Spannend und faszinierend
Zu
Beginn des Buchs sind wir an Bord der ISS, wo sich die zwei
Besatzungsmitglieder aufgrund eines Computerfehlers streiten. Das
Computersystem scheint aus unerfindlichen Gründen überlastet zu sein. Der
russische Astronaut verdächtigt seinen italienischen Kollegen, Sabotage
begangen zu haben. Zeitgleich findet in Hamburg die Präsentation der Software
DINA statt. Dabei handelt es sich um eine KI, an die man Fragen richten kann
und die in der Lage ist, natürlichsprachlich zu reagieren. DINA funktioniert
bei der Vorführung allerdings noch fehlerhaft, so dass die Mitarbeiter der
Firma anschließend in Streit geraten und sich gegenseitig Vorwürfe machen. Sie
fürchten aufgrund des Misserfolgs von DINA um ihren Arbeitsplatz. Kurze Zeit
später wird Ludger, ein Mitarbeiter der Software-Firma, der ebenfalls in den
Streit verwickelt war und die Software maßgeblich entwickelt hat, tot aufgefunden.
Er wurde ermordet, doch von wem und warum bleibt unklar. Wer steckt dahinter?
War der Streit der Grund für die Gewalt? Schnell rückt der Protagonist Mark ins
Visier der Ermittler und die Handlung entwickelt sich in die Richtung eines
Kriminalromans. Interessant wird es in meinen Augen dadurch, dass der
verdächtige Mark sich dazu entschließt, auf eigene Faust in der Mordsache zu
ermitteln und vor der Polizei flieht. Was wird er herausfinden? Eingeschoben
werden auch immer wieder kurze Kapitel, in denen Computerprobleme thematisiert
werden. Mal wird beschrieben, wie Auffälligkeiten im Internet beobachtet
werden, mal wird ein System überlastet, mal taucht ein neues Computervirus auf,
das sich anschließend selbst löscht, mal kommt es zu Störungen im
Mobilfunknetz. Auch auf der ISS kommt es weiter zu technischen Defekten. Was
geht da vor sich?
Mit großer Faszination habe ich die Passagen gelesen, in denen mit DINA kommuniziert wird. Sie ist in der Lage auf Äußerungen, die man mittels Tastatur eingibt, natürlichsprachlich zu reagieren und Fragen zu beantworten. Aus heutiger Sicht macht es auf mich fast (!) den Eindruck, als habe Olsberg die Funktionsweise von ChatGPT vorausgeahnt (auch wenn die Ausführlichkeit der Antworten von ChatGPT noch deutlich differenzierter ausfällt, als das, was sich Olsberg in seinem Buch überlegt hat). Faszinierend! (vgl. S. 45: „Sie (= DINA, Anm. d. Verf.) analysiert die Texteingaben, sucht darin nach Worten, die sie kennt, und interpretiert diese anhand vorgegebener Regeln. Dann wertet sie einfach das Programm, das unser Kunde ihr zur Ausführung gegen hat, danach aus. Das hat mit Denken nicht viel zu tun.“). Das Buch liest sich durchweg sehr spannend. Olsberg lässt sich viel einfallen, damit die Handlung nicht stagniert und sich immer wieder in neue Richtungen entwickelt. Handelt es sich anfänglich noch um einen Kriminalroman, so wird es später eher zu einem futuristischen Thriller. Die Ermittlungen treten dann wieder ganz in den Hintergrund und verlaufen im Sande. Was gut zum Ausdruck kommt, ist, wie abhängig die Menschheit von Technik ist und welche Gefahren das in sich birgt. Kurzum: Auch „Das System“ hat mich nicht enttäuscht, auch wenn der Roman noch nicht ganz so rund ist wie spätere Romane (z.B. „Virtua“).
Allerdings ist mir aufgefallen, dass Olsberg in diesem Buch v.a. die Gefahren von KI thematisiert. Nur an einer Stelle wird erwähnt, dass KI auch in der Lage sein könnte, die Probleme der Menschheit zu lösen. Doch nach meinem Eindruck überwiegt insgesamt eher die negative Sicht. Auch in seinen späteren Büchern, die ich kenne (!), werden v.a. die Nachteile und die Gefahren des technischen Fortschritts problematisiert (Ausnahme: „Virtua“, wo eine Computerspielfigur als Mathe-Coach agiert). Es scheint v.a. die Sorge zu überwiegen, dass man die Kontrolle über KI-Systeme verlieren könnte. Es bleibt zu hoffen, dass Olsberg mit seinen düsteren Vorahnungen nicht Recht behält, und die Entwicklungen sich stattdessen als nützlich für die Menschheit erweisen. So bietet ChatGPT zum Lernen einige Möglichkeiten und kann auch dazu dienen, eigene Ideen kreativ weiterzuentwickeln oder z.B. bei Planungen zu entlasten (vgl. dazu z.B. „Christoph Drösser: Was macht KI mit unserer Sprache?, S. 53 ff.“). Wenn man KI als Assistenzsystem begreift, so sehe ich große Vorteile. Allerdings gibt es dann Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen dem, was man als „eigene“ Leistung anerkennen kann, und dem, was von einer KI erzeugt wurde (wobei die Formulierung eines passenden „prompts“ ja auch als eigene Leistung angesehen werden kann). Für Bildungsinstitutionen ist der Umgang damit eine Herausforderung. Aber ich finde es gut, dass sich die KMK z.B. nicht gegen gesellschaftlich-technologische Entwicklungen sperrt und die Nutzung von KI verbietet, weil damit evtl. Missbrauch betrieben werden könnte, sondern stattdessen einen kritisch-konstruktiven Umgang empfiehlt (vgl. dazu „Handlungsempfehlung für die Bildungsverwaltung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz in schulischen Bildungsprozessen“ vom Oktober 2024). Denjenigen, die KI als Assistenzsystem für sich nutzen, kann man nach meiner Meinung ja nicht automatisch böse Absichten unterstellen (es gibt Lehrkräfte in Schulen, die ChatGPT inzwischen für ihre Unterrichtsplanung nutzen).
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