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Mittwoch, 16. Oktober 2024

Brandhorst, Andreas - Der Riss


Leben wir in einer Simulation?



Für seinen neuesten Thriller hat sich Brandhorst ein tolles „near-future-Setting“ überlegt, bei dem v.a. das philosophische Gedankenkonstrukt der Simulationstheorie in die Handlung einfließt. Dieses Konstrukt wird geschickt mit dem Thema „Künstliche Intelligenz“ verknüpft. Die Zukunftsvision, die der Autor entwirft, kommt sehr düster daher. V.a. Kriege, Klimawandel und Pandemien beherrschen die Menschheit. Bei der Schilderung wird munter zwischen drei Handlungssträngen gewechselt, die ich kurz skizzieren möchte. Was ich aber nicht vorwegnehmen möchte, ist, wie sie zusammenhängen. Das möge jede und jeder selbst herausfinden.

 

Zu Beginn lernen wir den Hacker Flynn Darkster kennen, der in die Computersysteme des Pentagon eindringt und dabei erwischt wird. Wir erhalten auf diese Weise beiläufig einen erstklassigen Einblick in das Treiben eines Hackers. Sehr interessant! Flynn wird nach seinem Hack von einem Agenten namens Mr. Smith aufgesucht (schöne Anspielung auf Matrix), der ihm das Angebot macht, für die Spezialeinheit „Horatio“ zu arbeiten, die dem Verteidigungsministerium unterstellt ist und sich für einen möglichen Cyberkrieg rüstet. Was wird er im Rahmen seines neuen Jobs herausfinden?

 

In einem anderen Handlungsstrang lernen wir Alma Salome kennen, die nachts immer um die gleiche Zeit aus einem Albtraum erwacht, der sich sehr real anfühlt. In dem Traum begeht Alma Suizid. An ihrem Beispiel wird verdeutlicht, dass zwischen Traum und Wirklichkeit nur schwer unterschieden werden kann. Alma und ihre Erlebnisse werden später näher untersucht. Was wird man dabei entdecken? Sind ihre Albträume etwa ein Hinweis darauf, dass die Simulationstheorie stimmt?

 

In einem dritten Handlungsstrang lernen wir Dr. Hannah Tambey kennen, die eine KI mit dem Namen Jota betreut und mit dieser kommuniziert. Es handelt sich dabei um einen Supercomputer, der sich im Handlungsverlauf stetig weiterentwickelt (ich habe viele schöne Parallelen zu „das Erwachen“ und „die Eskalation“ ausfindig machen können). Mit Hilfe von Jota sucht man nach Anomalien, die als Risse bezeichnet werden. Gleichzeitig stellt sich Jota zunehmend Fragen zur eigenen Existenz. Wie wird es mit der KI weitergehen? Welche Erkenntnisse wird Jota hervorbringen?

 

Besonders lesenswert fand ich Passagen, die unmittelbar mit der Simulationstheorie zu tun hatten, sowie die Textstellen, in der Jotas Eigenleben geschildert wird. So integriert Brandhorst interessante Fragen, wie die folgenden, in die Handlung: Ist etwa die Existenz der Naturgesetze ein Beleg dafür, dass wir in einer programmierten Simulation leben? Ist das Vorhandensein von Übernatürlichem, über das in der Geschichte der Menschheit immer wieder berichtet wurde, ein Hinweis auf Fehler in der Simulation? Sind die immer noch nicht gänzlich verstandenen Phänomene auf Quantenebene Indizien für die Existenz einer vorgetäuschten Wirklichkeit? Und was könnte der Zweck einer solchen Simulation sein, wenn sie denn existiert? Auch die Ideen der Skalierung und des lokalen Fokus fand ich interessant.

