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Donnerstag, 21. November 2024

Fox, Brad - Leuten am Meeresgrund. Aus dem Logbuch der ersten Tiefsee-Expedition


Pionierarbeit



Von dem Sachbuch „Leuchten am Meeresgrund. Aus dem Logbuch der ersten Tiefsee-Expedition“ hatte ich mir viel versprochen. Es ist ein Buch über die Pionierarbeit von Otis Barton und William Beebe, die mit ihrer Bathysphäre als erste Forscher überhaupt so tief unter die Meeresoberfläche getaucht sind. Ihr Rekord liegt bei 923 m. Vor den Tauchgängen von Barton und Beebe wusste man nichts darüber, welche Kreaturen sich in der Tiefe des Ozeans verbergen. Beide haben einen völlig neuen Kosmos erschlossen. Ein Kosmos auf der Erde selbst. Ein Kapitel der Menschheitsgeschichte ebenso spannend wie die Mondlandung, wie ich finde. Bei der Lektüre habe ich mich des Öfteren gefragt, wie es sein muss, in einer Tauchkugel so weit in die Tiefe vorzudringen. Und das Buch startet auch vielversprechend.

 

Im ersten Kapitel sind wir am 11.06.1930 dabei, als die von Otis Barton und William Beebe erbaute Bathysphäre erstmals ins Wasser des Ozeans abtaucht. An Deck des Forschungsschiffs protokolliert Gloria Hollister mit Hilfe eines Notizbuchs die Beobachtungen, die die beiden Männer unter der Wasseroberfläche machen. In 300m Tiefe beobachten sie winzige Garnelen in ihrem natürlichen Lebensraum. Bei ihrem ersten Tauchgang geht es hinunter bis auf 427m. Eingebunden in den Text sind auch Abbildungen, die den Text auflockern. Beebe, Hollister und Barton werden zudem näher porträtiert. Dabei wird die gegenseitige Zuneigung von Beebe und Hollister ebenso deutlich wie die Faszination der drei Forscher für die Tierwelt des Ozeans.

 

Auch das zweite Kapitel weiß zu überzeugen. Darin streifen wir die Tierwelt, die man außerhalb der Bathysphäre entdeckt hat. Hierbei stechen vor allem die bioluminiszierenden Fische hervor. Auch untersucht Beebe mit Hilfe eines Spektroskops die Veränderung des Lichtspektrums unter Wasser. In diesen Zusammenhang streut der Autor auch einige wissenschaftshistorische Exkurse zum Thema der Erforschung von Licht und Farbe bei. Sehr interessant!

 

Doch nach diesem vielversprechenden Beginn des Buchs, der mich wirklich für sich eingenommen hat, nimmt die Qualität der Darstellung in meinen Augen stark ab. Nach meinem Eindruck schafft es der Autor nicht, eine stringente Erzählung aus den historischen Begebenheiten zu formen. Vieles bleibt Stückwerk. Teilweise sind die Kapitel recht knapp und zusammenhanglos verfasst. So werden uns z.B. in Kapitel 3 einige biographische Stationen von Beebe erläutert, z.B. seine Begegnung mit Charles Darwin und Theodor Roosevelt. Danach erhalten wir Einblick in einige Tierstudien von Beebe, die er als Biologe noch vor dem ersten Tauchgang mit der Bathysphäre durchgeführt hat etc.

 

Es handelt sich bei den Kapiteln nach meinem Eindruck um einzelne episodenhafte Ausschnitte, die recht unverbunden nebeneinanderstehen. Zusammenhänge werden nicht immer gut deutlich (z.B. Kap. 10-15). Schade! Dabei fällt auch auf, dass vor allem Beebe mit seinen Leistungen und seiner Biographie in den Vordergrund rückt, Hollister wird nur am Rande einmal erwähnt und der Ingenieur Otis Barton kommt so gut wie nicht vor, obwohl letzterer die Bathysphäre konstruiert hat. Darüber hätte ich auch noch gern mehr erfahren. Auch der Schreibstil schafft Distanz zum Geschehen. Er kommt sehr sachlich, rational, unemotional, nüchtern-protokollartig daher. Wie es sich anfühlt, so tief zu tauchen, und das in einer so kleinen Tauchkugel, das kam mir nicht genug zum Ausdruck. Sehr schade!

 

Allerdings blitzen zwischendurch auch immer einmal wieder kleine Highlights durch, z.B. wenn auf den ungeheuren Wasserdruck eingegangen wird, der unter der Meeresoberfläche herrscht, oder wenn erläutert wird, wie wenig wir eigentlich noch über die Tiefen der Ozeane wissen. Bislang ist nur ein minimaler Teil dieses fremden Kosmos überhaupt untersucht worden. Und das, obwohl 70% der Erde mit Wasser bedeckt ist, das kilometerweit in die Tiefe reicht. Nach Aussage des Autors sind schätzungsweise 99% des Lebens auf der Erde im Wasser enthalten. Und darüber weiß man noch erstaunlich wenig. Die Tiefsee ist ähnlich wenig erforscht wie fremde Planeten…

 

