König Fußball
Einige
der unvergesslichen Momente lässt Vogelsang dann wieder aufleben. Und wir als
Leserinnen und Leser dürfen dabei in Erinnerungen schwelgen. Es werden in den
insgesamt sieben Kapiteln unterschiedliche thematische Schwerpunkte gesetzt. Im
ersten Kapitel erinnert sich Vogelsang zurück an den Sieg der Griechen bei der
Europameisterschaft 2004. Ein Wunder, mit dem damals niemand gerechnet hat. Wie
ist dieser Titel überhaupt möglich geworden? Der Autor rückt vor allem die
große Bedeutung von Topalidis als Co-Trainer von Rehagel ins Zentrum der Aufmerksamkeit.
Er ist es v.a., der die Sprachbarriere zwischen Trainer und Mannschaft
überbrückt und damit den Grundstein für den griechischen Erfolg ermöglicht.
Sehr interessant! Auch die Höhepunkte der Spiele der Griechen bei der EM werden
packend, leidenschaftlich und emotional geschildert. Das erste Kapitel hat mir
am besten gefallen!
Weitere
große Momente der Fußballgeschichte erwarten uns auch in Kapitel 2, in dem
Vogelsang Mehmet Scholl näher porträtiert. Mit seiner flapsigen Art eckte
dieser oft an, war aber stets ein wichtiger Stimmungsmacher in der Kabine. Das
schwierige Verhältnis zu Berti Vogts und zum DFB wird ebenso thematisiert wie
sein Wirken als Fernsehkommentator. Im Laufe seiner Fernsehkarriere gerät Scholl
in Konflikte mit Joachim Löw, den er allzu oft offen und scharft kritisiert.
Und auch mit der ARD kommt es zum Zerwürfnis. Letztlich manövriert sich Scholl
selbst ins Abseits.
In
Kapitel 3 wird das TV-Format des Dschungelcamps vorgestellt, an dem inzwischen zahlreiche
bekannte Fußballspieler teilgenommen haben. In meinen Augen hätte Vogelsang
gerne auf dieses Kapitel verzichten können und stattdessen eher einen weiteren
erinnerungswerten fussballerischen Augenblick betrachten können. Aber nun gut…Geschmackssache.
Nach und nach werden sie uns alle in Erinnerung gerufen: Jimmy Hartwig, Eike Immel, Ailton, Thorsten
Legat, Thomas Häßler (!).
Auch
im vierten Kapitel wird ein (schillernder) Fußballer porträtiert: Tim Wiese. Wieder
eine Person, die stark polarisiert. Seine Karrierestationen werden nachgezeichnet.
Es ist v.a. die Geschichte eines tragischen Karriereendes. In der Nationalmannschaft
kann er sich nicht durchsetzen, in Hoffenheim wird er schließlich ausrangiert. In
jüngster Zeit hat Wiese durch weitere negative Schlagzeilen auf sich aufmerksam
gemacht.
Im
fünften Kapitel lernen wir Christian Fährmann kennen, ein Kind der Hertha. Auch
hier widmet sich der Autor vor allem den negativen Entwicklungen in Fährmanns
Lebenslauf. Hat mich nicht wirklich erreicht. Kapitel 6 wird dann wieder
besser. Es geht um den Verein Cosmos New York, der zunächst Pele, dann
Beckenbauer holte, um Fußball in den USA massentauglich zu machen. Beide wurden
zu den Zuschauermagneten, die man sich gewünscht hatte. Und New York lag ihnen zu Füßen. Was gut deutlich wird: USA war zu jener Zeit noch
Fußballentwicklungsland. Die Zuschauer fremdelten noch mit dem Sport. Eine
andere Zeit, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Für mich auch
deshalb ein interessantes Kapitel, weil es weit zurückliegt (Mitte der 70er
Jahre).
Im
letzten Kapitel geht es abermals um eine tragische Figur des Fußball: Paul
Gascoigne. Zwar werden auch seine fußballerischen Leistungen gewürdigt (WM 1990
und EM 1996), aber es geht v.a. wieder um seinen tiefen Sturz in den Alkohol.
Ihm gegenübergestellt wird sein einstiger Widersacher Vinnie Jones, der einen
beispielhaften Aufstieg als Schauspieler hinlegte. War mir inhaltlich zu
reißerisch…
Was
auffällt: Vogelsang versteht es in den einzelnen Kapiteln sehr gut, aus den
Geschehnissen eine Erzählung zu formen. Auch der Schreibstil ist gelungen und
oft sehr kreativ, wenn auch oft reißerisch. Es ist ein Text, der auf
Unterhaltung abzielt. Emotionen sollen geweckt werden. Hat mich vor allem an
den Stil in Boulevardmedien erinnert. Die Kapitel lesen sich allesamt sehr
flüssig und eingängig. Der Inhalt ist kurzweilig. Ich hätte mir allerdings
gewünscht, dass das Spiel noch mehr im Mittelpunkt gestanden hätte. Vor allem
die packende Schilderung von großen Momenten auf dem Platz haben mich
interessiert. Und auch der Ausflug in die 70er Jahre hat mir zugesagt. Dem
Autor geht es aber oft um den „Menschen“ hinter dem Spieler. Spielerporträts
stehen inhaltlich stark im Vordergrund. Allerdings wird dabei eine
Etikettierung des Spielers von außen vorgenommen. Die Meinung zu Fußballern und zur Wahrnehmung von
Geschehnissen auf dem Platz wird stark gelenkt. Eine sachlich-neutrale
Bestandsaufnahme darf man jedenfalls nicht erwarten. Und der Autor beschränkt
sich v.a. auf solche Momente, die von den Medien bereits entsprechend
ausgeschlachtet worden sind. Oft konzentriert er sich auf Negatives, v.a.
tragische Abstürze und Misserfolge scheinen ihm eine Betrachtung wert zu sein. Somit
komme ich zu einem gemischten Urteil. Ich erkenne viel Potential in dem
Geschriebenen, es gab zahlreiche Passagen, die ich interessant und packend
fand. Aber oft war es mir auch zu reißerisch (ja, das habe ich schon mehrfach
erwähnt). So komme ich auf 3 Sterne!
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