 

Was ich sehr leserfreundlich finde, ist der Umstand, dass im E-book zu unbekannten Fachbegriffen aus dem Computer- und Physikbereich Hyperlinks angelegt worden sind, die man anklicken kann, so dass man direkt im angefügten Glossar im hinteren Teil des Buchs landet und nachlesen kann, was mit den Begriffen jeweils gemeint ist. Diese werden sehr verständlich und ausführlich erläutert. Danke dafür! Das erleichtert das Verständnis und so werde ich als Leser nicht überfordert.

 

Auch gibt es am Ende des Buchs noch ein hilfreiches Personenverzeichnis sowie ein aufschlussreiches und informatives Nachwort, in dem der Autor noch näher auf die Simulationstheorie und die Idee der Informationsdynamik sowie den Begriff der Entropie eingeht. Fünf Sterne kann ich für das Buch trotz der vielen Denkanstöße aber dennoch nicht geben. Dafür fehlte mir an einigen Stellen das Tempo. Auch der Grad an Spannung schwankt. Noch dazu fand ich die Personenzahl stellenweise etwas unübersichtlich. Dafür bietet das Buch aber reichlich Stoff zum Nachdenken und Philosophieren.

Sonntag, 13. Oktober 2024

Pellini, Petra - Der Bademeister ohne Himmel


Der Weg in die Erinnerungslosigkeit



Die 15-jährige Linda kümmert sich rührend um ihren dementen Nachbarn. Und das, obwohl sie selbst ihr Päckchen zu tragen hat und ihre Mutter sich mehr schlecht als recht um sie kümmert. Sie wirkt an vielen Stellen erstaunlich abgeklärt, vernünftig und erwachsen, ja fast weise und lebensklug. Linda behält jederzeit den Überblick über die Situation, hat eine Engelsgeduld und ist sehr geübt im positiven Denken. Hubert ist 86 Jahre alt und seit einigen Jahren Witwer. Sein Leben entgleitet ihm. Ohne pflegerische Hilfe kann er seinen Alltag nicht bewältigen. Gegen Ende des Buchs wird er zum Pflegefall. Durch die Augen der 15-Jährigen erleben wir mit, welche Einschränkungen Hubert hat. Er lebt in seiner eigenen Welt und die Ich-Erzählerin weiß, wie sie mit ihm umzugehen hat.

 

Einen humorvollen Effekt hat sich die Autorin überlegt, indem sie Ewa als polnische Pflegekraft mit ihrem radebrechenden Deutsch als zusätzliche Figur zur Unterstützung für Hubert einbaut. Linda und Ewa haben ein gutes Verhältnis zueinander. Ewa kommt etwas schräg, aber sehr warmherzig daher. Man sollte sich nicht daran stören, dass hier das ein oder andere Klischee bedient wird, damit es lustig wirkt. Weitere Figuren, die vorkommen, auf die ich aber hier nicht zu sehr eingehen möchte, sind die Tochter von Hubert, die die Pflege ihres Vaters lieber „outsourct“, sowie die Mutter von Linda, die sich mehr um ihren neuen Liebhaber als um die eigene Tochter kümmert.

 

Während der Lektüre habe ich v.a. darauf geachtet, ob mit Hubert würdevoll umgegangen wird. Und ich kann sagen, dass Hubert und seine Symptome dem Leser zwar leichtfüßig und auf heitere Art näher gebracht werden, aber ohne dass sich über ihn lustig gemacht wird. Hubert kommt liebenswürdig, aber mit allen Einschränkungen gut zum Ausdruck. Das ist der Autorin hervorragend gelungen. Das ist schließlich ein nicht leicht auszuführender Drahtseilakt! Die Schreibweise ist über weite Strecken „knuffig-kindlich“ (was auch an der Wahl von Lindas Perspektive liegt).