Positiv hervorzuheben sind die Abbildungen (insgesamt 70 im ganzen Buch), die teils im Rahmen der Tauchgänge mit der Bathysphäre entstanden sind. U.a. sind einige Farbzeichnungen (insgesamt 31) von Tiefseelebewesen im Buch enthalten. Erstaunlich für mich ist hierbei, dass Leben so weit in der Tiefe unter so ungeheurem Wasserdruck möglich ist und so zahlreich in verschiedenster Ausprägung vertreten ist. Spannend sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen in Kapitel 9. Darin wird erläutert, wie die Zeichnungen entstanden sind. Beebe rekonstruiert allein aus dem Gedächtnis, was er gesehen hat und berichtet davon. Aussehen, Form und Farbe wird von einer fachkundigen Zeichnerin festgehalten. Die Skizzen werden dann von Beebe immer wieder ergänzt und korrigiert. Erstaunlich, dass dabei teilweise sehr exakte Tierskizzen entstanden sind, die in späteren Jahren auch bestätigt werden konnten.


Fazit: Das Thema des Buchs ist faszinierend und man stößt zwischendurch auch immer wieder auf Highlights in der Darstellung. Auch die Abbildungen und der Beginn des Werks wissen zu überzeugen. Mehr als 3 Sterne kann ich aber aufgrund der oben genannten Kritikpunkte nicht vergeben.

Adler, Sabine - Was wird aus Russland?


Warum hadert die russische Gesellschaft nicht mit dem Krieg?



Sabine Adler legt ein Sachbuch zu Russland vor, das einen interessanten Titel trägt: „Was wird aus Russland?“ Diese Frage stelle ich mir auch regelmäßig. Der Krieg dauert nun schon 1000 Tage und es macht nicht den Eindruck, als würde ein Ende der Kämpfe nahen. Nein, stattdessen sieht es danach aus, als würde nun eine neue Eskalationsstufe erreicht. Was mich nach wie vor wundert, ist der Umstand, warum es in Russland selbst nicht „rumort“. Die Regierung sitzt nach wie vor fest im Sattel, es macht nicht den Eindruck, als haderten die Russen mit dem von Putin losgetretenen Angriffskrieg. Oder ist die Angst vor den Repressionen einfach zu groß? Brodelt es unter der gesellschaftlichen Oberfläche vielleicht mehr als man ahnt? Das sind schwierig zu beantwortende Fragen. Was mich beschäftigt ist aber die Frage, warum kein „Ruck“ durch die russische Gesellschaft geht, in der schon lange keine Pressefreiheit mehr herrscht und die Leute mit Propaganda indoktriniert werden. Woran liegt das? Adler liefert mit ihrer Analyse einige Antworten auf diese Fragen. 

 

Grund 1: Die russische Bevölkerung erhält keine Berichte zum echten Verlauf des Krieges und wird mit „Fake News“ (bzw. Propaganda) durch das russische Fernsehen beliefert. Adler macht deutlich, wie schwer es für Journalisten im Land geworden ist, Informationen zu beschaffen. Sie hätten mit starken Repressionen zu kämpfen und würden massiv eingeschüchtert. Es gibt nur wenige Mutige, die unter Gefahr für Leib und Leben im Untergrund weiter ihrer journalistischen Arbeit nachgehen. Doch die Gesellschaft lebt in einer vom Kreml geschaffenen Wirklichkeitsblase.

 

Grund 2: Nach Einschätzung der Autorin ist die russische Bevölkerung wenig von den Sanktionen betroffen. Adler erläutert, dass sich in der Bevölkerung sogar eine Art Trotzreaktion entwickelt hätte und sie der Meinung sei, der Krieg müsse um jeden Preis gewonnen werden, um das Ansehen des Landes zu bewahren. Man sei zwar nicht zufrieden damit, dass der Krieg begonnen worden ist, und finde es auch nicht gut, dass Putin das Land in diese Lage gebracht hat, aber nun sei es wichtig, einen Sieg zu erringen. Viele russische Bürgerinnen und Bürger hätten Angst vor der Zukunft und davor, dass Russland den Krieg verliert. Inzwischen ließe sich auch unter den jüngeren Russen, die früher dem Krieg kritisch gegenübergestanden hätten, eine Meinungsänderung beobachten. Oft würde eine Täter-Opfer-Umkehr betrieben und den Ukrainern eine Mitschuld an dem Ausbruch des Krieges gegeben. Anteilnahme am Leid der Ukraine lasse sich selten erkennen, so Adler.

