgeizig wirkt. Er möchte ein lang gehütetes Geheimnis lüften, und zwar zusammen mit seinem einstigen Widersacher, einem Journalisten namens Leventheim. Noch dazu haben wir den charismatischen Polizisten Ahmad Müller, der sich als geschickter und raffinierter Ermittler herausstellt, aber ein etwas „liebesturbulentes“ Privatleben aufweist. Und nicht zuletzt gibt es noch eine mysteriöse Familie, die aus der elitären Oase vertrieben wurde. Insgesamt also eine bunte Mischung, die durch Krimielemente bereichert wird.

Der Schreibstil ist ebenfalls flüssig, man kann der Handlung gut folgen. Jeder Handlungsstrang wird gut weiterentwickelt und nicht aus den Augen verloren, auch sind die verschiedenen Stränge vom Umfang gut ausbalanciert. Auch das Bild der Zukunft wird peu a peu erzeugt. Immer wieder gibt es Informationen, nicht zu gehäuft, so dass die Zukunftsvision mit der Zeit immer klarer wird. Das finde ich gut gemacht. Lediglich die Perspektivwechsel zwischen den Figuren ereignen sich manchmal etwas abrupt, so dass man sich bei der Lektüre auch einmal kurz orientieren muss. Das empfand ich stellenweise als etwas fordernd.

Besonders interessant wurde es nach meinem Dafürhalten immer dann, wenn es um das gesellschaftspolitisch relevante Thema „Freiheitsgeld“ ging. Häppchenweise werden dem Leser immer wieder Hintergründe dazu vermittelt. Vor- und Nachteile der Einführung werden gut deutlich. So wird z.B. auch die Frage diskutiert, ob ein Art bedingungsloses Grundeinkommen die Motivation zu arbeiten mindert oder aufrechterhält. Besonders interessant auch die Frage, inwieweit Arbeit als Sinnstiftung im Leben eines Menschen notwendig ist. Benötigt nicht jeder Mensch eine erfüllende Tätigkeit, um im Leben zufrieden zu sein? Kommt es zu einer gesellschaftlichen Stagnation, wenn die Erwerbsarbeit nicht mehr zwingend notwendig ist? Besonderes die Darlegung im letzten Viertel des Buchs fand ich sehr lesenswert.

Was ich ebenfalls gelungen fand, war der Umstand, dass Eschbach viele Ideen und Denkanstöße in sein Buch integriert (z.B. die Abschaffung der Schulpflicht). Zwar buchstabiert er nicht alles aus und Vieles bleibt doch recht vage, aber natürlich kann man auch nicht erwarten, dass alle Überlegungen tiefgründig wie in einem Sachbuch behandelt werden. Aber ich finde es gut, wenn ein Buch zum Nachdenken animiert. Auch die Problematisierung der veränderten Frauen- und Männerrollen hat mir gefallen.

Fazit: Eschbach entwirft eine interessante Zukunftsvision und wirft viele Fragen auf, die mich zum weiteren Nachdenken angeregt haben. Lediglich das Ende fand ich wenig hoffnungsvoll. Ich vergebe 4 Sterne.

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