Starker Beginn, dann deutlicher Qualitätsverlust
Das
Debut „Bekenntnisse eines Betrügers“ von Rahul Raina startet vielversprechend,
die ersten 130 Seiten haben mir gut gefallen. Leider lässt das Werk dann nach
meinem Dafürhalten aber stark nach. Nachdem Rudi durch die Hilfe des
Bildungsberaters Ramesh ein rekordverdächtig gutes Ergebnis bei den
Aufnahmeprüfungen der Universität erzielt, „driftet“ die Handlung für mich zu sehr
in Richtung Gangster-Komödie ab. Dabei wird die scharfzüngige und bissige
Gesellschaftskritik immer mehr zur Nebensache und rückt zu sehr in den
Hintergrund. Stattdessen verändert sich die Handlung mehr in Richtung eines
unrealistischen Trips im Stil einer Komödie wie „Hang Over“. Das entsprach
nicht meinem Geschmack. Und leider empfand ich die Darstellung auch nicht als
sonderlich witzig, anders als im Klappentext versprochen.
Das
ist sehr schade, denn der Beginn dieses Romans ließ etwas anderes erwarten:
eine satirische Aufsteigergeschichte. Die lieblose Beziehung zum Vater wird gut
dargestellt, ebenso die Begegnung mit der Nonne Claire, die Ramesh fördert und
ihm eine Aufstiegschance ermöglicht. Hinzu kommt ein grober, emotional-expressiver
und teils vulgärer Erzählton, der Rameshs Wut aufs System sehr gut deutlich
werden lässt. Man spürt die Verachtung des Ich-Erzählers gegenüber seinem
eigenen Heimatland. Zu viele Enttäuschungen hat er erlebt, zu viele
Ungerechtigkeiten mitangesehen. Dementsprechend drastisch sind die Worte, mit
denen Ramesh Indien beschreibt. Er hadert mit den Zuständen im Land, er beklagt
vor allem die soziale Ungleichheit, die Korruption und kritisiert das
Bildungssystem. Das alles ist erzählerisch gut gemacht und interessant zu
lesen. Lediglich ein Nachwort mit Informationen zum indischen Bildungssystem
und zu den Aufnahmeprüfungen an den Universitäten hätte ich mir noch gewünscht.
So habe ich mich beispielsweise schon gefragt, ob das Ansehen eines erfolgreichen
All-India-Kandidaten tatsächlich so immens ist.
Leider
entwickelt sich die Handlung dann nach 130 Seiten in eine Richtung, die ich längst
nicht mehr so fesselnd und aufschlussreich fand. Die Tiefgründigkeit geht
verloren, facettenreich geschilderte Beziehungsverhältnisse gibt es nicht mehr.
Die Aufsteigergeschichte verliert an Bedeutung. Das fand ich sehr schade. Stattdessen:
Wenig Ernsthaftes, wenig Gesellschaftskritisches.
Fazit:
Ein Roman, der interessant und gesellschaftskritisch startet, dann aber ab
Seite 130 in meinen Augen enorm an Qualität verliert. Aus der anfangs noch
tiefgründigen Gesellschaftskritik wird eine turbulente und oberflächliche
Gangster-Komödie. Leider entsprach das nicht meinem Geschmack, deshalb nur 3
Sterne und eine eingeschränkte Leseempfehlung.
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