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Mittwoch, 9. Oktober 2024

Hannig, Theresa - Parts per Million. Gewalt ist eine Option


Was wäre, wenn sich die Klimabewegung radikalisierte?



Endlich mal ein Klima-Thriller, der mich von Anfang bis Ende gefesselt hat! Und noch dazu, ist er sehr nah am Puls der Zeit und wirkt sehr, sehr realistisch. Es handelt sich um ein „near-future-Setting“ mit folgendem Ausgangsszenario: Was wäre, wenn sich die Klimabewegung radikalisierte und zu einer Terrororganisation mutierte, die ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen möchte? Eine Vorwarnung aber vorweg: Man sollte auf jeden Fall politisch interessiert sein und sich mit der Klimabewegung beschäftigen wollen. So werden den einzelnen Kapiteln z.B. immer wieder Meldungen aus diversen Medien vorangestellt, in denen die Auswirkungen des Klimawandels in Form der Schilderung von Umweltkatastrophen problematisiert werden. Und man lernt im Laufe der Lektüre verschiedene politische Standpunkte kennen.

 

Das genannte Szenario der Radikalisierung der Klimabewegung wird am Beispiel der Ich-Erzählerin Johanna Stromann durchgespielt, deren negative Charakterentwicklung wir nachvollziehen. Sie ist Autorin, muss sich anfangs selbst mit „Klima-Klebern“ herumschlagen und entwickelt aus dieser Begegnung heraus die Idee, ein Buch über die Klimabewegung zu schreiben. Wir erhalten zu Beginn einen interessanten Einblick in den Entstehungsprozess des Buches und erleben mit, wie es immer mehr Formen annimmt. Johanna nimmt Recherchen auf, besucht Aktivisten und nimmt an Aktionen teil. Dabei lernt sie das kapitalismuskritisch Denken der Bewegung kennen.

 

Johanna fällt es zunehmend schwer, sich sachlich-distanziert zum Geschehen zu verhalten, das sie bei ihren Recherchen zum Buch erlebt. Sie wird durch Reden und Aktionen stark emotionalisiert und beginnt an der Richtigkeit ihrer eigenen bürgerlichen Existenz zu zweifeln. Immer stärker entwickelt sie eine Leidenschaft für den Klima-Aktivismus, engagiert sich immer mehr. Und sie entfremdet sich zusehends von ihrer eigenen Familie. Nach einem traumatischen Erlebnis auf einer Demonstration ändert Johanna ihren Standpunkt gründlich. Sie beginnt am Rechtsstaat zu zweifeln, radikalisiert sich schließlich, gerät immer mehr auf die schiefe Bahn und es liest sich sehr spannend, wie sich Johanna entwickelt. Über allem schwebt stets auch die Frage, wie weit Johanna und die anderen Aktivisten gehen werden.


Interessant ist auch, das Beziehungsgefüge der Ich-Erzählerin näher in den Blick zu nehmen. Sie fühlt sich von ihrem Mann sehr in die Hausfrauenrolle gedrängt. Ihr Mann, der Vollzeit arbeitet und seine Frau bei Entscheidungen oft vor vollendete Tatsachen stellt, nimmt von ihrem Leben als Autorin und ihrem neuesten Buchprojekt kaum Notiz. V.a. die ungleiche Verteilung von Erwerbsarbeit und Pflichten innerhalb der Beziehung wird immer wieder erwähnt und wird zwischen beiden zum Streitthema. Durch die oben erwähnten Recherchen zu ihrem Buch erhält Johanna die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und verliert sich nach meinem Verständnis vermutlich auch aus diesem Grund in der Klimabewegung. Später leidet dann die Familie unter dem Radikalisierungsprozess von Johanna, die besessen ihr Buchprojekt verfolgt und immer extremere Maßnahmen zur Durchsetzung von Interessen ergreift. Fazit: Das Buch hat mich komplett überzeugt. 

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