 

Noch etwas hat mich während der Lektüre beschäftigt: Kommen auch die dunklen Stunden von Huberts Erkrankung zum Ausdruck? So hatte ich zu Beginn den Eindruck, dass Huberts Leben äußerst „weichgezeichnet“ wird, die negativen Auswirkungen seines Zustands werden recht liebevoll und warmherzig dargestellt. Nicht an einer Stelle geraten Linda oder Ewa an ihre pflegerischen Grenzen. Und ich kann sagen, dass sich das gegen Ende des Romans ändert. Dann nämlich verschlechtert sich Huberts Zustand und es kommen auch andere Aspekte zum Ausdruck. Allerdings bleibt der Erzählton trotz der Tragik der Ereignisse leicht, warmherzig und „sonnig“. Ewa und Linda verlieren nie ihren liebenswürdigen Blick auf die Realität.

 

Es ist der Autorin wichtig, die Botschaft zu vermitteln, dass man auch mit einem Demenzkranken wie Hubert schöne Stunden verbringen kann. Es geht nicht um die Schilderung einer erschreckend harten Realität, die die Pflege eines Demenzkranken ja auch sein könnte. Pellini will ihrer Leserschaft nicht zu viel zumuten (außer am Ende des Buchs) und entscheidet sich für einen anderen inhaltlichen Zugang. Und das ist ja auch in Ordnung so. Man sollte nur mit der entsprechenden Erwartungshaltung auch ans Buch herangehen.

 

Was ich mir gewünscht hätte, wäre noch eine Information dazu, warum sich Linda überhaupt für Hubert verantwortlich fühlt. Wie haben sie sich kennen gelernt? Das bleibt leider eine Leerstelle, die nicht gefüllt wird. Schade! Auch der Spannungsbogen ist nicht sehr stark ausgeprägt. Es passiert nicht viel, was die Handlung vorantreibt. V.a. zu Beginn stagniert die Darstellung etwas und ähnelt sich stark. Die Erzählweise ist also eher ruhig, das sollte man mögen. Ein paar mehr Spielräume zur Interpretation wären ebenfalls noch wünschenswert gewesen. Von mir gibt es 4 Sterne!

Mittwoch, 9. Oktober 2024

Hannig, Theresa - Parts per Million. Gewalt ist eine Option


Was wäre, wenn sich die Klimabewegung radikalisierte?



Endlich mal ein Klima-Thriller, der mich von Anfang bis Ende gefesselt hat! Und noch dazu, ist er sehr nah am Puls der Zeit und wirkt sehr, sehr realistisch. Es handelt sich um ein „near-future-Setting“ mit folgendem Ausgangsszenario: Was wäre, wenn sich die Klimabewegung radikalisierte und zu einer Terrororganisation mutierte, die ihre Interessen mit Gewalt durchsetzen möchte? Eine Vorwarnung aber vorweg: Man sollte auf jeden Fall politisch interessiert sein und sich mit der Klimabewegung beschäftigen wollen. So werden den einzelnen Kapiteln z.B. immer wieder Meldungen aus diversen Medien vorangestellt, in denen die Auswirkungen des Klimawandels in Form der Schilderung von Umweltkatastrophen problematisiert werden. Und man lernt im Laufe der Lektüre verschiedene politische Standpunkte kennen.

 

Das genannte Szenario der Radikalisierung der Klimabewegung wird am Beispiel der Ich-Erzählerin Johanna Stromann durchgespielt, deren negative Charakterentwicklung wir nachvollziehen. Sie ist Autorin, muss sich anfangs selbst mit „Klima-Klebern“ herumschlagen und entwickelt aus dieser Begegnung heraus die Idee, ein Buch über die Klimabewegung zu schreiben. Wir erhalten zu Beginn einen interessanten Einblick in den Entstehungsprozess des Buches und erleben mit, wie es immer mehr Formen annimmt. Johanna nimmt Recherchen auf, besucht Aktivisten und nimmt an Aktionen teil. Dabei lernt sie das kapitalismuskritisch Denken der Bewegung kennen.

