Einblick
in die rätselhafte Quantenwelt
Wie angekündigt, möchte ich noch weitere Titel zum Thema „Quantenphysik“ lesen und besprechen. Den Anfang macht das Kompakt-Themenheft „Quantenphysik. Spukhafte Welt zwischen Welle und Teilchen“ von Spektrum der Wissenschaft (05/2015). Das Heft ist schon fast zehn Jahre alt, aber es enthielt einige für mich interessante Themen, z.B. zum Quantencomputer, zur Verschränkung, zur Quantengravitation, zur Viele-Welten-Theorie und zu Zeitreisen. Auch Einsteins Idee der spukhaften Fernwirkung wird thematisiert. Vieles davon mutet an wie Science-Fiction. Faszinierend! Und was ich ebenfalls interessant finde: Die Quantenwelt mit ihren eigenen Regeln bleibt bis heute rätselhaft und in vielen Aspekten unverstanden. Gerade das macht es überaus spannend! Und was ich weiterhin an dem Themenheft schätze, ist der Umstand, dass es weitestgehend verständlich ist. So kann man auch als Laie in diesen wissenschaftlichen Teilbereich vordringen und einiges für sich an Erkenntnissen mitnehmen. Was ich jedoch nicht leisten kann, ist, die dargestellten Inhalte kritisch zu prüfen. Dafür fehlt es mir an Fachkenntnissen. Ich kann lediglich festhalten, wo mir etwas unklar geblieben ist oder wo Fragen aufgetaucht sind.
Beitrag
1 – Quantenphysik. Und noch ein Schlupfloch erfolgreich geschlossen. Von Dirk
Eidemüller
Hier
wird verdeutlicht, dass die Quantenwelt spezifische Eigenschaften aufweist, die
tatsächlich nur dort möglich sind. So kann ein Teilchen z.B. nicht nur an einem
Ort sein, sondern gleichzeitig auch noch an anderen Orten, zumindest bis zu dem
Zeitpunkt, zu dem der Ort genauer bestimmt wird. Am Beispiel des Photons wird
verdeutlicht, dass diese eine Wellen- und zugleich eine Teilcheneigenschaft
aufweisen. Photonen breiten sich wie Wellen aus, will man sie jedoch
lokalisieren, erscheinen sie uns als punktförmige Teilchen und nicht länger als
Welle. Interessant ist, dass der Übergang von Welle zu Teilchen mit unendlicher
Geschwindigkeit stattfindet. Und das, obwohl nach der Relativitätstheorie
nichts schneller als das Licht ist. Ein zentrales Forschungsanliegen sei es bis
heute, den Kollaps der Wellenfunktion genauer zu untersuchen. Des Weiteren
stellt der Autor ein Experiment vor, bei dem die Welleneigenschaften von
Photonen gemessen werden. Es zeigt sich, dass die Messung an einem Ort zugleich
auch das Teilchen an einem anderen Ort beeinflusst. Sie sind miteinander
verschränkt.
Beitrag
2 – Quantenmechanik. Quantenphysik erlaubt die Zeitreise. Von Lee Billings
Diskutiert
wird hier das beliebte Großvater-Paradoxon, also das Gedankenspiel, dass eine
Person in die Vergangenheit reist, um den eigenen Großvater zu töten, und damit
die eigene spätere Geburt verhindert. Stephen Hawking hielt Reisen in die Vergangenheit
für unmöglich. Aus mathematischer Sicht seien Zeitreisen jedoch machbar. So
kann man auf der Basis von Einsteins Relativitätstheorie eine so starke
Krümmung der Raumzeit annehmen, dass geschlossene zeitartige Kurven entstehen.
Würde man eine solche geschlossene Schleife durchlaufen, könnte man in die
Vergangenheit reisen. Im Beitrag wird des Weiteren die Möglichkeit erörtert, ob
es möglich sei, Quantenteilchen durch eine solche Schleife zu schicken. Dies
hätte allerdings weitere Fragen zur Folge: Handelt es sich bei dem verschickten
und ankommenden Photon um das identische Teilchen? Und kommt das durch die Zeit
geschickte Photon im selben Universum wieder heraus, das es in der Zukunft
verlassen hat? Spannend! Letztlich bleiben alle diesbezüglichen Annahmen
natürlich spekulativ.
Beitrag
3 – Informationstechnologie. Mission Quantencomputer. Von Elizabeth Gibney
Die
Idee für die Entwicklung eines Quantencomputers sei schon in den 80er Jahren
aufgekommen. In der Praxis hätten sich die bestehenden Quanteneffekte jedoch
als extrem schwer kontrollierbar herausgestellt. Schon eine minimale Vibration
könne den Rechenvorgang in einem Quantensystem stören. Doch die Autorin
erläutert auf verständliche Art und Weise, dass man in der Forschung die
Hoffnung nicht aufgibt, die Prozesse irgendwann besser kontrollieren zu können.
