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Dienstag, 28. Mai 2024

Röthlein, Brigitte - Schrödingers Katze


Würfelt Gott wirklich nicht?



Der Besuch des Star-Trek-Vortrags von Metin Tolan (vgl. meinen Beitrag vom 17.05.24) hat mein Interesse an der Quantenphysik befeuert. Erstaunlich, aber wahr: Bisher habe ich mich noch nicht genauer mit diesem Teilbereich der Physik beschäftigt. Das möchte ich gern ändern. Einen ersten Zugang verschaffte ich mir mit einem Buch von Brigitte Röthlein, das den Titel „Schrödingers Katze“ trägt und aus dem Jahr 1999 stammt. Es ist also schon etwas veraltet und nicht mehr auf dem aktuellsten Stand, was man auch dem Literaturverzeichnis anmerkt, aber es ist äußerst kompakt und verständlich geschrieben. Für einen ersten Zugang reichte es mir völlig. Es ist für Leute ohne viel Vorwissen (wie mich) als Einstiegslektüre geeignet. Ich will nicht zu viel versprechen, aber vermutlich werden zukünftig noch weitere Besprechungen von Titeln aus diesem Themenbereich folgen. Denn natürlich interessieren mich auch Publikationen jüngeren Datums zu diesem Thema. Und wie schon erwähnt, steht Göttingen 2025 ganz im Jahr der Quantenphysik!


Das Beispiel von Schrödingers Katze bildet den Einstieg in dieses Buch. Das Bild der Katze zwischen Leben und Tod soll das Grundprinzip der Quantenmechanik veranschaulichen. Solange die Kiste, in der sich die Katze befindet, ungeöffnet bleibt, weiß man nicht, ob die Katze tot oder lebendig ist. Erst wenn man in die Kiste hineinschaut, kann man den „Zustand“ der Katze überprüfen. Ähnlich verhält es sich mit den Teilchen auf Quantenebene: „Kein Teilchen befindet sich zu einer bestimmten Zeit genau an einem bestimmten Ort, kein Lichtstrahl ist nur hier und nicht gleichzeitig woanders (…)“ (S. 11). Erst der Einsatz eines Messgeräts verändert die Welt und das Ungewisse wird beschreibbar.

Im nächsten Kapitel („Ist Licht Teilchen oder Welle?“, S. 15 ff.) wird deutlich, dass insbesondere die Beschäftigung mit dem Licht als Untersuchungsobjekt dazu geführt hat, dass sich die Quantenphysik begründete. Eine der zentralen Fragen war, ob das Licht aus Wellen oder aus Teilchen besteht. In knapper Form wird die Kontroverse um diese Fragestellung, was Licht nun ist, nachgezeichnet. Die Autorin streift dabei Forscher wie Newton, Huygens, Descartes sowie Thomas Young und geht auf die Weiterentwicklung durch Max Planck und Albert Einstein ein. Ein schöner, kompakter Abriss der Forschungsgeschichte, der uns hier geboten wird.

 

In einem weiteren Kapitel wird das Atommodell von Niels Bohr skizziert. Er entwickelte ein Modell, das bis heute Gültigkeit besitzt. Revolutionär an seiner Idee war, dass er annahm, dass für Elektronen nur ganz bestimmte Bahnen um den Atomkern herum erlaubt sind. Diese Bahnen werden als Quantenbahnen bezeichnet. Und Bohr beschrieb deren Eigenschaften und stellte die Hypothese auf, dass Elektronen von einer Quantenbahn auf eine andere Bahn „springen“ können. Beim Wechsel von einer äußeren auf eine innere Bahn gibt das Elektron Energie ab. Wechselt es hingegen in die umgekehrte Richtung, so nimmt es Energie auf. Was man jedoch nicht vorhersagen konnte, war, zu welchem Zeitpunkt ein Elektron die Bahn wechselt. Ähnlich verhält es sich auch mit dem radioaktiven Zerfall, bei dem man nie genau vorhersagen kann, wann ein Atom zerfällt. Daraus ergibt sich, dass in der Welt der Quantenphysik die Gesetze des Zufalls und der Wahrscheinlichkeit gelten. Gott würfelt also doch (zumindest nach aktuellem Erkenntnisstand), wenn man auf die berühmten Worte von Einstein Bezug nehmen will.

 

Im nachfolgenden Kapitel („Quantenzahlen bringen Ordnung in die Welt“, S. 30 ff.) wird die Ausdifferenzierung des Bohrschen Atommodells als Schalenmodell näher ausgeführt, das bis heute noch gute Dienste leistet. Ein spannendes Kapitel der Wissenschaftsgeschichte! Anschließend wird ein berühmtes Experiment vorgestellt, das bereits tausendfach und mit immer neuen Anordnungen durchgeführt wurde: Das Experiment mit dem Doppelspalt (vgl. S. 39 ff.). Dabei wird das Verhalten von Objekten verglichen, wenn sie sich durch den Doppelspalt bewegen. Eine erste Wand weist zwei Löcher auf, dahinter befindet sich eine zweite Wand mit Detektoren. Von einer Quelle aus, werden verschiedene Objekte durch die löchrige Wand gesendet, die man im Anschluss beobachten will. In Bezug auf Elektronen stellte sich so heraus, dass diese sich manchmal wie eine Welle und manchmal wie ein Teilchen verhalten. Höchst mysteriös!

