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Mittwoch, 5. Juni 2024

Blake, Matthew - Anna O.


Schlafforensik


Der Thriller „Anna O.“ von Matthew Blake wird vollmundig beworben. Da heißt es: „Der Bestseller, der alle um den Schlaf bringt“ (Ein Bestseller mit Ansage?). Lucy Clarke meint: „Macht süchtig. Extrem clever und originell: der Thriller, über den alle reden.“ A.J. Finn darf ebenfalls nicht fehlen: „Liest sich wie ein Traum, ist beunruhigend wie ein Albtraum“.

Da kann man ja nur zugreifen, oder etwa nicht? Ich habs jedenfalls getan (Ich, Dummerchen!). Und was soll ich sagen: Ich bin verärgert über mich selbst, dass ich wieder auf solche markigen Sprüche hereingefallen bin. Ich bin wieder einmal ein Opfer des Marketings geworden (es funktioniert also doch…verdammt!). Ich hätte es besser wissen können, habe ich aber nicht. Zur Strafe rezensiere ich nun ein Werk, das es eigentlich nicht verdient hätte, erwähnt zu werden. Dann also mal los…


Worum geht es? Der Autor rückt ein Phänomen in den Mittelpunkt, das tatsächlich existiert: Das sogenannte Resignations-Syndrom. Ein Syndrom, das vor allem bei geflüchteten Kindern in Schweden beobachtet worden ist (Internetrecherche empfohlen!). Diese reale (psychosomatische) Krankheit überträgt der Autor auf einen fiktiven Kriminalfall und bedient sich dabei auch allerlei intertextueller und intermedialer Anspielungen, die aber in meinen Augen nur als Effekthascherei und in Form von inhaltsleeren Schlagworten daherkommen.

 

Anna O. ist seit vier Jahren im Tiefschlaf versunken und durch nichts aufzuwecken. Da sie damals mit einem blutigen Messer und mit blutdurchtränkter Kleidung bei zwei Opfern aufgefunden worden ist, geht man davon aus, dass es sich bei ihr um die vermeintliche Mörderin handelt. Alles spricht gegen sie. Doch wie will man einer Schlafenden den Prozess machen? Das ist die Aufgabe des forensischen Psychologen Ben. Er soll sie aufwecken, damit sie vernommen werden kann. Das ist auch schon die ganze Grundhandlung (die eigentlich gar nicht mal so schlecht ist). Doch darum herum wird Weiteres „aufgebläht“, das mich nicht wirklich erreicht hat. Und natürlich sollte man sich auch nicht an dem etwas unlogischen Ausgangssetting stören, dass jemand bereits seit vier Jahren schläft (Dornröschen lässt grüßen). Aber nun gut… Kann ja trotzdem spannend sein. Und dann sehe ich auch über manches hinweg (nicht aber in diesem Fall).

 

Der Einstieg in den Thriller ist auch eigentlich gar nicht so schlecht. Man ist sofort mittendrin in der Handlung stellt sich einleitend einige Fragen, die zum Weiterlesen animieren. Warum schläft Anna O.? Warum wacht sie nicht auf? Was ist damals passiert? Und wird sie noch aufwachen? Welche (neuen) Erkenntnisse wird das womöglich zutage fördern? Was wird sich Ben einfallen lassen, um sie aufzuwecken? Doch diese Fragen verlieren nach meinem Eindruck im weiteren Handlungsverlauf an Relevanz, es geht dann um ganz andere Dinge, die weitschweifig vom Kern des Ganzen wegführen. Zwischendurch gab es immer einmal wieder wenig zielführende Passagen, bei denen ich mich gefragt habe, wozu sie dienen und worauf sie hinauslaufen. Ich habe dann geduldig und ergebnisoffen weitergelesen und gehofft, dass sich einiges später ins Gesamtbild einfügen wird. Aber vieles blieb mir rätselhaft. Vielleicht ist das auch absichtlich vom Autor so arrangiert worden, damit sich das Buch „traumartig“ liest. Falls dem so sein sollte, konnte ich damit leider nicht viel anfangen… Für mich war im Nachhinein erstaunlich, wie wenig die titelgebende Figur Anna O. eigentlich im Buch vorkommt.

 

Die Krankheit des Resignations-Syndroms wird in meinen Augen lediglich als reißerischer Aufhänger benutzt. Tatsächlich war mir das Syndrom bisher unbekannt und ich habe einiges dazu im Internet nachgelesen (das war gut!!). Aber der Thriller bleibt erstaunlich oberflächlich, was die psychologische Ebene betrifft. Da hätte ich wirklich mehr erwartet. Auch bei den Themen „Schlafwandeln“, „Schlaf“, „Traum“ und bei dem juristischen Aspekt der verminderten Schuldfähigkeit hätte man nach meinem Gefühl noch viel mehr in die Tiefe gehen können. Mich hat es jedenfalls nicht überzeugt. Von mir gibt es 2 Sterne. Das Buch hat mich einfach nicht gepackt und war mir zu verworren. Mit fortlaufender Lektüre hat sich das Werk immer mehr in eine Richtung entwickelt, die mir nicht zugesagt hat. Ich hatte einfach eine völlig andere Erwartungshaltung an den Titel, die sich leider nicht erfüllt hat. Schade! Warum gebe ich nicht weniger als 2 Sterne? Den Wendepunkt, den sich der Autor überlegt hat, fand ich gelungen platziert. Und das Resignations-Syndrom als Aufhänger zu nehmen, war eine sehr gute Ausgangsidee, die Interesse weckt.

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