„Shams – eine Sonne aus dem dunkelsten Loch der Hauptstadt“
Der
Roman „Palast der Miserablen“ ist der letzte Roman von Abbas Khider, der mir
noch fehlt, um mir einen Gesamtüberblick über das Werk dieses Autors zu
verschaffen. Alle anderen Romane aus der Feder von Khider habe ich gelesen
(vgl. frühere Rezensionen). Und auch dieses Buch fügt sich wie ein Puzzlestück
ein in ein größeres Gesamtbild.
Dieses
Mal wird ein detaillierter und realistisch anmutender Blick auf die
Lebensumstände im Irak um die Jahrtausendwende herum geworfen. Wir begleiten
das Schicksal des Jungen Shams Hussein, aus dessen Perspektive in Ich-Form
berichtet wird. Und in keinem der anderen Bücher von Khider wird ein solch
intensiver und facettenreicher Blick auf den Irak gerichtet wie in diesem. Das
Thema der „Flucht“ bleibt dieses Mal interessanterweise weitestgehend
ausgespart.
Wir
tauchen ein in ein Land, das von Krieg erschüttert und heimgesucht wird. Wir
begleiten eine vierköpfige Familie aus ärmlichen Verhältnissen, die sich aus
dem Süden des Landes auf den Weg Richtung Bagdad macht, um dort ihr Glück zu
versuchen und eine neue Heimat zu finden. Immer wieder eingeschoben werden
kurze Kapitel einer anderen Zeitebene, in denen sich der Ich-Erzähler in Haft
befindet und mit den grausamen Bedingungen dort kämpft. Beide Handlungsstränge
laufen auf eine Katastrophe zu und kulminieren in einem bedrückenden, offenen Ende.
Die
Zustände im Land werden sehr anschaulich dargestellt. Die Armut im Land ist
förmlich greifbar. Das Leid der Familie, die mit den Wirren des Krieges zu
ringen hat, wird schonungslos aufgezeigt. Das ist schon sehr emotional und
belastend. Wir erleben ganz einfache Leute, die mit dem Umständen umzugehen
versuchen und das Beste daraus zu machen. Und zwischen den Zeilen schwingt
punktuell auch feiner Humor und feine Ironie mit, trotz der geschilderten
Widrigkeiten. Und was auch andere Werke des Autors auszeichnet: Es wird nichts
beschönigt, es wird kein Blatt vor den Mund genommen. Das konfliktreiche
Familienleben wird dabei ebenso beschrieben wie der tägliche Überlebenskampf in
der sog. Blechstadt, einem Armenviertel in der Nähe eines Müllbergs. Und auch das
alltägliche Dorfleben wird in all seiner Schrulligkeit, aber auch Grausamkeit dargestellt.
Die Darlegung wirkt dabei sehr authentisch und realistisch. Punktuell gibt es
auch einmal schwer auszuhaltende Passagen, in denen Gewalt eskaliert. Insbesondere
die schwierige Rolle der Frau in der patriarchalisch geprägten Gesellschaft
wird dabei immer wieder mal thematisiert. In diesem Zusammenhang fand ich die
Gestaltung der Beziehung des Ich-Erzählers zu seiner Schwester sehr
interessant.
Fazit:
Ein Werk von Khider, in dem einmal die Lebensbedingungen im Irak um die
Jahrtausendwende herum thematisiert werden. Anders als in den anderen Büchern
des Autors geht es dieses Mal nicht um das große Thema „Flucht“, sondern es
wird am Beispiel einer einfachen vierköpfigen Familie ein schonungsloser Blick
auf den grausamen und harten Alltag geworfen. Die Schilderung des täglichen
Überlebenskampfs in der Diktatur unter Saddam Hussein geht unter die Haut.
Betroffen verfolgt man das Schicksal der Hauptfigur Shams Hussein. Ich vergebe
5 Sterne und spreche eine Leseempfehlung aus.
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