 

Johanna fällt es zunehmend schwer, sich sachlich-distanziert zum Geschehen zu verhalten, das sie bei ihren Recherchen zum Buch erlebt. Sie wird durch Reden und Aktionen stark emotionalisiert und beginnt an der Richtigkeit ihrer eigenen bürgerlichen Existenz zu zweifeln. Immer stärker entwickelt sie eine Leidenschaft für den Klima-Aktivismus, engagiert sich immer mehr. Und sie entfremdet sich zusehends von ihrer eigenen Familie. Nach einem traumatischen Erlebnis auf einer Demonstration ändert Johanna ihren Standpunkt gründlich. Sie beginnt am Rechtsstaat zu zweifeln, radikalisiert sich schließlich, gerät immer mehr auf die schiefe Bahn und es liest sich sehr spannend, wie sich Johanna entwickelt. Über allem schwebt stets auch die Frage, wie weit Johanna und die anderen Aktivisten gehen werden.


Interessant ist auch, das Beziehungsgefüge der Ich-Erzählerin näher in den Blick zu nehmen. Sie fühlt sich von ihrem Mann sehr in die Hausfrauenrolle gedrängt. Ihr Mann, der Vollzeit arbeitet und seine Frau bei Entscheidungen oft vor vollendete Tatsachen stellt, nimmt von ihrem Leben als Autorin und ihrem neuesten Buchprojekt kaum Notiz. V.a. die ungleiche Verteilung von Erwerbsarbeit und Pflichten innerhalb der Beziehung wird immer wieder erwähnt und wird zwischen beiden zum Streitthema. Durch die oben erwähnten Recherchen zu ihrem Buch erhält Johanna die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und verliert sich nach meinem Verständnis vermutlich auch aus diesem Grund in der Klimabewegung. Später leidet dann die Familie unter dem Radikalisierungsprozess von Johanna, die besessen ihr Buchprojekt verfolgt und immer extremere Maßnahmen zur Durchsetzung von Interessen ergreift. Fazit: Das Buch hat mich komplett überzeugt. 

Montag, 7. Oktober 2024

Coben, Harlan - Ich finde dich


Ein rundum gelungener Thriller



Harlan Coben gehört zu den ganz Großen im Thriller-Bereich. Nach der Lektüre von „Ich finde dich“ (2015) ist mir wieder einmal klar geworden, warum das so ist. Die Handlung setzt sofort ein, man ist von der ersten Seite an mittendrin. Klasse! Der Spannungsbogen und das Tempo sind durchweg hoch, es gab kaum Längen, weil es ständig zu neuen Entwicklungen kommt, der Protagonist gerät immer wieder in vertrackte und gefährliche Situationen, aus denen er sich befreien muss. Der Plot ist sehr gut und in sich schlüssig konstruiert, die Figurenzeichnung ist gelungen, die Dialoge sind stark und aus dem Leben gegriffen, Gedanken und Gefühle kommen gut und nachvollziehbar zum Ausdruck, es gibt die ein oder andere überraschende Wendung, die einzelnen Kapitel enden oft mit gut platzierten und durchdachten Cliffhangern. Auch das Atmosphärische (das Campus-Gefühl) wird gut eingefangen. Das alles führt dazu, dass ich bei der Lektüre an den Zeilen haften blieb. Und noch etwas gelingt dem Autor großartig. Stellenweise fragt man sich, ob das Gedächtnis Jake bei seinen Nachforschungen zu seiner Ex nicht einen Streich spielt. Man beginnt an seinem Geisteszustand zu zweifeln. Das ist gut arrangiert.


