Ein Cyborg in Frührente
Was
wäre, wenn man dich im Rahmen eines militärischen Projekts zu einem Cyborg
umfunktioniert hätte, dich aber nicht mehr benötigt? Stell dir vor, wie es
wäre, wenn die Implantate nach und nach ihren Geist aufgeben und dir deine
Lebensqualität nehmen, aber du mit niemandem darüber sprechen dürftest. Und was
wäre, wenn dich jemand ausfindig machen wollte, der mehr über das Geheimprojekt
erfahren möchte? Um dieses ungewöhnliche Setting geht es in dem Thriller „Der
Letzte seiner Art“ (2003) von Andreas Eschbach. Ungewöhnlich ist es, weil der Cyborg Duane
Fitzgerald als gebrochene Figur gezeigt wird, der mit seinem Schicksal hadert
und unter den Spätwirkungen des Eingriffs leidet. Und über allem schwebt auch
immer die Frage, warum sich Duane überhaupt darauf eingelassen hat, zu einer
Mensch-Maschine zu mutieren. Wie konnte er sich dazu entschließen, seine
persönliche Freiheit aufzugeben? Diese Fragen verleihen dem Inhalt eine Tiefe,
die ich im Vorfeld gar nicht so erwartet hätte.
Der
Ich-Erzähler Duane lebt zurückgezogen, pflegt wenig Kontakte und führt ein
unauffälliges, fast tristes Dasein als Frührentner. Doch eines Tages taucht in
dem kleinen irischen Fischerdorf, in dem Duane lebt, ein Mann auf, der nach ihm
sucht. Und als Leser fragt man sich, wer ist der Verfolger? Was will er von
Duane? Diese Fragen haben bei mir Neugier erregt. Im weiteren Handlungsverlauf
erfahren wir durch Rückblicke auch Hintergründe über das gewissenlose
Experiment, an dem Duane teilgenommen hat. Moralische Fragen werden ebenfalls
thematisiert. Und es wird immer klarer, dass Duane seiner Würde beraubt worden
ist. Wird er sich endlich wehren und seine Rechte einfordern?
Insgesamt
ist der Thriller wendungsreich, ich wurde an einigen Stellen von
unvorhersehbaren Ereignissen überrascht. Und ich konnte lange Zeit nicht
antizipieren, in welche Richtung die Handlung sich entwickelt. Das hat mir gut
gefallen. Und das Finale war emotionaler und tiefgründiger, als ich im Vorfeld
vermutet hatte. Eschbach beschreitet einen ungewöhnlichen Weg, da er am Ende
eher das Tempo herausnimmt. Kurzum: Ein tolles Buch, weil es an vielen Stellen
zum Nachdenken anregt und weil der Autor die Erwartungshaltung der Leser
häufiger durchbricht.
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