 

Grund 3: Adler erläutert das Phänomen des „homo sovieticus“. Durch die Erfahrungen mit dem kommunistischen Totalitarismus habe sich die Gesellschaft auf eine negative Art und Weise verändert, so die These. So seien die Menschen auch nach Zusammenbruch der Sowjetunion immer noch gewohnt, sich zu fügen, unterzuordnen, nichts zu hinterfragen, keine eigene Meinung zu haben und sich ihre Freiheit ohne Widerstand nehmen zu lassen. Gehorsam, Gefolgschaft und Anpassung rückten an die Stelle des selbstständigen Denkens. Diese Einstellung hätte das russische Volk tief verinnerlicht und es sei ihm bis heute nicht gelungen, sich davon zu befreien, auch weil keine kritische Aufarbeitung der Vergangenheit stattgefunden hat. Die Russen seien es nicht gewohnt, aufzubegehren. Dies verhindere die Stimmung eines gesellschaftlichen Umbruchs. Der „homo sovieticus“ existiere weiter und Putin hätte sich diesen Umstand zunutze gemacht, um wieder ein autoritäres Regime zu errichten. Wie schon zu Sowjetzeiten wird der Westen wieder als Feindbild aufgebaut, um eine Homogenisierung nach innen zu erreichen, und die Informationen werden, wie damals, staatlich kontrolliert. Ziel von Putin sei es, eine Bedrohungslage und Angst zu erzeugen, um die Gesellschaft auf Linie zu bringen.

 

Grund 4: Die Demokratie habe durch die (wirtschaftliche) Unsicherheit in den 1990er Jahren keinen guten Start in Russland gehabt. Der Großteil der Bevölkerung blieb arm, während sich einige findige Oligarchen munter bereicherten. Diese Erfahrungen hätten die russischen Bürgerinnen und Bürger skeptisch gegenüber demokratischen Strukturen werden lassen. Viele waren mit ihren eigenen Problemen beschäftigt und haben sich lieber ins Private zurückgezogen. Hinzu komme ein großes politisches Desinteresse der Gesellschaft. Das Bedürfnis, politisch Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, wenn etwas falsch läuft, sei nur gering ausgeprägt. V.a. die jungen Leute interessierten sich mehr für Konsum als für die eigene Freiheit. Hinzu kommt, dass diejenigen, die sich zu sehr politisch engagieren oder gar opponieren, Sanktionen zu befürchten hätten. Der Staatsapparat habe einige Anstrengungen unternommen, um die Meinungsfreiheit zu untergraben und eine politische Opposition auszuschalten. Die Russen hätten daraus v.a. gelernt, sich lieber „wegzuducken“, statt politisch aktiv zu werden, um sich nicht selbst zu gefährden. Auch diese Faktoren erschweren ein gesellschaftliches Umdenken.

 

Grund 5: Putin selbst habe in seiner Amtszeit als Präsident dafür gesorgt, die ersten demokratischen Entwicklungen abzuwerten und als von außen aufgezwungen zu ettiketieren. Er hat stattdessen an alte Sowjetzeiten angeknüpft und bedient dabei den Wunsch seiner Bevölkerung, als Großmacht in der Welt wahrgenommen zu werden. Auch die Sehnsucht der Russen nach Stabilität und Sicherheit hat er geschickt für sich ausgenutzt und sich selbst als starken Anführer präsentiert. Bezeichnend ist z.B. auch der Umstand, dass Putin immer dann als besonders beliebt bei der Bevölkerung gilt, wenn er Kriege führt. Seine Kriegslüsternheit werde ihm als Durchsetzungsstärke und Entschlossenheit ausgelegt, so Adler. Die Bezüge Putins auf Russlands imperialistische Vergangenheit dienten auch dazu, dem Land seine Selbstachtung wiederzugeben und das Ansehen als Großmacht nach innen und außen wiederherzustellen. Etwas, das Russland in den orientierungslosen 1990er Jahren verloren hat.

 

Vieles, was die Autorin ansonsten in ihrem Buch beschreibt ist ein Blick in die Glaskugel. Wer weiß schon, was passiert, wenn Russland den Krieg verliert (oder gewinnt...). Wird Putin dann entmachtet? Wer wird ihm nachfolgen? Werden dann Privatarmeen für bürgerkriegsähnliche Zustände sorgen? Oder wird Russland tatsächlich die Konfrontation mit der NATO suchen? Es lassen sich viele und die wildesten Hypothesen aufstellen. Das möchte ich im Rahmen dieser Rezension lieber außen vor lassen und mich nicht daran beteiligen. Sicher ist nur eines und da gebe ich der Autorin absolut Recht: Europa wird einen Weg finden müssen, mit Russland weiter umzugehen, egal wie dieser Krieg ausgeht und wann er endet. Europa und Russland werden Nachbarn bleiben. Daran führt kein Weg vorbei. Wie die Gestaltung dieses Weges dann aussieht, ob sich Russland von innen neu ausrichtet und ob sich die geopolitischen Verhältnisse in Zukunft ändern oder verschieben, wird die Zeit zeigen. Ich bin aber inzwischen skeptisch, wenn es darum geht, dass aus Russland jemals ein demokratisches Land werden wird. Da hatte ich in der Vergangenheit einmal eine andere, optimistischere Meinung und größere Hoffnungen…

Montag, 18. November 2024

Olsberg, Karl - Virtua


Spannend und faszinierend



Was wäre, wenn eine Firma kurz vor der Entwicklung einer starken Künstlichen Intelligenz stünde? Welche Absichten würde eine solche KI dann verfolgen? Um diese Fragen dreht sich der Near-Future-Thriller „Virtua“, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Die düstere Zukunftsvision, die sich der Autor überlegt hat, könnte tatsächlich in dieser Form irgendwann Realität werden (hoffentlich nicht), wenn die Firma, die die KI entwickelt hat, eines Tages die Kontrolle über sie verliert. Doch worum geht es überhaupt?