Es habe inzwischen einige Fortschritte gegeben und auch große Firmen wie
Google, IBM und Microsoft forschten an einem solchen Projekt, doch aktuell
scheint die erfolgreiche Umsetzung der Technologie noch viele Jahre in der
Zukunft zu liegen. Die Vorlesung des verstorbenen Physikers Richard Feynmann
bilden die konzeptionellen Grundlagen für die Entwicklung eines
Quantencomputers. Der Vorteil eines solchen Computers besteht darin, dass er
viel mehr parallele Rechenvorgänge durchführen könnte. Er macht sich die
Eigenschaften der Quantenwelt zunutze und ist nicht nur auf eine binäre
Arithmetik festgelegt. Die Autorin dieses Beitrags zeigt letztlich auf, welche
Erfolge in diesem Forschungsbereich bereits verzeichnet werden konnten und
welche Hürden in der Zukunft noch zu nehmen sind.
(…)
Beitrag
5 – Bildgebung. Fotografieren mit verlorenem Licht. Von Dirk Eidemüller
In
diesem Beitrag wird aufgezeigt, wie für ein Bildgebungsverfahren die
quantenphysikalische Verknüpfung von Photonen genutzt wird. Dafür werden zwei
Teilstrahlen auf ein Objekt gelenkt, ein roter Strahl läuft um das Objekt herum
und ein Infrarotstrahl durchdringt das Objekt. Später werden beide Strahlen
wieder miteinander kombiniert. Dabei stellte man fest, dass nicht nur die
infraroten Photonen allein das Bild mit sich tragen, sondern auch die damit
verschränkten roten Photonen. Trennt man im Anschluss an die Zusammenführung die
beiden Lichtstrahlen wieder voneinander, so kann mit den roten Photonen, obwohl
sie das Objekt niemals berührt haben, trotzdem ein Bild mit ihnen projiziert
werden. Erstaunlich! Anders ausgedrückt: Ohne direkten Kontakt zum Objekt, ist
es dennoch gelungen, mit Hilfe verschränkter Photonen, ein Bild zu erzeugen.
Die Forscher halten es für möglich, ihre Erkenntnisse für den medizinischen
Bildgebungsbereich fruchtbar zu machen.
Beitrag
6 – Casimir-Effekt der Gravitation. Experiment soll Quantennatur der
Gravitation offenbaren. Von Jan Dönges
Bislang
erscheint die Gravitation mit der Quantenphysik nicht vereinbar, wie der Autor
erklärt. Die Annahme, dass auch die Gravitation aus Quanten besteht, ist
bislang nicht experimentell bestätigt worden können. Ein Forscher der
Universität Tokio glaubt jedoch mit einem Experiment einen Nachweis dafür
liefern zu können, dass auch Gravitation „gequantelt“ ist. Dafür will man sich
den sogenannten Casimir-Effekt zunutze machen. Leider wird im Beitrag nicht
genauer dargelegt, ob das Experiment bereits durchgeführt wurde oder wann es
stattfinden soll. Auch bleibt mir unklar, was das zu erwartende Ergebnis ist
bzw. was dabei herausgekommen ist.
Beitrag
7 – Verschränkung. Kosmischer Test für die Quantenphysik. Von Rainer Kayser
Zu
Beginn des Beitrags stellt der Autor einige zentrale Fragen in den Vordergrund,
auf die es bislang keine befriedigenden Antworten gibt: Existieren bislang
verborgene Regeln und Größen hinter der Quantentheorie, die wir aktuell noch
nicht kennen? Und was bedeutet die Quantenmechanik für unsere physikalische
Realität? Wie ist diese zu interpretieren?
Ein
Phänomen, das Kayser näher in den Blick nimmt, ist die Verschränkung von
Teilchen. Diese können, auch wenn sie (sehr weit) voneinander entfernt sind,
miteinander verknüpft sein. Zur Veranschaulichung wählt Kayser eine treffende Analogie.
Steckt man eine schwarze und eine weiße Kugel in zwei verschiedene Beutel und
überreicht jeweils einen Beutel zwei Beobachtern, die ihrerseits nicht wissen,
welche Kugel jeweils im Beutel ist. Und stellt man die Beobachter an zwei
entfernte Orte, so wissen sie erst dann, was in ihrem Beutel ist, wenn sie ihn
öffnen (also eine Messung durchführen). Dabei sind die Ergebnisse der Messung
nicht unabhängig voneinander. Wenn der eine Beobachter die weiße Kugel hat, so
hat der andere Beobachter die schwarze Kugel. Noch etwas: In Bezug auf die
beiden Beobachter ist die Aussage, dass die eine Messung die andere
beeinflusst, nicht zulässig. Dies wiederum ist bei Elementarteilchen anders.
Und dieses Phänomen wurde von Einstein bereits als „spukhafte“ Fernwirkung
bezeichnet.
