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Donnerstag, 27. Oktober 2022

Turner, A. K. - Wer mit den Toten spricht


4 von 5 Sternen


Rechtsmedizinerin mit Vorliebe für die Gothic-Kultur

Wer einen Kriminalroman lesen möchte, in dem die Figurenzeichnung und die Personenkonstellation überzeugen und der eine plausible, schlüssige, durchdachte Auflösung bereithält, der macht mit der Lektüre von A.K. Turners „Wer mit den Toten spricht“ nichts falsch. Es handelt sich um den zweiten Teil einer Reihe, der ohne Vorwissen des ersten Bands gelesen werden kann. Ich selbst bin auch ohne Vorkenntnisse gestartet und hatte keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Das einzige, was man an dem als Thriller vermarkteten Werk bemängeln kann, ist der Umstand, dass die Spannungsintensität nicht so hoch ausfiel, wie von mir erhofft. Insgesamt liest sich das Buch aber äußerst flüssig.

 

Figuren

Besonders die Hauptfigur Cassie Raven, eine kompetente rechtsmedizinische Assistentin mit einer bewegten Vergangenheit in der Hausbesetzerszene, kann überzeugen. Schon auf den ersten Seiten wird gut deutlich, dass wir es mit einer empathischen und verständnisvollen Protagonistin zu tun haben. Sie kann mit Trauernden gut umgehen, hat ein Gespür für die Situation und verhält sich gegenüber den Angehörigen pietätvoll. Auch mit ihrer Großmutter geht sie äußerst fürsorglich um. In ihrer Freizeit verkehrt Cassie mit recht gebrochenen Charakteren aus der Subkultur. Sie selbst ist eine soziale Aufsteigerin. Bei der Ausübung ihres Jobs ist sie äußerst akribisch, leidenschaftliche und stark interessiert. Ich könnte mir vorstellen, dass sie in einem der nachfolgenden Bände selbst noch zur Pathologin wird. Darüber hinaus ist auch der unmittelbare Kollegenkreis von Cassie nach meinem Dafürhalten gut ausgearbeitet. Als Kontrastfigur haben wir zum einen ihren Kollegen Jason, der respektlos und mit wenig Anstand mit den Toten umgeht, an denen er eine Autopsie vornimmt. Zum anderen gibt es noch Dr. Curzon, den herablassenden Vorgesetzten, der Cassie kleinhalten will und formalistisch agiert, statt ihr Talent zu fördern. Kurzum: Ein gelungenes Setting, das in sich stimmig ist.

 

Rechtsmedizinische Darstellung

Die Darstellung der rechtsmedizinischen Arbeit ist ebenfalls gelungen. Man merkt, dass die Autorin einige Recherchen investiert hat. Es werden zahlreiche medizinische Fachbegriffe verwendet, Details bei der Beschreibung einer Autopsie werden nicht ausgespart. Stellenweise war mir die Darlegung aber schon auch etwas zu drastisch und zu direkt. Was mir auch nicht so zugesagt hat, war die doch etwas mystische Idee, dass Cassie eine Art übersinnliche Fähigkeit besitzt und die Toten reden hören kann. Hier war ich froh, dass dieses Handlungselement nicht zu häufig vorkam. Das hätte den Krimi in meinen Augen doch zu unrealistisch wirken lassen.  

 

Inhaltliche Gestaltung

Inhaltlich werden im Wesentlichen zwei Handlungsstränge verfolgt. Auf der einen Seite bemüht sich Cassie darum, ihre eigene Familiengeschichte aufzuarbeiten und den Tod ihrer Mutter auf eigene Faust zu untersuchen. Dazu stellt sie Nachforschungen an und gerät selbst in Gefahr. Auf der anderen Seite geht es um die Rekonstruktion der Tatumstände eines Selbstmords. Hier stellt sich die zentrale Frage, warum sich das Opfer Bradley selbst umgebracht hat. Nach meinem Gefühl war die Handlung in der ersten Hälfte des Buchs etwas zu vorhersehbar, es war oft klar, was als Nächstes folgt, das hat sich dann aber in der zweiten Hälfte des Buchs gelegt. Insgesamt hätte das erzählerische Tempo nach meinem Geschmack gern höher ausfallen können. Aber das ist natürlich sehr subjektiv! Die Handlung wird geradlinig erzählt, sie ist also nicht auf verschiedenen Zeitebenen angesiedelt o.ä., es gibt auch keine größeren Abschweifungen. Die Anzahl der Perspektiven ist überschaubar.

 

Fazit

Ein Thriller mit einer starken Hauptfigur und einem gut durchdachten Figurentableau. Lediglich Tempo und Spannung hätten höher ausfallen können. Ich vergebe 4 Sterne.

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