 

Der Psychologe Daniel hofft auf einen neuen Job bei der Firma „Mental Systems“. Dort wird es seine Aufgabe sein, das Arbeitsklima zu verbessern bzw. am Laufen zu halten, Konflikte zu klären und auf die Gesundheit der Mitarbeiter zu achten. Und obwohl er in seinem Bewerbungsgespräch offen über seine eigenen psychischen Probleme spricht (er fühlt sich für den Suizid einer ehemaligen Klientin verantwortlich und lebt mit großen Schuldgefühlen), kriegt er letztlich den Zuschlag für den neuen Job. Sein Arbeitgeber rechnet ihm seine Offenheit hoch an. Die Firma, in der Daniel fortan arbeitet, betreibt die Entwicklung einer starken KI und entwickelt Technologien für das sog. Metaverse, in dem sich viele Menschen in ihrer Freizeit aufhalten. Die Arbeit bringt es mit sich, dass Daniel einige dieser technischen Dinge kennen lernt und die angespannte Stimmung der Belegschaft erlebt. Einiges, was er sieht, verschlägt ihm regelrecht den Atem. Die Simulationen, die er am eigenen Leib erfährt, wirken so echt, dass er sogar an der Wirklichkeit zu zweifeln beginnt. Was ist noch echt? Was ist nur simuliert? Eine Unterscheidung fällt ihm schwer. Daniel taucht mit der Zeit immer tiefer in die Geheimnisse von „Mental Systems“ ein. Und er spürt, dass die Mitarbeiter der Entwicklung der KI namens „Virtua“ Misstrauen entgegenbringen. V.a. die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen werden immer wieder zum Thema. Gleichzeitig steht „Mental Systems“ unter großem Erfolgs- und Konkurrenzdruck. Eine gefährliche Mischung! Auf diese Weise wird auch thematisiert, dass Firmen eine große Verantwortung für ihre technologischen Entwicklungen tragen.

 

In einer anderen Perspektive tauchen wir in eine künstlich simulierte Realität ein, in das sog. Metaverse, und begleiten den jugendlichen Anwaltssohn Jerry bei seinen Abenteuern in einer virtuellen Fantasywelt. Jerry ist oft sich selbst überlassen, weil sich niemand um ihn kümmert. Seine schulischen Leistungen lassen zu wünschen übrig. Und ihm graut davor, eines Tages in die Fußstapfen seines dominanten Vaters treten zu müssen, der ihm ständig Vorschriften macht und Erwartungen an ihn richtet. Auch aus diesen Gründen flüchtet er sich oft ins Metaverse und spielt dort „Unlife“. Dort hat er als Vampirlord Erfolgserlebnisse und findet Anerkennung. Etwas, das ihm in der wirklichen Welt verwehrt bleibt. Bei seinen Streifzügen durch die Fantasywelt von Unlife trifft er auf eine simulierte Spielefigur, zu der er sich stark hingezogen fühlt. Von ihr fühlt er sich verstanden. Er gerät immer stärker in einen gefährlichen Sog von Suchterfahrung und verliert sich zunehmend in der virtuellen Spielewelt.

 

Anscheinend hat der Autor ein Faible für virtuelle Fantasywelten, auch in anderen Büchern von ihm bin ich bereits auf diese Idee gestoßen (vgl. dazu frühere Rezensionen zu „Boy in a white room“ und „girl in a strange land“). Und noch etwas ist mir aufgefallen. Die Behandlung der Themen von KI und virtueller Realität sind nicht einseitig negativ. Das finde ich gut! Der Autor beleuchtet immer auch Vorteile, die die neuen Technologien mit sich bringen könnten. So wird die Spielefigur, in die sich Jerry verliebt zu haben scheint, zu einer Art Mathecoach für ihn. Sie vermittelt ihm Inhalte, die er in der Schule nicht verstanden hat, motiviert ihn zum Lernen und verbessert durch ihr individuelles Training seine schulischen Leistungen. Auch im weiteren Handlungsverlauf wird immer wieder in der Schwebe gehalten, ob Virtua ehrlich oder unehrlich agiert. Das Thema Vertrauen spielt in diesem Zusammenhang eine große Rolle. Täuscht die KI die Menschen über ihre wahren Absichten oder meint sie es gut mit ihren Schöpfern? Mir hat sehr gut gefallen, dass ich als Leser mal in die eine, mal in die andere Richtung mit meiner Einschätzung gelenkt wurde. Das ist richtig gut arrangiert!

 

Stellenweise blitzt auch auf, welche gesellschaftlichen Transformationsprozesse vor sich gehen, die durch die Entwicklung von neuen Technologien verursacht werden. So ist z.B. an einer Stelle die Rede davon, dass immer mehr Berufsgruppen ihre Arbeit verlieren, weil sie durch KI ersetzt werden. Zudem wird ein bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt. Die Handelsstrukturen der Welt sowie das Konsumverhalten verändern sich. Nicht zuletzt wirkt sich der Aufenthalt im Metaverse negativ auf die zwischenmenschliche Beziehungsgestaltung aus. Und ich hatte während der Lektüre oft das Gefühl, dass sich einige Vorahnungen des Autors womöglich tatsächlich in naher Zukunft so ereignen könnten. Seine Visionen wirken nicht zu weit hergeholt. Das hat mich oft nachdenklich werden lassen.

