Tschernobyl 2.0
Bis auf die vollständige Transport-Reihe habe ich von Phillip P.
Peterson alle Bücher gelesen. Oft habe ich sie in einem Rutsch innerhalb
weniger Tage durchgelesen. Was ich an seinen Büchern immer sehr schätze: Er
kann absolut packend und spannend erzählen, seine Bücher zeichnen sich durch
einen klaren roten Faden aus und man will stets wissen, wie es weitergeht.
Nicht jeder Autor schafft es, seine Leser so zu fesseln. Das ist ganz klar eine
Qualität. Trotzdem war ich in der Vergangenheit oft kritisch, insbesondere die
Figurenzeichnung habe ich oft bemängelt (vgl. frühere Rezensionen).
Nun habe ich sein neuestes Werk „Nano“ gelesen und bin begeistert. Ich
konnte es kaum aus der Hand legen und fand den Spannungsbogen absolut gelungen
konzipiert. Und die Charakterisierung der Figuren geht für einen Thriller
völlig in Ordnung, die psychologische Tiefe ist vorhanden. Man fiebert mit den
Protagonisten mit und kann mit ihnen mitfühlen. Während des Lesens entstehen
folgende Fragen: Wo führt diese Katastrophe noch hin? Lässt sie sich eindämmen?
Und wenn ja, wie?
Und der Autor bietet uns inhaltlich nun einmal etwas anderes. Es geht
einmal nicht um Raumfahrt oder eine kosmologische Katastrophe. Nein, dieses Mal
legt Peterson einen Wissenschaftsthriller vor, bei dem es vor allem um die
Schilderung eines fehlgeschlagenen Experiments geht. Das vorgestellte
Horror-Szenario nimmt dabei immer größere und unvorstellbarere Ausmaße.
Erinnerungen an Tschernobyl werden bei der Lektüre wach.
Durch geschickte Perspektivwechsel wird das Ereignis aus
unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet. Wir haben Leute, die direkt an der
Einsatzstelle vor Ort agieren, wir haben Politiker, die schwierige
Entscheidungen treffen müssen und von außen durch Experten beraten werden. Und
wir haben eine junge Mutter, die bei der Katastrophe ihren Mann verliert und
mit ihrer Tochter Massenpanik und Flucht durchleben muss.
Was mir auch gut gefallen hat, der Thriller nimmt sich auf den ersten
Seiten erstmal Zeit, die Figuren in Ruhe einzuführen. Auch eine Kritik am
Wissenschaftsbetrieb und an der Mittelvergabe wird auf den ersten Seiten gut
deutlich. Zudem fließt dieses Mal auch eine politische Seite mit in die
Handlung ein und wird gut in den Blick genommen, ebenso wie das (misslungene) Krisenmanagement
und das Kompetenzgerangel.
Auch spielt der Autor gekonnt mit dem Erzähltempo. Es gibt
zwischenzeitlich immer einmal wieder ruhigere Passagen zum Durchatmen, dann
zieht das Tempo wieder an und die Seiten verfliegen nur so. Der Autor versteht
es hervorragend, der Handlung immer wieder neue Impulse zu verleihen, so dass
die Lektüre nie langatmig wird. Und die Taktung der Ereignisse nimmt zum Ende
hin immer weiter zu. Die „Spannungsschraube“ wird geschickt immer weiter nach
oben gedreht. Der Schreibstil ist durchgängig packend und mitreißend.
Zwischendurch gibt es auch drastischere Passagen, in denen Menschen zu
Schaden kommen oder ihr Leben verlieren. Solche Textstellen gehen schon ganz
schön unter die Haut. Teilweise hatte ich schon grausige Bilder im Kopf. Ich
war schon ganz froh, dass der Autor es aber nicht mit solchen Sequenzen
übertreibt, sonst wäre es doch zu sehr ins horrormäßige abgedriftet.
Natürlich muss man sich auf das Szenario, das der Autor hier entwirft,
einlassen. Man sollte beim Lesen nicht zu viel hinterfragen. Die Lektüre von
Petersons Büchern lässt sich in meinen Augen gut mit dem Schauen eines
Blockbusters vergleichen. Vielleicht ist Peterson sogar der Roland Emmerich des
deutschen Buchmarkts. Man wird sehr gut unterhalten und wie im Kino krallt man
sich beim Lesen des Öfteren in seinem Sessel fest, weil man unbedingt wissen
will, ob und wie die Katastrophe eingedämmt wird.
Das einzige, was ich dieses Mal etwas kritisch beleuchten kann, ist
der Umstand, dass manches, was sich der Autor ausdenkt etwas schwarz-weiß ist. So
wird bei den Politikern z.B. schon oft das Klischee bedient, dass es sich bei
ihnen um egozentrische, machthungrige Karrieristen handelt. Auch hätte er sich
am Ende ruhig mehr Zeit nehmen können, das Setting „auszuerzählen“. Aber sonst
habe ich nichts zu bemängeln.
Fazit:
Für mich das bisher beste Buch aus der Feder von Phillip P.
Peterson. Das Werk überzeugt durch einen ausgefeilten Spannungsbogen und einen
packenden, mitreißenden Schreibstil. Der Autor versteht es, der Handlung immer
wieder neue spannungserregende Impulse zu versetzen, so dass keine Längen
entstehen. Man fiebert mit den Protagonisten mit und will wissen, ob die
Katastrophe abgewendet werden kann und wenn ja, wie. Lediglich das Ende wirkte
etwas zu überstürzt erzählt. Ich vergebe 5 Sterne. Bücher, die so fesseln, gibt
es nur wenige.
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