Einstein
vermutete hinter dem Phänomen der Quantenverschränkung verborgene Mechanismen,
die den Beobachten einfach noch unbekannt sind. Doch bislang hat sich diese
Annahme von Einstein nicht bestätigen lassen. Irrte er womöglich? Oder hat man
diese Mechanismen bis heute nur noch nicht aufgedeckt? Der Autor stellt in
seinem Beitrag noch einige Experimente vor, die mehr Licht ins Dunkel bringen
sollen. Ob daraus neue Erkenntnisse resultieren, bleibt jedoch abzuwarten.
Beitrag
8 – Interview. Ich will die Natur verstehen. Von Robert Gast
Gast
führt ein Interview mit dem Physiker Jörg Schmiedmayer von der Technischen
Universität Wien. Der Interviewte erläutert u.a., dass er ein abgeschlossenes
Quantensystem untersuchen will, das sich im Gleichgewicht befindet, das seinen
Zustand also nicht mehr ändert. Ziel seiner Forschung ist es, eine Beschreibung
für Nicht-Gleichgewichts-Systeme herauszuarbeiten und Annahmen darüber
aufzustellen, wie sich Strukturen in solchen Systemen entwickeln.
Beitrag
9 – Theoretische Physik. Viele Alltagswelten für eine Quantenwelt. Von
Alexandra Witze
In
diesem Beitrag wird eine irrwitzige Theorie vorgestellt. Drei Physiker meinen,
die Eigenschaften der Quantenwelt darauf zurückführen zu können, dass mehrere
parallele Alltagswelten miteinander wechselwirken. Sie bezeichnen ihren Ansatz
die „Viele-Welten-Interpretation“. Ihrer Meinung nach lassen sich viele
Quantenphänomene, wie z.B. der Tunneleffekt, durch gegenseitig beeinflussende
Welten erklären. Klingt abgedreht, ist es in meinen Augen auch. Was die
Forscher bisher jedoch nicht mit ihrem Ansatz erklären können, ist das Phänomen
der Verschränkung.
Beitrag
10 – Essay. Machen Quanten Sprünge? Von David Tong
In
seinem Essay beleuchtet der Autor die Diskussion darum, ob unsere Realität
analog oder digital ist. Nach seiner Auffassung herrsche in der Physik seit
jeher eine Debatte zwischen analogen und digitalten Ansätzen. Die
Quantenmechanik habe dieser Debatte eine neue Wendung gegeben. Für mich ist der
Beitrag zu sperrig, es wird zu viel Vorwissen vorausgesetzt. Schade!
Beitrag
11 – Nobelpreise 2012. Kontrolle über Schrödingers Katze. Von Thomas Bührke
Hier
werden die Preisträger David J. Wineland und Serge Haroche genauer vorgestellt.
Beide Forscher haben Techniken entwickelt, wie man die Übergänge von Mikro- zu
Makrowelt genauer untersuchen kann. Sie führten viele neuartige und schwierige
Experimente durch. Wineland hat sich z.B. mit der Frage beschäftigt, wie man
einzelne Atome einfangen und v.a. kontrollieren kann. Er fing sog. Ionen ein, hat
diese wiederum mit Lasern gezielt beeinflusst sowie ihre Eigenschaften
vermessen. Haroche wiederum gelang es, Informationen über Lichtteilchen zu
erhalten, ohne sie dabei zu zerstören. Dafür verwendete er im Rahmen seines
Experiments Spiegel mit einer hohen Reflexivität. Letztlich haben beide
Forscher viele Vorhersagen der Quantenphysik experimentell bestätigt und
technologischen Fortschritt bewirkt. So gelang es Wineland z.B. eine sog. Optische
Uhr zu konstruieren, die 100-mal genauer arbeitet als eine Atomuhr. Auch für
die Entwicklung von Quantencomputern haben sie wichtige Pionierarbeit
geleistet.
Beitrag
12 – Wissenschaftsgeschichte. Einsteins unbemerkte Revolution. Von Rainer
Kayser
Der
Autor widmet sich in seinem wissenschaftsgeschichtlich ausgerichteten Beitrag
Einstein und beleuchtet, welche Schwierigkeiten dieser mit dem
Forschungsbereich der Quantenphysik hatte. Er habe viele ihrer Ideen und
Deutungen abgelehnt. Statt Zufälle anzunehmen, vermutete Einstein die Existenz
verborgener Variablen, die man noch entdecken müsse. Das Phänomen der
Verschränkung war für Einstein der Beweis, dass die Quantentheorie noch
unvollständig sei. Inzwischen weiß man aber, so der Autor, dass unsere Realität
nicht lokal ist. Dies wurde mit verschiedenen Experimenten nachgewiesen. Auch wird
eine Kontroverse von Niels Bohr und Einstein im Hinblick auf die
Unschärferelation in diesem Beitrag nachgezeichnet. Beide Forscher haben sich
zeitlebens über physikalische Themen gestritten. Dabei wurde immer wieder
deutlich, dass sich Einstein mit vielen Konzepten der Quantenphysik nicht
anfreunden konnte. Er dachte sich immer wieder Gegenbeweise aus, die sich allerdings
allesamt als nicht haltbar herausgestellt haben. Sehr interessant!