 

Im letzten Drittel greift der Autor an zwei Stellen geschickt auf das Mittel von Zeitsprüngen zurück, um das Geschehen nochmals in eine neue Richtung zu lenken und der Handlung neue Impulse zu verleihen. Auch das hat mir richtig gut gefallen. Und noch etwas fand ich sehr gelungen: Das Nachwort! Darin zeichnet der Autor die jüngsten Entwicklungen im Bereich der KI-Forschung nach und äußert sogar die Sorge, dass man in naher Zukunft (vielleicht schneller als man denkt) in der Lage sein wird, eine KI zu entwickeln, die man vielleicht nicht mehr kontrollieren kann. Eine beängstigende Vorstellung, die hoffentlich niemals Realität wird und nur eine Idee im Bereich der Science-Fiction bleibt. Kurzum: Der Thriller „Virtua“ hat mir richtig, richtig gut gefallen. Ein tolles Buch! Olsberg wird langsam zu einem meiner neuen Lieblingsautoren.

Mittwoch, 13. November 2024

Strauss, Annika - Nachtfahrt


Schnell, schneller, Annika Strauss



Die Protagonistin Katha wird von zahlreichen Schicksalsschlägen heimgesucht. Im Alter von 12 Jahren verlor sie ihre Mutter, in jüngerer Vergangenheit noch dazu ihre Schwester sowie ihren Schwager und nun ist auch noch ihr Vater verstorben, während er auf dem Motorrad eine Fahrstunde abhielt und von einem Auto scheinbar absichtsvoll von der Fahrbahn gedrängt worden ist. Katha muss sich nun um die Fahrschule sowie die 13-jährige Ronja kümmern, die Tochter ihrer Schwester, um die sich zuvor ihr Vater gekümmert hat.

 

Katha, die eigentlich vor drei Jahren nach Berlin geflüchtet ist, um einen Verlobten und ihr altes Leben als Fahrlehrerin hinter sich zu lassen, muss sich nun wieder in das Geschäft einfügen und ihren alten Job übernehmen. Sie kehrt unfreiwillig in ihr altes Leben zurück, weil sie den Nachlass regeln muss. Dabei trifft sie auch auf Personen von früher, denen sie lieber nicht begegnet wäre. Sie muss sich Situationen stellen, die sie lieber vermieden hätte. Eine schwierige Lage. Erschwerend kommt hinzu, dass sich ihre Nichte ihr gegenüber abweisend verhält. Sie steckt mitten in der Pubertät und ihr fällt es schwer, mit den zahlreichen Verlusten umzugehen.

 

Kaum hat Katha ihre neue Tätigkeit übernommen, kommt es zu einer nächsten Katastrophe. Ein Fahrzeug ist manipuliert worden und eine Fahrschülerin erleidet einen Unfall. Spätestens ab diesem Zeitpunkt fragt man sich, wer es auf die Fahrschule und die Familie rund um Katha herum abgesehen hat. In einer weiteren Perspektive, lernen wir auch einen uns unbekannten Täter kennen, der eine junge Mutter entführt hat und dieser ihr eigenes Kleinkind vorenthält. Er verlangt von ihr, Prüfungen zu bestehen, um zu beweisen, dass sie eine gute Mutter ist. Nach und nach fügt sich das Puzzle dann zusammen, wie die verschiedenen Handlungsstränge zusammenhängen.

 

Was mir besonders gut an diesem Thriller gefällt, ist der Umstand, dass die Autorin mit einem sehr, sehr hohen Tempo die Geschehnisse vorantreibt. Die Kapitel sind kurz und knackig und es gibt keinen Stillstand. Man kommt als Leser kaum zum Durchatmen, ständig passiert etwas Neues und es kommt zu neuen Verwicklungen und Ereignissen. Schnell wird zwischen den verschiedenen Personen und Handlungsorten gewechselt. Ich mag eine solch dynamische Erzählweise sehr, da sie mich beim Lesen in einen Zustand erhöhter Anspannung versetzt. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und bin durch die Seiten geflogen. So muss ein temporeicher Thriller sein! Da hat die Autorin in meinen Augen viel richtig gemacht. Und ich hoffe, sie behält ihren rasanten Stil in Zukunft bei. Kurzum: Ein überraschend guter Thriller, bei dem ich voll auf meine Kosten gekommen bin. Den Namen der Autorin werde ich mir merken. Ich hoffe auf weiteren so guten Lesestoff von ihr.

Mittwoch, 6. November 2024

Kuhnke, Jasmina - White lives matter


Selbstermächtigung



Jasmina Kuhnke habe ich als Autorin erstmals in Zusammenhang mit ihrem Buch „Schwarzes Herz“ wahrgenommen. Sie hat mich mit ihrer Biographie sehr beeindruckt und das Werk ging mir damals ziemlich unter die Haut. Es ging darin um die Lebensgeschichte einer Ich-Erzählerin, die verschiedene Formen von Gewalt und Ausgrenzung in allen Lebensbereichen erlebt. Zentral dabei ist ihr Kampf um Befreiung, die Entwicklung von einem Opfer häuslicher Gewalt hin zu einem selbstbestimmten Leben. Der Inhalt wird dabei mit hoher Emotionalität zum Ausdruck gebracht.

