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Montag, 29. April 2024

Verne, Jules - Reise um den Mond

Faszinierend


Zwei meiner antiquarisch erworbenen Bücher habe ich bereits besprochen. Nun kommt der dritte Titel. Und was soll ich sagen. Jules Vernes „Reise um den Mond“ (1869) war ein absoluter Volltreffer! Rund 100 Jahre vor der eigentlichen Mondlandung beschreibt der Autor, wie eine solche Expedition aussehen könnte. Für mich war diese Lektüre besonders reizvoll, weil ich wissen wollte, welche fiktiven Vorstellungen von einer möglichen Weltraumreise und vom Erdtrabanten zu so einem frühen Zeitpunkt existierten. Wichtige Hintergrundinformation: Es ist die Fortführung des Bandes „Von der Erde zum Mond“ (1865), in dem es um die Vorbereitungen der Expedition geht, nicht um die Reise selbst. Und den Autor muss ich nicht vorstellen. Er war und ist einer der bekanntesten Autoren überhaupt. Seine Werke „wurden in 143 Sprachen übersetzt, und er dürfte zu seinen Lebzeiten der meistgelesene Autor der Welt gewesen sein“ (Lexikon der Science-Fiction-Literatur 1987: 32). Ich stütze mich bei meiner Besprechung auf eine Ausgabe von 1969 (Ullstein Urlaubs-Klassiker 595).

 

Drei Personen werden mit Hilfe eines 270 Meter langen Geschosses in den Orbit katapultiert. Das Projektil wird mit Lebensmitteln für ein Jahr, Wasser für mehrere Monate und Gas für ein paar Tage ausgerüstet. Eine automatisch arbeitende Vorrichtung versorgt die Insassen mit Atemluft. Der Flug wird mit Hilfe eines riesigen Teleskops von der Erde aus beobachtet. Es wird eine Flugdauer von ca. 97 Stunden angenommen. Als Leser habe ich mit Interesse das Schicksal der drei Mondfahrer verfolgt und mich gefragt, ob ihr waghalsiges Unternehmen gelingt, ob sie zur Erde zurückkehren und was sie auf dem Mond vorfinden.

 

Wir erleben mit, wie die Mondforscher den Start ihres Projektils erleben und was sie im Weltraum wahrnehmen. Während ihrer Reise nehmen die Forscher die köstlichsten Speisen zu sich, um die Zeit zu überbrücken. Viel Raum nehmen auch die Schilderungen zu Hypothesen der Insassen über den Mond ein: Gibt es dort eine Atmosphäre oder eine Art Lufthülle? Existiert dort Vegetation oder gar (intelligentes) Leben? Mit Spannung habe ich die Ankunft der drei Männer auf dem Mond erwartet. Was werden sie dort finden? Zwischendurch werden auch immer wieder spannungserregende Impulse gesetzt: So merken die Passagiere, dass bei der Berechnung der Startgeschwindigkeit ein Rechenfehler begangen wurde. Und die drei Männer stellen erst auf ihrer Reise Überlegungen dazu an, wie sie eigentlich zur Erde zurückkehren können. Wird ihre Rückreise gelingen? Zudem gibt es auch amüsante Passagen. So unterhalten sich die Forscher an einer Stelle darüber, zu welchen Zweck sie überhaupt den Mond bereisen. Dabei wird deutlich, dass es ihnen vor allem darum geht, als erste Besitzansprüche über den Trabanten zu erheben.

 

Was ich besonders faszinierend fand, waren die vielen technischen und physikalischen Ideen sowie die Vorstellungen zur Beschaffenheit von Weltraum und Mond, die Jules Verne in seinen Roman einfließen lässt. So kann man indirekt Rückschlüsse über das Wissen jener Zeit ziehen. Das Projektil verfügt z.B. über Bremsraketen, um sanft landen zu können. Auf ihrer Reise entdecken die Forscher auch einen kleineren Trabanten, der von der Erde aus nicht sichtbar ist, weil er sich zu schnell um die Erde bewegt. Interessant! Mich führte das direkt zur Frage, ob es eine solche Theorie zu jener Zeit tatsächlich gab. Die geringere Gravitation des Mondes wird als Kenntnisstand ebenso in die Handlung einbezogen wie die zeitgenössische Theorie eines Äthers und das Phänomen von Schwerelosigkeit (für mich überraschend!). Die Insassen sind Wissenschaftler durch und durch. Verschiedene Hypothesen werden diskutiert, u.a. auch ob der Mond vielleicht ein von der Gravitation der Erde eingefangener Komet ist. Spekulationen über die Raumtemperatur des Weltalles kommen vor. Aus heutiger Sicht amüsant, ist die Beschreibung, wie die Mondfahrer die Temperatur messen: Sie öffnen blitzschnell das Fenster des Projektils, werfen des Thermometer für eine halbe Stunde hinaus und erhalten dann einen Wert von -140 Grad. Noch etwas: Fälschlicherweise wird eine Eigenrotation des Mondes angenommen.

 

Besonders interessant sind dann die Ausführungen über die Oberfläche und über die geologischen Strukturen des Erdtrabanten. Dabei legt der Autor Wert auf eine sehr präzise, teils sogar tabellarisch auflistende Beschreibung. So wird z.B. die Höhe der verschiedenen Mondgebirge und Mondberge angegeben (wenn auch nicht korrekt, wenn ich selbst richtig recherchiert habe). Erstaunlich! Hier habe ich mich gefragt, woher der Autor seine Angaben hat. Sind sie fiktiv erdacht oder stützt er sich auf eine Quelle der damaligen Zeit? Das lässt sich für mich leider mit meinen begrenzten Recherchemöglichkeiten auf die Schnelle nicht rekonstruieren. Aus einiger Entfernung meinen die Mondfahrer sogar einen Vulkanausbruch auf der Mondoberfläche sehen zu können. Und sie entdecken Schnee. Auch die Mondkrater werden in den Blick genommen (hier sind die Angaben des Durchmessers wiederum mit geringen Abweichungen korrekt, wie meine Recherche ergab). Der Vergleich mit dem Wissen der heutigen Zeit kann unterhaltsam sein. Durch die Lektüre dieses Buchs wird man förmlich dazu gezwungen, sich näher mit der Geographie des Mondes zu beschäftigen. Für mich ein großer Pluspunkt dieses Klassikers.  

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