Doch worum geht es überhaupt? Der Ich-Erzähler Jake Fisher wird von Natalie, der Liebe seines Lebens, verlassen. Sie heiratet neu und er muss sich damit abfinden. Er ist sogar als Gast auf ihrer Hochzeit eingeladen und muss ihr schwören, keinen Kontakt mehr zu ihr aufzunehmen. Doch sechs Jahre später, während des Abhaltens seiner Sprechstunde als Universitätsprofessor, entdeckt er zufällig eine Todesanzeige, in der Natalies neuer Mann, Todd, namentlich genannt wird. Jake besucht die Beerdigung von Todd und stellt fest, dass seine Ex nicht anwesend ist, dafür jedoch eine andere Frau, die sich als Ehefrau ausgibt und Todds Tod betrauert. Was ist da los? War Jake auf der richtigen Beerdigung? Wo war Natalie? Liegt eine Verwechslung vor? Jake entschließt sich dazu, mehr über Todd herauszufinden und sich auf die Suche nach Natalie zu machen. Was wird er herausfinden? Ich will nicht zu viel verraten, aber bei seinen Recherchen stößt Jake (natürlich) auf Ungereimtheiten und trifft auf Widerstände. Fazit: Ein rundum gelungener Thriller, an dem ich nichts auszusetzen habe und der mich gut unterhalten hat.

Samstag, 5. Oktober 2024

Star Trek - Enterprise (Staffel 3)


Viele Änderungen zu Staffel 1 und 2



Es ist mal wieder Star-Trek-Time. Dieses Mal Staffel 3 von „Star Trek: Enterprise“ aus dem Jahr 2001. Und es fällt direkt auf, dass die dritte Staffel viel düsterer und actionreicher daherkommt. Es gibt deutlich mehr kämpferische Auseinandersetzungen als in den vorangegangenen Staffeln (vgl. dazu frühere Rezensionen). Darüber hinaus gibt es noch weitere Neuerungen: Die einzelnen Episoden sind inhaltlich viel stärker miteinander verknüpft worden, T’Pol zeigt mehr Haut und eine neue Spezies wird ins Star-Trek-Universum eingeführt, die das Schicksal der Menschheit bedroht: die Xindi, die in der sog. Ausdehnung leben.

 

Auf ihrer Reise durch die Ausdehnung, die viele Raumanomalien aufweist, die es zu überwinden gilt, kommen viele weitere neue Spezies vor, die man noch nicht kennt. Dafür spielen die Klingonen, Romulaner, Ferengi, Vulkanier (Ausnahme Folge 5) etc. leider keine große Rolle mehr. Das fand ich etwas schade, aber nun gut, die Macher der Serie haben sich etwas Neues einfallen lassen, um die Zuschauer von damals bei der Stange zu halten.

 

Eine weitere Änderung betrifft die Charakterzeichnung von Archer. Er agiert nun viel härter und kompromissloser als noch in Staffel 1 und 2. Er ist für die Rettung der Erde sogar bereit, die eine oder andere ethisch-moralische Grenze zu überschreiten. Dies alles spiegelt gut seine Verzweiflung wider. Auf ihm lastet eine große Verantwortung. Ich finde diese neuen Seiten von Archer also glaubwürdig umgesetzt. Was die anderen Figuren betrifft, so ist auffällig, dass neben dem Captain v.a. T’Pol und Trip sowie dem Schiffsarzt viel Raum zugestanden wird. Die anderen Charaktere rücken sehr in den Hintergrund und bleiben blass.

 

Nach und nach erfährt man in dieser Staffel mehr über die Xindi und begleiten die Enterprise auf ihrer Suche nach den Angreifern der Erde. Dabei wird schnell deutlich, dass die Xindi den Menschen technologisch überlegen sind. Die einzelnen Episoden sind zu Beginn der Staffel noch in sich abgeschlossen und durch eine Hintergrundstory miteinander verbunden, die mal mehr, mal weniger in den Vordergrund der Handlung rückt. Aber gegen Ende der Staffel gibt es dann am Ende jeder Folge Cliffhanger und die inhaltliche Verknüpfung wird stärker.

