Dieses Blog durchsuchen

Freitag, 21. Oktober 2022

Khani, Behzad Karim - Hund, Wolf, Schakal

 


4 von 5 Sternen



Kriminelles Leben in Neukölln

 

Inhalt
Ich habe dieses Buch in der Erwartung gelesen, dass darin ähnliche Inhalte behandelt werden, wie ich sie von Abbas Khider kenne, dessen literarisches Gesamtwerk mir sehr gut gefällt (vgl. dazu frühere Rezensionen). Doch Behzad Karim Khani beleuchtet eine ganz andere Welt: Die Welt der Kriminellen im arabisch dominierten Neukölln (vgl. Klappentext). Im Zentrum der Handlung steht die Hauptfigur Saam und seine Entwicklungsgeschichte hin zu einem Verbrecher. Die Beschreibung der Zustände im Heimatland, dem Iran, spielt nur zu Beginn des Romans eine Rolle und reicht nicht an das Werk von Abbas Khider heran, der deutlich mehr in die Tiefe geht, wenn es um die Darlegung des anderen Kulturkreises geht. In „Hund Wolf Schakal“ geht es dafür um etwas anderes. Und für mich wird die Geschichte um Saam auch erst dann interessant, als er nach seiner Flucht in Deutschland ankommt und in Neukölln ein neues Leben beginnt. Seine Bekanntschaft mit Heydar, einem Libanesen, wird ihm zum Verhängnis. Er gerät auf die schiefe Bahn und wird zu einem gefürchteten Schläger und Gangster. Die Schilderung dieses Entwicklungsprozesses ist direkt und hart. Zartbesaitete Leser:innen sollten lieber zu einem anderen Buch greifen. Der Autor ist schonungslos in seiner Darstellung, der Umgangston der Protagonisten miteinander ist rau und vulgär.

Was dem Autor in meinen Augen v.a. gut gelingt, ist die Darstellung der Parallelwelt, in der Saam sich bewegt, und zwar mit all ihren Stereotypen und Moralvorstellungen. (Clan-)Kriminalität und Gewalt ist allgegenwärtig. Bei den handelnden Figuren handelt es sich um gebrochene Charaktere, die von Traumata geprägt sind. Erschreckend ist insbesondere, mit welcher Brutalität und Rücksichtslosigkeit Heydar agiert und damit Saams weiteren Lebensweg negativ beeinflusst, der sich ihn zum Vorbild nimmt. Das kriminelle Verhalten der Figuren wird sehr detailliert und authentisch beschrieben, es wirkt sehr realistisch. Interessant sind auch die Regeln dieser Parallelwelt: Es geht um Stolz und Respekt, es geht darum, sich zu behaupten und stark zu sein, Löwe zu sein, nicht Hyäne. Im Viertel geht es hierarchisch zu, es geht um Machterhalt. Die Figuren müssen ihre Stärke beweisen und sie bewahren. Das alles wird sehr gut dargestellt!

Dem Autor gelingt es in meinen Augen unheimlich gut, sich in die Gedankenwelt seiner Figuren hineinzuversetzen. Und für den Leser bzw. die Leserin wirken diese Gedankenwelten unheimlich befremdlich, teils abstoßend, nicht nachvollziehbar.

 

Sprache

Die sprachliche Gestaltung des Werks ist gelungen. Der Stil gefällt mir unheimlich gut. Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass auf eine bildhafte Sprache zurückgegriffen wird. Hinzu kommen kurze, knappe, oft asyndetisch gereihte Satzkonstruktionen. Insgesamt eine auffällig varianten-, abwechslungsreiche und bunte Syntax. Viele Aufzählungen, die teils über mehrere Zeilen gehen sowie abgehackte, teils verblose Sätze, Parallelismen und kreative Vergleichskonstruktionen (z.B. „Ab dem dritten Tag wurde der Niederschlag zum Schicksal wie ein unbezahlter Heroindealer“, S.24 oder „Seine Gedanken waren wie die Insekten ins Saams Glas“, S. 25). Der Autor demonstriert einen einfallsreichen Umgang mit Sprache und erzeugt damit nach meinem Gefühl ein hohes Maß an Dynamik, Impulsivität und Emotionalität.

 

Fazit

Eine harte und schonungslose Lektüre, die Einblick in eine kriminelle Parallelwelt eröffnet. Die Darstellung wirkt authentisch und realistisch, der Autor kann sich gut in die Gedankenwelt seiner Figuren hineinversetzen. Sprachlich überzeugt das Werk durch eine variantenreiche und kreative Gestaltung. Letztlich hat mir das Werk bis zu einem gewissen Punkt sehr gut gefallen, allerdings hat es auf den letzten 100 Seiten in meinen Augen an Qualität verloren. Ich war nicht mehr so gefesselt wie zu Beginn. Das kann bei anderen Leser:innen aber ganz anders sein. Ich vergebe 4 Sterne!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen