Erbstreitigkeiten und Familiengeheimnisse
In
ihrem Thriller „Der Tod der Mrs. Westaway“ entwirft Ruth Ware eine interessante
Protagonistin: Eine Tarot-Kartenlegerin, Kurzform Hal, die unverhofft ein Erbe
ihrer vermeintlichen Großmutter antreten soll. Sie zeichnet sich durch eine
gute Beobachtungsgabe und Gutmütigkeit aus. Sie nimmt ihre Kunden nicht einfach
aus, sondern sie hat das Herz am rechten Fleck. Das wird gut deutlich! Doch
leider hat sie Geldschwierigkeiten, da kommt eine mögliche Erbschaft gerade
recht. Und schon auf den ersten Seiten fragt man sich, was es mit der Erbschaft
auf sich hat und wie die Protagonistin damit umgehen wird. Wird sie die anderen
Familienmitglieder täuschen, um an das Geld zu kommen? Wie wird sie sich
entscheiden? Wird sie das Erbe antreten, das ihr eigentlich nicht zusteht? Oder
kommt ihr vielleicht vorher jemand auf die Schliche?
Der
Thriller wird weitestgehend geradlinig erzählt, wir folgen Hal und ihren
Gedanken, sind nah an ihr dran. Nur ab und zu gibt es ein paar eingeschobene
Kapitel, die aus der Sicht einer anderen Figur erzählt werden. Hier entsteht
der Reiz dadurch, dass man nicht weiß, aus welchem Blickwinkel die Ereignisse
geschildert werden. Es dauert eine gewisse Zeit, bis aufgelöst wird, wer dort
berichtet. Das erzeugt Neugier beim Lesen.
Spätestens
mit Hals Eintreffen beim Herrenhaus wird auch eine schauerliche Atmosphäre
erzeugt. Das liegt einerseits an dem gut beschriebenen Handlungsort,
andererseits an der mysteriösen Mr. Warren, der Haushälterin, die sich
eigenartig verhält. Sie erscheint zornig, wütend und misstrauisch. Bei ihr
fragt man sich die ganze Zeit, was sie im Schilde führt.
Auch
einige Wendungen werden von der Autorin geschickt platziert. Das verleiht der
Handlung noch einmal Triebkraft und sorgt für Überraschungseffekte. Die Autorin
versteht ihr schriftstellerisches Handwerk! Nur die Auflösung am Ende hat mich
dann doch nicht so recht überzeugt. Ich fand sie weder sonderlich überraschend
noch besonders einfallsreich. Auch Tempo, Dynamik und Spannung hätten insgesamt
ausgeprägter sein können.
Fazit:
Typisch Ruth Ware! Ein abgelegener und von der Außenwelt weitestgehend
abgeschnittener Handlungsort, eine interessante Hauptfigur und ein
überschaubares, gut aufeinander abgestimmtes und durchdacht angelegtes
Figurenensemble machen den Reiz dieses Thrillers aus. Lediglich das Ende hätte
überraschender ausfallen können. Und auch die Spannung hätte nach meinem
Empfinden stärker ausgeprägt sein können. Auch Tempo und Dynamik fehlten mir. Deshalb
„nur“ 4 Sterne!
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