 

Meine Highlights: Folge 5 („impulsiv“), in der die Besatzung eines vulkanischen Schiffs einen Notruf absetzt und von einer mysteriösen Krankheit befallen ist, die die Crew aggressiv werden lässt. Folge 8 („Dämmerung“), in der eine alternative Zeitlinie gezeigt wird, in der die Erde zerstört wird. Folge 10 („Ebenbild“), in der ein Klon mit wenigen Tagen Lebensdauer als Ersatzteillager für den Chefingenieur herangezüchtet wird. Eine ethisch tiefgründige Folge, die mir gut gefallen hat. Folge 16 („Auf ärztliche Anweisung“), in der der Schiffsarzt Phlox für vier Tage allein die Kontrolle über das Schiff übernimmt, weil die Crew aufgrund der Durchquerung einer Raumanomalie in den Tiefschlaf versetzt werden muss. Sehr gespenstisch!

 

Fazit: Auch die dritte Staffel hat mich überzeugt und gut unterhalten. Es ist aber auffällig, dass die Macher der Serie viele Änderungen vorgenommen haben (s.o.). Aus heutiger Sicht lässt sich bereits vermuten, dass so die Zuschauerzahlen positiv beeinflusst werden sollten.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Brandhorst, Andreas - Die Eskalation


Kampf oder Koexistenz?



Nachdem die Maschinenintelligenz erwacht ist (vgl. dazu „Das Erwachen“), hat sie nun die Kontrolle über die Welt übernommen (hoffentlich keine düstere Vorahnung…). Die Menschheit muss sich in dieser von der Maschinenintelligenz gestalteten Lebensrealität einrichten. Doch längst nicht alle sind damit einverstanden. Es gibt Widerstandsgruppen, die gegen die Vormacht der MI ankämpfen. Denn der Preis für die Optimierung der Welt durch die MI ist die Entmündigung der Menschheit.

 

Und der Auftakt des Buchs ist furios. Auf die MI wird ein gut koordinierter Anschlag verübt und man stellt sich zu Beginn direkt folgende Fragen: Ist die MI beim Anschlag beschädigt worden? Wie wird sie reagieren? Wird sie die Menschen bestrafen? Wenn ja, wie? Und werden noch weitere Aktionen der Widerstandskämpfer folgen? Ein Kampf um die Vorherrschaft der Erde beginnt. Und es stellt sich die Frage, ob eine Kooperation und friedliche Koexistenz zwischen Menschheit und MI noch möglich ist. Packend!

 

Der zweite Band kann nach meiner Einschätzung nicht problemlos ohne die Kenntnis des ersten gelesen werden. Um die Hintergründe sowie die handelnden Figuren besser einordnen zu können, sollte man „Das Erwachen“ kennen (übrigens auch ein großartiges, spannendes Buch, vgl. dazu eine frühere Rezension). Auch werden, wie in Teil 1, sogenannte Streiflichtkapitel zur Mars Discovery eingebaut (hierzu existiert ein Folgeband).

 

Auffällig ist, dass dieses Mal nicht mit so vielen verschiedenen Perspektivwechseln gearbeitet wird. V.a. zu Beginn wird der Thriller sehr geradlinig erzählt. Das unterscheidet ihn von Band 1, wo es eine Weile dauert, bis man über die Geschehnisse den vollständigen Überblick hat. Auf diese Weise erhöht sich das Tempo und der Inhalt ist leichter zugänglich. Man braucht als Leserin bzw. Leser weniger Geduld. Im weiteren Handlungsverlauf verabschiedet sich der Autor aber immer stärker von dieser geradlinigen Erzählweise und wechselt dann doch wieder die Blickwinkel, um Spannungsbögen zu unterbrechen.

 

Was ich mir zum perfekten Lesevergnügen noch gewünscht hätte, wäre Folgendes: Mehr Spannung und Tempo im Mittelteil sowie am Ende, eine ausführlichere Schilderung von gesellschaftlichen Transformationsprozessen durch die MI sowie eine lebendigere Figurengestaltung. Und noch etwas hat mich enttäuscht: Mir kamen die Gespräche zwischen Axel Krohn und der Maschinenintelligenz zu kurz (nach meinem Empfinden die Höhepunkte in Teil 1). Interaktionen mit der MI werden nach meinem Geschmack viel zu lange hinausgezögert und finden zu selten statt. Schade, schade!