Rivalität und Gier
Mr. Dean Forsyth, 45 Jahre alt und Hobbyastronom, beschäftigt sich den größten Teil des Tages damit, den Himmel nach Planeten und Sternen abzusuchen. Er träumt davon, ein Objekt zu entdecken, das einmal nach ihm benannt wird. Er verfügt über ein kleines, aber feines Observatorium, ausgestattet mit Teleskopen und Fernrohren. Eines Tages glaubt er, einen Asteroiden gefunden zu haben.
Doch mit Doktor Sydney Hudelson hat Forsyth einen Rivalen. Ebenso wie dieser widmet er sich ebenfalls der Erforschung des Kosmos. Und auch er glaubt, einen Asteroiden beobachtet zu haben. Fortan entwickelt sich ein Wettstreit der beiden Hobbyforscher um die Frage, wer das Objekt als erstes bemerkt hat. Es läuft auf einen Konflikt beider Männer hinaus, der letztlich sogar vor Gericht landet…
Besondere Brisanz erhält die Entdeckung zusätzlich dadurch, dass die Pariser Sternwarte herausfindet, dass der Asteroid aus purem Gold besteht. Fortan bemüht man sich darum, den Wert des Himmelskörpers zu berechnen. Und natürlich kommt es, wie es kommen muss. Hudelson und Forsyth beanspruchen den Besitz des Meteors jeweils für sich, wenn er auf der Erde aufschlägt. Die Gier der beiden sucht ihresgleichen…
Doch beide Hobby-Astronomen haben die Rechnung ohne Zephyrin Xirdal gemacht. Auch er hat es auf den Himmelskörper abgesehen. Er plant dessen Umlaufbahn so abzulenken, dass er auf einem Grundstück einschlägt, welches er zuvor käuflich erworben hat. Dafür entwickelt er ein entsprechendes Gerät…
Der Erzählton ist satirisch-amüsant, v.a. bei den Charakterisierungen der Figuren musste ich schmunzeln. In meiner Rezension möchte ich thematisieren, inwieweit es sich bei „Die Jagd nach dem Meteor“ um einen Klassiker handelt. In gewisser Weise ist das der Fall. Jules Verne gehört zu den meistübersetzten Autoren überhaupt, er war zu seinen Lebzeiten sehr erfolgreich (auch wenn das kein Kriterium ist), schrieb insgesamt 98 Bücher (eine beeindruckende Leistung) und seine Werke werden heute immer noch gelesen (Jules Verne starb 1905). Er behandelt in diesem Buch zeitlose Themen, die in meinen Augen auch heute noch Relevanz besitzen: Rivalität von Forschenden, menschliche Gier und Kapitalismus-Kritik. Zudem hat Jules Verne die nachfolgende Science-Fiction-Literatur stark beeinflusst (noch ein Argument für einen Klassiker).
Kritiker mögen aber beanstanden, dass das Werk erst posthum veröffentlicht wurde (1908) und vom Sohn überarbeitet wurde. Das nimmt dem Buch die Authentizität. Hinzu kommt, dass es ein relativ unbekanntes Werk ist. Das spricht gegen die Einschätzung, dass es sich um einen Klassiker handelt. Und das Kriterium, das am meisten umstritten sein dürfte, ist das von hoher literarischer Qualität (wobei erst einmal genauer definiert werden müsste, was man darunter versteht und wie man sie denn ermitteln kann). In sprachlicher Hinsicht ist „Die Jagd nach dem Meteor“ nämlich nicht sonderlich anspruchsvoll oder innovativ. Es ist ein (trivialer?) leicht zugänglicher Stil, noch dazu humorvoll gestaltet. Aber ist es deswegen kein Klassiker? Es lohnt sich einmal darüber nachzudenken… Und wer mag, kann Bezüge zu den gegenwärtigen Diskussionen um den deutschen Buchpreis herstellen. Sind es nicht v.a. Bücher mit Klassikerpotential, die diesen Preis erhalten? Müssen sie nicht v.a. den Anspruch von hoher literarischer Qualität erfüllen? Aber was heißt das im Umkehrschluss? Dass ein Werk eine umso höhere literarische Qualität aufweist, desto chiffrierter, innovativer und anspruchsvoller die inhaltliche und die sprachliche Gestaltung ausfällt? Oder ist ein klar zugänglicher Stil nicht gewinnbringender für das Lesepublikum? Kann der Ausschluss eines breiteren Leserkreises sinnvoll sein, wenn es um die Vergabe eines Literaturpreises geht? Kann es das Ziel sein, dass nur ein kleiner auserlesener Kreis die hohe literarische Qualität von Büchern zu schätzen vermag? Für mich wäre das ein sehr elitärer Zugang zu Literatur…
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