„Schicksalsort“
Doch
zunächst zum Inhalt: Goran kehrt in sein tristes Heimatdort Waldesroda zurück,
weil seine alte Freundin Norah von einem Unbekannten Drohbriefe erhält und nun
seine Unterstützung benötigt. Wer steckt hinter den Briefen? Was ist ihr
Inhalt? Und warum wird Norah bedroht? Und von wem? Was bezweckt der Schreiber
mit seinen Briefen? Auf der Autofahrt wird Goran bereits von dunklen
Erinnerungen an ein vergangenes Verbrechen geplagt. Vor vielen Jahren wurde in
Waldesroda ein junges Liebespärchen brutal ermordet. Stehen die Drohbriefe in
Zusammenhang mit dem damaligen Mord, der nie vollständig aufgeklärt wurde? Ist
der Täter, den man bislang für tot hielt, vielleicht doch noch lebendig und
will sich an Norah rächen? Das sind die die Ausgangsfragen, die man sich
stellt, wenn man den Thriller zu lesen beginnt.
Im
Zentrum der Handlung stehen Norah und Goran sowie die Mitglieder der Clique von
damals. Goran ist nach dem Mord damals nach Berlin geflüchtet, weil er es in
seinem Heimatdort nicht mehr aushielt. Er hat einen harten Schnitte zu seinen
Freunden von damals vollzogen. Norah trägt ihm seine Flucht immer noch nach.
Eine Entfremdung zwischen Goran und Norah ist deutlich spürbar. Das Wiedersehen
zwischen beiden verläuft zunächst alles andere als harmonisch. Norah begegnet
Goran vorwurfsvoll. Werden sich die beiden einander wieder annähern? Ist Norah
überhaupt bereit dazu, die Hilfe von Goran anzunehmen? Und ist Goran in der
Lage, das Rätsel um die Briefe zu lösen?
Es
handelt sich bei diesem Werk, wie man es von Linus Geschke kennt, um einen gut
konstruierten, mehrperspektivischen Thriller. Neben den sich abwechselnden
Perspektiven von Norah und Goran, die nach meinem Empfinden gut aufeinander
abgestimmt sind, gibt es Rückblicke in die Jugendzeit der Clique sowie eingeschobenen
Täterkapitel, die mit „Er“ überschrieben sind. Darüber hinaus fügt der Autor in
unregelmäßigen Abständen zwischen die Kapitel auch immer einmal wieder
statistische Angaben über Morddelikte in Deutschland ein. Der Bezug zum Inhalt
der jeweiligen Kapitel ist mir dabei aber nicht so ganz klar geworden. Was ich in
inhaltlicher Hinsicht etwas dünn fand: Der Autor bringt zu Beginn ein
interessantes psychologisches Thema mit ins Spiel (die Borderline-Störung),
vernachlässigt diese Thematik dann jedoch wieder. Schade! Das psychologische
Element kommt mir dieses Mal leider eindeutig zu kurz. Dafür fand ich wiederum interessant,
dass punktuell die Themen „Integration“ und „Interkulturalität“ aufblitzen,
allerdings nur in sehr zurückhaltender Form.
Was
ich loben möchte: Die Charakterzeichnung der einzelnen Charaktere ist gelungen
und auch die Beziehungsverhältnisse zwischen den einzelnen Figuren sind
durchdacht angelegt worden. Durch die Gegenwarts- und Vergangenheitsebene kann
man auch dynamische Entwicklungen bei den einzelnen Cliquenmitgliedern
feststellen. Auch das überzeugt. Was mir allerdings fehlte, war ein hohes Maß
an Spannung. Der Thriller hatte zwischendurch schon auch immer wieder Längen. Die
Spannung baut sich nur langsam auf, hält dann eine gewisse Zeit an und ebbt im
Mittelteil des Buchs wieder stark ab, weil es inhaltlich einfach kaum vorangeht.
Stattdessen liest man viele (redundante) Gespräche, die zu wenig neue Erkenntnisse
zutage fördern. Langatmig! Für mich trat die Handlung stellenweise viel zu sehr
auf der Stelle.
Wäre
ich nicht so sehr an dem Schicksal der Clique interessiert gewesen und hätte
Anteil an den Geschehnissen um Goran und Norah genommen, so hätte ich mir ernsthaft
überlegt, ob ich noch weiterlesen möchte. Die Spannung wird in erster Linie (von
außen) „erzwungen“, sie entsteht nicht aus der Handlung selbst heraus. Es muss
immer wieder betont werden, dass es in der Vergangenheit „Geheimnisse“ gibt,
die im Verborgenen liegen. Das macht natürlich neugierg und hielt mich auch bei
der Stange. Aber ich war nicht gefesselt, es hat mich nicht gepackt. Ich wollte
halt einfach nur wissen, was denn jetzt genau damals passiert ist. Das sind
durchschnittliche 3 Sterne. Warum nicht weniger? Weil es immerhin noch einige
überraschende Wendungen gab, die der Handlung etwas (wenn auch wenig) Schwung
verliehen und auch das Ende war sauber auserzählt.
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