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Montag, 3. Juni 2024

Eschbach, Andreas - Perfect Copy. Die zweite Schöpfung


Talent – Chance oder Bürde?



Auf den ersten Seiten lernen wir Wolfang Wedeberg kennen, der mit seinem Vater ein Konzert besucht, auf dem ein Künstler sein Instrument virtuos beherrscht. Der Vater sagt Wolfang ebenfalls eine große Zukunft als Musiker voraus. Man spürt sofort den Erwartungsdruck. Felsenfest geht er davon aus, dass auch sein Sohn eines Tages auf den großen Bühnen der Welt spielen wird. Wie kann er da nur so sicher sein?

Parallel dazu begleiten wir einen Journalisten, der scheinbar etwas zu den Wedebergs recherchiert. Der Chefredakteur hat ihn auf eine Sache angesetzt, von der wir als Leser noch nicht genau wissen, worum es geht. Nur eines ist klar, es scheint sich um eine „heiße Sache“ zu handeln. Und man fragt sich direkt, was der Reporter vorhat.

 

Wolfgang geht in die sechste Klasse eines Gymnasiums. Und aus aktuellem Anlass – es ist gelungen, die Kopie eines Menschen künstlich herzustellen – wird im Unterricht über das Thema des Klonens gesprochen. In seiner Freizeit übt Wolfgang Cello und vertieft sich in Musikaufnahmen. Er ist sehr musikalisch, aber auch überaus selbstkritisch und schnell frustriert. Er zweifelt an sich selbst und an seinem Talent. Man wird bei der Lektüre den Eindruck nicht los, dass Wolfgang mehr die von außen an ihn gerichteten Erwartungen erfüllen will, als die eigenen Wünsche zu verfolgen. Er konfrontiert seinen Vater auch mit seinen Selbstzweifeln, doch dieser wiegelt ab. Er hält seinen Sohn für begabt und möchte keine Diskussion mit ihm darüber führen. Er erträumt sich für ihn eine große Karriere. Der Sohn soll erreichen, was dem Vater selbst nicht vergönnt war. Basta! Wie wird es mit Wolfgang weitergehen? Wird er sich den (dominanten) Vorstellungen seines Vaters beugen oder einen eigenen Weg einschlagen und sich behaupten?

 

Mit diesem Jugendbuch lassen sich einige Themen gewinnbringend vertiefen. So ist der Vater-Sohn-Konflikt sicherlich ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Selbstbestimmung ist. Darüber hinaus ist die Frage von „Talent“ ein zentrales Thema. Was ist Talent, wie kommt es zustande und wie kann man es fördern? Ist es genetisch bedingt oder spielen auch Umwelteinflüsse eine nicht zu vernachlässigende Rolle? Und ist es erlaubt, sein Talent zu vergeuden? Deutlich wird jedenfalls, dass auch die nötige Leidenschaft notwendig ist. Gerade für Jugendliche, die selbst noch nicht recht wissen, was ihr Talent ist oder was sie daraus machen wollen, ein reizvolles Thema, wie ich finde.

 

Ein weiterer großer Themenbereiche, an den man sehr gut anknüpfen kann , ist das Klonen. Es wird nicht nur das Verfahren des Klonens genauer vorgestellt (das Schaf Dolly findet Erwähnung), es werden auch ethisch-moralische Fragen in den Blick genommen. Welche Konsequenzen hat z.B. ein geklonter Mensch zu befürchten (auch in juristischer Hinsicht)? Hier gibt das Jugendbuch viel her. Das Thema wird facettenreich beleuchtet und bietet einige Vertiefungsmöglichkeiten. Auch die erste große Liebe wird thematisiert. HIer kann man sich fragen, was eine glückliche Beziehung ausmacht. Wolfgangs erste Freundin unterstützt ihn bei der Selbstfindung jedenfalls vorbildlich.

 

Und noch etwas macht dieses Buch in meinen Augen zu einer lesenswerten Lektüre. Es liest sich durchweg spannend. Man möchte wissen, was aus Wolfgang wird und was er über sich herausfindet. Die Figur hat Zugkraft und bietet für jugendliche Leser sicher einige Identifikationsmöglichkeiten. Und hinzu kommt die unsympatische Vaterfigur, die emotionale Beteiligung hervorrufen dürfte. Der Vater verhält sich, wie schon erwähnt, dominant und lässt seinem Sohn kaum Freiheiten, selbst etwas zu entscheiden. Das bietet jede Menge Reibungspunkte. Kurzum: Wieder einmal ein tolles Buch aus der Feder von Andreas Eschbach. Auch als Unterrichtslektüre gut einsetzbar. Man sollte allerdings als Lehrkraft nicht davor zurückschrecken, aktuelleres Material zum Thema „Klonen“ zu recherchieren.

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