 

Und auch in ihrem neuesten Buch „White lives matter“ schildert die Autorin den Entwicklungsprozess einer starken Frauenfigur hin zur Selbstermächtigung. V.a. für Leserinnen und Leser, die stärker für das Thema „Rassismus“ in seinen verschiedenen Ausprägungen sensibilisiert werden möchten, ist das Buch ein absoluter Gewinn. Dafür wagt Kuhnke ein schriftstellerisches Experiment. Sie vertauscht die Rollen von Mehrheitsgesellschaft und Minderheit, die Hautfarben werden dafür jeweils ins Gegenteil verkehrt. Auf diese Weise verspricht sie sich, dass die Leserinnen und Leser sich besser in die Figur und ihre Erlebnisse von Diskriminierung hineinversetzen können. Ein interessanter Ansatz! Ich habe viel dazugelernt. Doch worum geht es überhaupt?

 

Die weiße Studentin Anna recherchiert für eine Hausarbeit und stößt dabei auf die Darstellung eines sog. Menschenzoos, in dem ein kleines Mädchen verstirbt (in diesem Zusammenhang empfehle ich eine Recherche zu dem dunklen Kapitel der sog. Völkerschauen, die erschreckend lange existiert haben. Die Autorin weist in ihrem Nachwort auch daraufhin). Anna ist davon sichtlich berührt und wird stark von dem Thema emotionalisiert. Das Auswerten der Quellen wühlt sie auf und zugleich spürt sie eine Verbundenheit zu den historischen Personen. Wir erleben zudem mit, wie Anna mit alltagsrassistischen Verhaltensweisen und Diskriminierung konfrontiert wird. Selbst in ihrer WG muss sie blöde Sprüche zum Geruch ihres Essens, das sie sich zubereitet, ertragen. Unangenehmen Auseinandersetzungen geht Anna lieber aus dem Weg, sie zieht lieber den Kopf ein. Als Studentin ist Anna vorbildlich. Sie ist pflichtbewusst, kämpft um den sozialen Aufstieg und glänzt mit sehr guten Noten. Mit ihrer weißen Hautfarbe ist sie allerdings eine Ausnahme an der Universität. Und was ebenfalls zum Ausdruck kommt, ist der Umstand, dass Anna ein geringes Selbstwertgefühl hat. Bei ihrem Professor hat sie aber das Glück, dass sie nicht auf Ressentiments stößt, sondern er ihr Potential erkennt und sie fördert.

 

Später wird Anna zum Ziel eines körperlichen Übergriffes, der sie schwer verstört. Sie wird im Bus öffentlich gedemütigt und kann sich nur schwer davon erholen. Erstmals wird ihr klar, wie schnell sie aufgrund ihrer Hautfarbe zu einem Opfer werden kann. Auch in der Diskothek muss sie rassistische Beschimpfungen über sich ergehen lassen. Bei einer anschließenden Schlägerei wird Annas Bruder schwer verletzt und die Polizei agiert falsch. Der Bruder wird wegen seiner Hautfarbe von der Polizei vorverurteilt. Ein Fall von „racial profiling“, der der Leserschaft auf diese Weise nähergebracht wird. Das Thema der Polizeigewalt spielt im weiteren Handlungsverlauf eine wichtige Rolle. Auch die Mechanismen von strukturellem und institutionellem Rassimus werden in diesem Zusammenhang gut verdeutlicht. Die Vorkommnisse lösen bei Anna etwas aus. Sie befreit sich aus ihrer Opferrolle und wird zu einer Aktivistin, die sich gegen Ungleichbehandlung, Ungleichheit und Rassismus einsetzt. Sie hält Vorträge, um ihre Zuhörerschaft für diese Themen zu sensibilisieren.

 

Das Thema Rassismus ist in diesem Buch omnipräsent, man kommt auf keinen Fall daran vorbei. Darauf sollte man sich einlassen wollen, wenn man „White lives matter“ liest. Es ist aber nicht so, dass es der Autorin nur darum geht, eine politische Botschaft loszuwerden und der Inhalt dahinter zurücksteht. Die Geschichte um Anna, ihren Bruder und ihrer Geschichte von Selbstermächtigung übt ebenfalls einen großen Reiz aus und wird ansprechend und mit emotionaler Wucht erzählt. Der Schreibstil von Kuhnke überzeugt, ich blieb über das ganze Buch hinweg an ihren Zeilen haften und habe durchgängig mit großem Interesse weitergelesen. Darüber hinaus kam mir die Darlegungen der verschiedenen Positionen zum Thema Rassismus an keiner Stelle unreflektiert oder undifferenziert vor. Im Gegenteil! Auch habe ich etwas dazugelernt. So ist mir im Vorfeld der Begriff „token“ noch nicht untergekommen. Und vom „racial empathy gap“ hatte ich auch noch nichts gehört.


