Schlafforensik
Da
kann man ja nur zugreifen, oder etwa nicht? Ich habs jedenfalls getan (Ich,
Dummerchen!). Und was soll ich sagen: Ich bin verärgert über mich selbst, dass
ich wieder auf solche markigen Sprüche hereingefallen bin. Ich bin wieder
einmal ein Opfer des Marketings geworden (es funktioniert also doch…verdammt!).
Ich hätte es besser wissen können, habe ich aber nicht. Zur Strafe rezensiere
ich nun ein Werk, das es eigentlich nicht verdient hätte, erwähnt zu werden.
Dann also mal los…
Worum
geht es? Der Autor rückt ein Phänomen in den Mittelpunkt, das tatsächlich
existiert: Das sogenannte Resignations-Syndrom. Ein Syndrom, das vor allem bei
geflüchteten Kindern in Schweden beobachtet worden ist (Internetrecherche
empfohlen!). Diese reale (psychosomatische) Krankheit überträgt der Autor auf
einen fiktiven Kriminalfall und bedient sich dabei auch allerlei
intertextueller und intermedialer Anspielungen, die aber in meinen Augen nur als
Effekthascherei und in Form von inhaltsleeren Schlagworten daherkommen.
Anna
O. ist seit vier Jahren im Tiefschlaf versunken und durch nichts aufzuwecken.
Da sie damals mit einem blutigen Messer und mit blutdurchtränkter Kleidung bei
zwei Opfern aufgefunden worden ist, geht man davon aus, dass es sich bei ihr um
die vermeintliche Mörderin handelt. Alles spricht gegen sie. Doch wie will man
einer Schlafenden den Prozess machen? Das ist die Aufgabe des forensischen
Psychologen Ben. Er soll sie aufwecken, damit sie vernommen werden kann. Das
ist auch schon die ganze Grundhandlung (die eigentlich gar nicht mal so
schlecht ist). Doch darum herum wird Weiteres „aufgebläht“, das mich nicht
wirklich erreicht hat. Und natürlich sollte man sich auch nicht an dem etwas
unlogischen Ausgangssetting stören, dass jemand bereits seit vier Jahren
schläft (Dornröschen lässt grüßen). Aber nun gut… Kann ja trotzdem spannend
sein. Und dann sehe ich auch über manches hinweg (nicht aber in diesem Fall).
Der
Einstieg in den Thriller ist auch eigentlich gar nicht so schlecht. Man ist
sofort mittendrin in der Handlung stellt sich einleitend einige Fragen, die zum
Weiterlesen animieren. Warum schläft Anna O.? Warum wacht sie nicht auf? Was
ist damals passiert? Und wird sie noch aufwachen? Welche (neuen) Erkenntnisse wird
das womöglich zutage fördern? Was wird sich Ben einfallen lassen, um sie
aufzuwecken? Doch diese Fragen verlieren nach meinem Eindruck im weiteren
Handlungsverlauf an Relevanz, es geht dann um ganz andere Dinge, die
weitschweifig vom Kern des Ganzen wegführen. Zwischendurch gab es immer einmal
wieder wenig zielführende Passagen, bei denen ich mich gefragt habe, wozu sie
dienen und worauf sie hinauslaufen. Ich habe dann geduldig und ergebnisoffen
weitergelesen und gehofft, dass sich einiges später ins Gesamtbild einfügen
wird. Aber vieles blieb mir rätselhaft. Vielleicht ist das auch absichtlich vom
Autor so arrangiert worden, damit sich das Buch „traumartig“ liest. Falls dem
so sein sollte, konnte ich damit leider nicht viel anfangen… Für mich war im
Nachhinein erstaunlich, wie wenig die titelgebende Figur Anna O. eigentlich im
Buch vorkommt.
Die
Krankheit des Resignations-Syndroms wird in meinen Augen lediglich als
reißerischer Aufhänger benutzt. Tatsächlich war mir das Syndrom bisher
unbekannt und ich habe einiges dazu im Internet nachgelesen (das war gut!!).
Aber der Thriller bleibt erstaunlich oberflächlich, was die psychologische
Ebene betrifft. Da hätte ich wirklich mehr erwartet. Auch bei den Themen „Schlafwandeln“,
„Schlaf“, „Traum“ und bei dem juristischen Aspekt der verminderten
Schuldfähigkeit hätte man nach meinem Gefühl noch viel mehr in die Tiefe gehen
können. Mich hat es jedenfalls nicht überzeugt. Von mir gibt es 2 Sterne. Das
Buch hat mich einfach nicht gepackt und war mir zu verworren. Mit fortlaufender
Lektüre hat sich das Werk immer mehr in eine Richtung entwickelt, die mir nicht
zugesagt hat. Ich hatte einfach eine völlig andere Erwartungshaltung an den
Titel, die sich leider nicht erfüllt hat. Schade! Warum gebe ich nicht weniger
als 2 Sterne? Den Wendepunkt, den sich der Autor überlegt hat, fand ich gelungen
platziert. Und das Resignations-Syndrom als Aufhänger zu nehmen, war eine sehr
gute Ausgangsidee, die Interesse weckt.
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