 

Danach wird genauer erläutert, was man eigentlich unter Quantenmechanik zu verstehen hat. Eine Wissenschaft, in der das Verhalten von Objekten auf atomarer Ebene beschrieben wird. Es zeigt sich, dass sich auf Quantenebene eine andere Welt auftut, in der weder die Logik noch die Eindeutigkeit der klassischen Physik Gültigkeit besitzt. Insbesondere der Erforschung der Elektronen widmete man in den 1920er Jahren große Aufmerksamkeit. Die Vorstellung des Schalenmodells wurde weiter modifiziert. Es setzte sich die Vorstellung von sogenannten stehenden Elektronenwellen durch. Man kann nie mit Sicherheit sagen, wo sich ein Elektron zu einem bestimmten Augenblick genau befindet. Man kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen, wo es sich vermutlich momentan aufhält. Kurzum: Die Quantenmechanik, die v.a. in den 1920er Jahren an der Universität Göttingen unter Max Born wichtige Impulse erhielt, machte die Welt zu einem unsicheren Ort. Vorhersagen zum Verhalten von Objekten waren nicht mehr möglich!

 

In einem weiteren Kapitel geht es um Heisenberg und seine Unschärferelation, die er 1927 einführte. Auf atomarer Ebene gelten demnach nicht mehr die Gesetze von Ursache und Wirkung, sondern die von Zufall und Wahrscheinlichkeit. Die Unschärferelation drückt aus, dass man die verschiedenen Eigenschaft von Teilchen nicht gleichzeitig exakt messen kann. Das Weltbild der Physik wurde durch diese neuen Erkenntnisse schwer erschüttert. Faszinierend! Und die Quantenmechanik hat seit ihrer Entdeckung praktischen Nutzen bewiesen. Ohne die Erkenntnisse aus diesem Teilbereich der Physik gäbe es keine Halbleiter, keine Laser, keine Kernspintomographie und keine Atomuhren (vgl. S. 59).

 

In den nächsten Kapiteln stellt die Autorin einige wichtige Experimente vor, die im Verlauf der Forschung durchgeführt worden sind. So wird z.B. der sogenannte Tunneleffekt erläutert. Und auch die geheimnisvolle Fernwirkung zwischen zwei Teilchen wird genauer erklärt. Des Weiteren werden auch jüngere Experimente erwähnt (die Ionenfalle, das Verfahren der Laserkühlung und der sog. „Ein-Atom-Laser“). Nicht zuletzt schlägt Röthlein einen Bogen zur Kosmologie und zur Multiversums-Hypothese. Dabei greift die Autorin auf eine interessante, äußerst anschauliche Analogie zurück. Schrödingers Katze muss dafür herhalten. Nimmt man mehrere Welten an, die parallel existieren, so müsse man zwei Katzen annehmen. Eine sei tot, die andere lebendig. Und erst durch das Öffnen der Kiste hebe ein Beobachter eine der beiden Katzen in die Wirklichkeit. Eine faszinierende Idee, wenn auch unbeweisbar!

 

In einem abschließenden Abschnitt des Buchs wird dargestellt, wie die Quantenphysik unseren Alltag verändert hat. Zunächst wird dafür die Erfindung des Lasers in den Blick genommen. Im Buch wird nicht nur seine Funktionsweise genauer erläutert, es werden auch die verschiedenen Lasertypen vorgestellt (Rubinlaser, Gaslaser, Farbstofflaser, Halbleiterlaser) sowie ihre Einsatzgebiete. Eine weitere Entwicklung, die vertieft wird, sind die Supraleiter. Um Supraleitung zu ermöglichen waren anfangs extrem niedrige Temperaturen nötig. Im Laufe der weiteren Forschung zeigte sich aber, dass es auch Materialien gibt, die bei geringeren Temperaturen Supraleitung ermöglichen. Supraleitende Komponenten kommen v.a. in der Telekommunikation, im Elektrizitäts- und im Energiebereich zum Einsatz. Des Weiteren werden medizintechnische Erfindungen wie z.B. der Kernspintomograph und Mikroelektronik und Datenspeicherung thematisiert. Die dahinterliegenden Mechanismen und Funktionsweisen (u.a. auch von Halbleitern) werden dabei anschaulich erläutert. Eine große Zukunft sagt Röthlein den Solarzellen voraus. Auf den letzten Seiten widmet sich die Autorin dann der Idee von Quantencomputern. Deren Prinzip und die Grenzen des aktuell Machbaren werden verständlich dargelegt. Gerade in diesem Bereich bin ich gespannt, welche Erkenntnisfortschritte in Publikationen jüngeren Datums deutlich werden. Denn eines scheint klar, wird es irgendwann tatsächlich einmal funktionierende Quantencomputer geben, werden sie unsere Welt revolutionieren…

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