Letztlich regt die Lektüre des Buchs zum Nachdenken an. Man wird für das Thema des Rassismus in seinen verschiedenen Ausprägungen sensibilisert. Das finde ich sehr gut und wichtig! Doch auch ein Transfer des Gelesenen auf andere Bereiche ist in meinen Augen möglich. Die Mechanismen von Diskriminierung und Ausgrenzung lassen sich auch auf andere stigmatisierte Gruppen übertragen (z.B. Menschen mit psychischen Erkrankungen). Sie sind in meinen Augen nicht ausschließlich auf die Hautfarbe beschränkt (was ist mit sozialer Herkunft und sozioökonomischem Status?). Und auch könnte man sicherlich über das ein oder andere, das in diesem Buch vorkommt, diskutieren. Mit dem Begriff des „racial empathy gap“ tue ich mich z.B. schwer, auch wenn ich kein Experte auf diesem Gebiet bin. Aber wie lässt sich Empathie operationalisieren und messen? Ist Empathie nicht eine sehr individuelle Eigenschaft, weniger eine gruppenspezifische? Und sorgt ein solches Konzept nicht eher für eine größere Kluft, weil man der Gegenseite abspricht, sich in bestimmte Erfahrungsbereiche hineinversetzen zu können? 

Sonntag, 3. November 2024

Henn, Carsten - Der Buchspazierer


Der alte Mann und die Bücher



Carl Kollhoff (72 Jahre) ist ein begnadeter Buchhändler. Er kennt die Wünsche seiner Kundschaft und versorgt einzelne Bürger seiner Stadt mit von ihm ausgesuchten Lesestoff. Dafür bringt er ihnen die Bücher persönlich zu Hause vorbei. Er ist der „Buchspazierer“. Mit dieser Aufgabe gibt er seinem eigenen Leben einen Sinn. Seine Liebe zu literarischen Stoffen und seine Belesenheit merkt man ihm an. So benennt er seine Kundinnen und Kunden z.B. nach literarischen Vorbildern und gibt ihnen amüsante Spitznamen. 


Auf einem seiner Auslieferungsspaziergänge, bei denen wir stets auch die Kundinnen und Kunden mit ihren jeweiligen Eigenheiten und Leseinteressen kennenlernen, begegnet Carl eines Tages dem kleinen Mädchen Schascha (9 Jahre), das ihn fortan begleitet. Sie ist Halbwaisin und ihr Vater arbeitet viel, um die kleine Familie über Wasser zu halten. Anfänglich kann der Buchspazierer mit der Kleinen nicht viel anfangen, er hat Berührungsängste. Doch schnell erobert sie sein Herz. Mit ihrer kindlichen Unbedarftheit und ihren neugierigen Fragen amüsiert sie die Erwachsenen um sich herum und bringt Carl ein wenig aus seinem gewohnten Rhythmus. Schascha verleiht Carls Leben neuen Schwung, durchbricht dessen festgefahrene Routinen und gewinnt rasch die Sympathie der Leserinnen und Leser. Sie ist ein humorvolles Element und sorgt immer wieder für Überraschungen. Eine schöne Beziehungskonstellation, die der Autor da konstruiert hat!

 

In der Mitte des Buchs kommt es dann zu einer krisenhaften Situation. Aus wirtschaftlichen Gründen wird der Service, den Carl anbietet, abgeschafft und er verliert seine Beschäftigung (sein Angebot konnte bei einer Buchhandlung dazugebucht werden). Die Inhaberin des Buchladens agiert eiskalt, undankbar und gnadenlos, und das obwohl Carl mit seiner Tätigkeit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Buchhandlung beiträgt und die Kundschaft mit ihm sehr zufrieden ist. Carl ist daraufhin geschockt und am Boden zerstört. Schascha merkt dies und will ihn aufmuntern. Und ich stellt mir an dieser Stelle die folgenden Fragen: Wie wird er damit umgehen? Kann er sich aus seiner persönlichen Krise befreien? Wird Schascha ihm dabei helfen? Ich will nicht zu viel verraten, nur so viel: Zum Ende des Buchs ändert sich der wohlige Erzählton des Buchs ein wenig und Carl lernt auch andere Seiten des Menschseins kennen.

 

In dem Buch werden viele interessante Themen beiläufig angerissen. So geht es an einigen Stellen auch um das Altern. Weiterhin scheint durch, dass Schascha trotz ihrer ausgeprägten Neugier nicht gut in der Schule ist. Das finde ich erstaunlich, wo sie doch als Begleitung von Carl so kreativ ist und über eine hohe emotionale Intelligenz verfügt. Eine kleine, aber feine Kritik am Schulsystem, die hier aufblitzt. Zentral geht es aber in „Der Buchspazierer“ natürlich um das Thema „Bücher“. So wird klar, dass Bücher in verschiedenen Lebenssituationen immer wieder wichtige Funktionen erfüllen. Sie spenden Kraft, Trost, Freude oder stiften andere Emotionen. Zudem bieten sie Möglichkeiten zur Identifikation mit den Protagonistinnen und Protagonisten und sind eine gute Gelegenheit, um über den Inhalt des Buchs miteinander ins Gespräch zu kommen oder anderen als Geschenk eine Freude zu machen. Und man stößt während der Lektüre immer wieder auf feine Passagen, die das Lesen im Allgemeinen betreffen, so z.B. die folgende: „Jeder Mensch braucht andere Bücher. Denn was der eine aus tiefstem Herzen liebt, das lässt den anderen völlig teilnahmslos“ (S. 89). Fazit: Ein gelungenes Werk mit gut aufeinander abgestimmten Figuren und wichtigen Botschaften. 5 Sterne von mir!

