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Samstag, 20. August 2022

Strobel, Arno - Fake


5 von 5 Sternen


Temporeich, pointiert, packend

Haben Sie schon ein Buch von Arno Strobel gelesen? Nein? Dann sollten Sie das schnell nachholen. Am besten fangen Sie mit „Fake“ an. Schon lange konnte mich ein Buch nicht mehr so fesseln, schon lange bin ich nicht mehr so schnell durch ein Buch gerast wie durch dieses. Doch wie schafft der Autor es, eine so ungeheure Spannung zu erzeugen?

Nach meinem Dafürhalten liegt es an einem sehr pointierten Stil. Strobel hält sich nicht lange mit Einzelheiten und Nebensächlichkeiten auf, er hastet von einem Ereignis zum nächsten. Es passiert ständig etwas, die Handlung ist äußerst temporeich, dem Leser/ der Leserin wird bei der Lektüre keine Pause gegönnt, ständig geht es weiter, Schlag auf Schlag, von einem Gespräch ins nächste. Das Leben von Patrick wird völlig auf den Kopf gestellt. Ständig neue Erkenntnisse bei den Ermittlungen. Ständig neue Vorkommnisse. Ständig neuer Input. Das ist genial gemacht! Ich würde diesen Stil wie folgt beschreiben: Schnell getaktete Ereignishaftigkeit.

Da kann man auch verschmerzen, dass Strobel sich nicht lange mit ausführlichen Charakterisierungen der Figuren aufhält. Die braucht es aber auch gar nicht. Der Thriller lebt von der erzeugten Spannung, von Handlungsreichtum und der genannten Ereignishaftigkeit. Das reicht völlig!

Und der Autor löst sich auch von den klassischen abwechselnden Perspektivwechseln, wie man sie aus anderen Thrillern kennt. Die Handlung wird geradlinig erzählt, ohne längere Einschübe und ohne dass man sich als Leser fragen muss, wie unterschiedliche Blickwinkel womöglich zusammenhängen. Doch trotzdem wird auf eine geniale Idee zurückgegriffen: Der Beschuldigte selbst schreibt seinen eigenen Psychothriller, und zwar während er in Untersuchungshaft sitzt und seinen Aufenthalt dort reflektiert. Und warum ist das genial? Weil man als Leser:in dadurch nicht weiß, ob der Erzähler, Patrick, tatsächlich die Wahrheit berichtet oder ob er nur Schutzbehauptungen aufstellt. Gleichzeitig ist diese Idee raffiniert, weil durch kluge Vorausdeutungen des Beschuldigten die Spannung weiter angeheizt und die Neugier des Lesers/ der Leserin weiter befeuert wird. Dennoch habe ich mir eine Frage gestellt: Warum berichtet Patrick eigentlich nicht in der Ich-Perspektive, wenn er über sich selbst schreibt? Das hätte für mich irgendwie besser gepasst.

Was beim Lesen bei mir ebenfalls Emotionen ausgelöst hat, war der Umstand, dass man sich über Patricks naives Verhalten oft wundert. Er ist unvorsichtig, zieht wenig in Zweifel. Er lässt sich an der Nase herumführen und tappt in die Fallen, die ihm gestellt werden. Oder ist er etwa derjenige, der die anderen an der Nase herumführt? Was ist real, was ist fiktiv? Einfach toll gemacht, dieses Spiel mit der Wirklichkeit. Hier erzielt das Mittel des unzuverlässigen Erzählers, das ich sehr mag, eine wunderbare Wirkung. Auch die Frage, wie lange seine Frau noch zu ihm hält, trieb mich beim Lesen um. Ebenfalls gelungen!

In der Mitte des Romans gibt es eine interessante Wendung in Form eines Telefonanrufs, das hat die Spannungskurve in meinen Augen noch einmal forciert. Und ab Kapitel 26 gibt es eine gut gemacht Zäsur im Hinblick auf den gewählten Blickwinkel, aus dem die Ereignisse geschildert werden. Das sorgt noch einmal für Abwechslung. Die Auflösung am Ende ist in sich schlüssig, auch wenn sie sich nach meinem Dafürhalten nicht so rund und eingängig wie der Rest des Buchs liest. Lobenswert ist auch das Nachwort, das interessante Hintergrundinformationen zum Fall enthält. Das ist eine gute Nachbereitung zum Gelesenen. Toll!


Fazit

Ein Thriller, der packt und mitreißt, und zwar von der ersten bis zur letzten Seite. Ich habe es an einem Tag durchgelesen, so sehr war ich gefesselt. Wenn ein Buch eine solche Wirkung hinterlässt, dann ist es eines von seltenen Highlights, das kann nur 5 Sterne bedeuten. Absolute Leseempfehlung für alle Thriller-Fans!

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