Temporeich, pointiert, packend
Haben
Sie schon ein Buch von Arno Strobel gelesen? Nein? Dann sollten Sie das schnell
nachholen. Am besten fangen Sie mit „Fake“ an. Schon lange konnte mich ein Buch
nicht mehr so fesseln, schon lange bin ich nicht mehr so schnell durch ein Buch
gerast wie durch dieses. Doch wie schafft der Autor es, eine so ungeheure
Spannung zu erzeugen?
Nach
meinem Dafürhalten liegt es an einem sehr pointierten Stil. Strobel hält sich
nicht lange mit Einzelheiten und Nebensächlichkeiten auf, er hastet von einem
Ereignis zum nächsten. Es passiert ständig etwas, die Handlung ist äußerst
temporeich, dem Leser/ der Leserin wird bei der Lektüre keine Pause gegönnt,
ständig geht es weiter, Schlag auf Schlag, von einem Gespräch ins nächste. Das
Leben von Patrick wird völlig auf den Kopf gestellt. Ständig neue Erkenntnisse
bei den Ermittlungen. Ständig neue Vorkommnisse. Ständig neuer Input. Das ist
genial gemacht! Ich würde diesen Stil wie folgt beschreiben: Schnell getaktete
Ereignishaftigkeit.
Da
kann man auch verschmerzen, dass Strobel sich nicht lange mit ausführlichen Charakterisierungen
der Figuren aufhält. Die braucht es aber auch gar nicht. Der Thriller lebt von
der erzeugten Spannung, von Handlungsreichtum und der genannten
Ereignishaftigkeit. Das reicht völlig!
Und
der Autor löst sich auch von den klassischen abwechselnden Perspektivwechseln,
wie man sie aus anderen Thrillern kennt. Die Handlung wird geradlinig erzählt,
ohne längere Einschübe und ohne dass man sich als Leser fragen muss, wie
unterschiedliche Blickwinkel womöglich zusammenhängen. Doch trotzdem wird auf
eine geniale Idee zurückgegriffen: Der Beschuldigte selbst schreibt seinen
eigenen Psychothriller, und zwar während er in Untersuchungshaft sitzt und
seinen Aufenthalt dort reflektiert. Und warum ist das genial? Weil man als
Leser:in dadurch nicht weiß, ob der Erzähler, Patrick, tatsächlich die Wahrheit
berichtet oder ob er nur Schutzbehauptungen aufstellt. Gleichzeitig ist diese
Idee raffiniert, weil durch kluge Vorausdeutungen des Beschuldigten die
Spannung weiter angeheizt und die Neugier des Lesers/ der Leserin weiter
befeuert wird. Dennoch habe ich mir eine Frage gestellt: Warum berichtet
Patrick eigentlich nicht in der Ich-Perspektive, wenn er über sich selbst
schreibt? Das hätte für mich irgendwie besser gepasst.
Was
beim Lesen bei mir ebenfalls Emotionen ausgelöst hat, war der Umstand, dass man
sich über Patricks naives Verhalten oft wundert. Er ist unvorsichtig, zieht wenig
in Zweifel. Er lässt sich an der Nase herumführen und tappt in die Fallen, die
ihm gestellt werden. Oder ist er etwa derjenige, der die anderen an der Nase
herumführt? Was ist real, was ist fiktiv? Einfach toll gemacht, dieses Spiel
mit der Wirklichkeit. Hier erzielt das Mittel des unzuverlässigen Erzählers,
das ich sehr mag, eine wunderbare Wirkung. Auch die Frage, wie lange seine Frau
noch zu ihm hält, trieb mich beim Lesen um. Ebenfalls gelungen!
In
der Mitte des Romans gibt es eine interessante Wendung in Form eines
Telefonanrufs, das hat die Spannungskurve in meinen Augen noch einmal forciert.
Und ab Kapitel 26 gibt es eine gut gemacht Zäsur im Hinblick auf den gewählten
Blickwinkel, aus dem die Ereignisse geschildert werden. Das sorgt noch einmal
für Abwechslung. Die Auflösung am Ende ist in sich schlüssig, auch wenn sie
sich nach meinem Dafürhalten nicht so rund und eingängig wie der Rest des Buchs
liest. Lobenswert ist auch das Nachwort, das interessante
Hintergrundinformationen zum Fall enthält. Das ist eine gute Nachbereitung zum
Gelesenen. Toll!
Fazit:
Ein Thriller, der packt und mitreißt, und zwar von der ersten bis zur letzten
Seite. Ich habe es an einem Tag durchgelesen, so sehr war ich gefesselt. Wenn
ein Buch eine solche Wirkung hinterlässt, dann ist es eines von seltenen
Highlights, das kann nur 5 Sterne bedeuten. Absolute Leseempfehlung für alle
Thriller-Fans!
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