Freitag, 1. November 2024

Der Herr der Ringe - Die Ringe der Macht (Staffel 2)


Ereignisreich, spannend und bildgewaltig (Vorsicht Spoilergefahr)




Die zweite Staffel von „Die Ringe der Macht“ hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Schon der Einstieg ist opulent. Wir erleben mit, wie Sauron von Adar getötet wird und die Orks von dessen Herrschaft befreit. Und wir sehen, dass Saurons Existenz nicht an eine körperliche Erscheinung gebunden ist. Er überlebt.

 

Nachdem Sauron sich von seinem Rückschlag erholt und neue Kräfte gesammelt hat, schmuggelt er sich unter falscher Identität unter die Elben in Eregion. Er erscheint uns als großer Manipulator, der in der Lage ist, sein Gegenüber geschickt zu täuschen. Sein Ziel: Beim Elbenschmied Celembrimbor in die Lehre zu gehen und die Ringe der Macht herzustellen (natürlich nicht in guter Absicht). Das wird gut in Szene gesetzt und kommt über die komplette Staffel hinweg immer wieder sehr gut zum Ausdruck. Es verdeutlicht auch, welche Macht Sauron über andere hat und wie gefährlich er ist. Er ist in meinen Augen die Hauptfigur der zweiten Staffel. Es ist bestimmt kein Zufall, dass er allein auf dem Cover abgebildet ist.

 

Die Figur von Adar haben sich die Macher der Serie überlegt, sie stammt ursprünglich nicht aus dem Tolkien-Universum. Doch diese Idee fügt sich gut in das Gesamtbild ein und auf diese Weise hat man der Serie ein kreatives Element hinzugefügt, wie ich finde. Adar tritt als Anführer der Orks auf und ist Rivale von Sauron. Er hat ihn verraten und will ihn weiterhin aus der Welt schaffen, als er erfährt, dass Sauron überlebt hat.

 

Das Geschehen wechsel regelmäßig zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und entwickelt sich jeweils in unterschiedliche Richtungen weiter. So geht es auch um Gandalf und seine Suche nach sich selbst. Noch hat er seine magischen Kräfte nicht unter Kontrolle. Er trifft schließlich auf Tom Bombadil (eine Figur, die in den Filmen von Peter Jackson leider nicht vorkommt), der für ihn zu einer Art Mentor wird, und muss sich später mit dem ominösen dunklen Zauberer messen (handelt es sich bei dem dunklen Zauberer etwa um Saruman?).

 

Weiterhin begleiten wir die Elben, die sich zunächst darüber einig werden müssen, wie sie mit den für sie geschmiedeten drei Ringen verfahren wollen. V.a. Elrond und Galadriel rücken dabei in den Vordergrund. Über ihr Beziehungsgefüge erfahren wir mehr. Elrond erscheint z.B. als äußerst weise und charakterstark, er misstraut den Elbenringen. Galadriel hingegen ist äußerst kämpferisch und willensstark.

 

Darüber hinaus gibt es noch weitere Handlungsstränge: Die Zwerge in Khazad Dum erhalten vom Elbenschmied und seinem neuen Lehrling sieben Ringe der Macht. Durins Vater macht von einem dieser Ringe Gebrauch und durchläuft eine negative Entwicklung. Er wird durch die Macht des Rings korrumpiert. Kann sein Sohn ihn und das Reich der Zwerge vor Schlimmerem bewahren? Ab der dritten Folge erfahren wir auch, was aus Isildur und dem Reich Numenor geworden ist.

 

Fazit: Die zweite Staffel ist bildgewaltig und episch in Szene gesetzt worden. Sie ist ereignisreich und es wurde zudem darauf geachtet, dass die verschiedenen Handlungsstränge alle inhaltlich sinnvoll vorangetrieben werden. Das Staffelfinale kann sich sehen lassen. Gleichzeitig bleibt am Ende so viel offen, dass man mit Neugier auf die dritte Staffel wartet. Sie hat mir viel besser gefallen als Staffel 1, auch weil es mir so vorkam, als sei der Spannungsbogen deutlich stärker ausgeprägt. Vieles erscheint mir als sinnvolle Ergänzung zu den Jackson-Filmen. So wird z.B. das Beziehungsgefüge von Elrond und Galadriel vertieft und beiden Figuren werden neue Aspekte verliehen. Die Orks rücken plötzlich in ein anderes Licht, nachdem ich diese Staffel geschaut habe. Sie wirken nun eher wie ein Spielball höherer Mächte. Kurzum: Die Serie fügt sich nach meinem Empfinden sehr gut in das Franchise um Herr der Ringe ein.