Nicht so gut wie „Im dunklen, dunklen Wald“
Nachdem
mich das Debut von Ruth Ware überzeugt hat (vgl. eine frühere Rezension),
wollte ich noch mehr von ihr lesen. So entschied ich mich für das Werk „Woman
in cabin 10“, bei dem die Autorin eine interessante Figur entwirft und einen
beklemmenden Handlungsort wählt.
Die
Journalistin Lo befindet sich in einem psychisch labilen Zustand. Kurz vor
Antritt ihres Jobs auf dem Kreuzfahrtschiff Aurora, einem Luxuskreuzer der
Extraklasse, wird sie Opfer eines Überfalls. Noch dazu hat sie ein
Alkoholproblem und ist depressiv. All das verunsichert den Leser, man weiß
nicht so recht, ob man den Wahrnehmungen von Lo trauen kann. Und ähnlich geht
es auch den Mitreisenden auf der Aurora, als Lo meint, Zeugin eines Mordes
geworden zu sein, ohne dass sich dafür jedoch überhaupt ein Nachweis finden
lässt. Das ist erzählerisch schon gut gemacht. Ruth Ware bedient sich des
Mittels einer unzuverlässigen Erzählerin und das hat mir auch sehr gut
gefallen. So etwas mag ich. Was ebenfalls gut gelungen ist, sind die Einschübe
von Vorausdeutungen in Form von Zeitungsberichten. Ich wollte als Leser genauer
wissen, was denn nun eigentlich an Bord des Schiffes passiert ist. Auch der
Handlungsort ist gut gewählt. Die Autorin beschreibt sehr gut die Extravaganz
des Kreuzfahrtschiffs und fängt die Atmosphäre gut ein. An Bord befinden sich
vor allem Passagiere einer höheren Gesellschaftsschicht. All das kommt gut zum
Ausdruck.
Doch
leider gibt es auch Dinge, die mir nicht so gut gefallen haben. So reicht das
Werk in Bezug auf Charakterzeichnung und Dialogführung nicht an das Debut „Im
dunklen, dunklen Wald“ heran. Die Nebenfiguren bleiben blass und sind nicht so
gut ausgearbeitet. Auch die Dialoggestaltung ist nicht so gut, wie sie im Erstlingswerk
war. Auch was Tempo und Dynamik sowie überraschende Wendungen betrifft, kann
„Woman in Cabin 10“ nach meinem Empfinden nicht mit dem Debut mithalten. Die
Handlung vollzieht sich deutlich gemächlicher. Und was mich am meisten
enttäuscht hat, war die Auflösung am Ende. Diese wirkte auf mich doch zu stark
konstruiert. So bleiben also Licht und Schatten, wenn ich diesen Thriller
beurteilen soll. Auf der einen Seite ist er erzählerisch gut gemacht, auf der
anderen Seite gibt es auch einiges zu bemängeln. Ich vergebe 3 Sterne und
spreche eine Leseempfehlung für solche Leser:innen aus, die das Mittel des
unzuverlässigen Erzählens mögen und mit Abstrichen bei der Auflösung leben
können.
Fazit:
Ein durchschnittlicher Thriller aus der Feder von Ruth Ware. Erzählerisch gut
gemacht, aber nicht so temporeich wie das Debut. Auch Charakterzeichnung und
Dialogführung lassen zu wünschen übrig. Die Auflösung ist sehr konstruiert. Es
gibt bestimmt bessere Bücher der Autorin. Dass Ruth Ware schriftstellerisches Potential
hat, zeigt sie jedenfalls. Ich werde noch weitere Thriller von ihr lesen, um
mir einen besseren Überblick über ihr Werk zu verschaffen.
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