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Donnerstag, 12. September 2024

Grann, David - Der Untergang der Wager


Ein Buch als Fenster zu einer anderen Epoche



Lust auf einen historischen Seefahrer-Abenteuerroman, der noch dazu auf wahren Begebenheiten und einer exakten Recherche des Autors beruht? Dann kann man mit „Der Untergang der Wager“ von David Grann nichts falsch machen (in den USA war der Titel übrigens ein großer Erfolg). Man erhält durch die Lektüre einen sehr atmosphärisch aufgeladenen Einblick in die Zeit der Seefahrt des 18. Jh.

 

Wir erfahren zu Beginn z.B., auf welche Weise die Besatzung eines Schiffs rekrutiert worden ist. Meist handelte es sich bei den Mannschaftsmitgliedern um verzweifelte Existenzen, um Gescheiterte und Ausgestoßene der Gesellschaft. Der Großteil der Männer wird zwangsrekrutiert. Darüber hinaus lernen wir das Leben an Bord kennen. Die bestehenden Hierarchien und Lebensbedingungen werden gut greifbar. Er herrscht eine strenge Disziplin. Körperliche Züchtigungen sind an der Tagesordnung. Es kommt gut zum Ausdruck, welche Tätigkeiten auf dem Schiff erforderlich waren, um den Betrieb am Laufen zu halten. Und die Beschreibungen sind so bildhaft und detailliert, dass man beim Lesen in eine vergangene Epoche eintaucht. Großartig!

 

Weitere Highlights, die ich spannend und interessant zu lesen fand: Wie läuft es ab, wenn ein Schiff auf hoher See in ein Gefecht mit einem gegnerischen Schiff gerät. Was geht den Männern dabei durch den Kopf? Und welche Vorbereitungen müssen für Angriff und Verteidigung getroffen werden? Im Handlungsverlauf werden auch immer wieder einzelne Mannschaftsmitglieder herausgegriffen und uns näher vorgestellt, so dass wir sie besser kennen lernen. Das schafft eine gewisse Nähe zu den Figuren. Und noch etwas, das aus heutiger Sicht kaum vorstellbar ist: Die Männer an Bord hatten aufgrund der hygienischen Bedingungen und Mangelernährung mit vielen Krankheiten zu kämpfen (Fleckflieber, Skorbut). Der Tod ist als Begleiter allgegenwärtig und die medizinischen Möglichkeiten sind noch arg beschränkt. Aus heutiger Sicht ist es kaum vorstellbar, auf welche abenteuerliche Reise sich die Männer damals begeben haben. Sie waren dazu bereit, unglaublich große Entbehrungen auf sich zu nehmen. Und es ist unfassbar zu lesen, was die Mannschaft alles hat ertragen müssen und welches Leid sie über die gesamte Zeit ihrer Mission hinweg ausgehalten hat.

 

Beim Lesen wird die herausfordernde Mission der Umrundung von Kap Hoorn lebendig. Das liest sich ebenfalls sehr spannend. Der gefährliche Kampf gegen die Elemente kommt gut zum Ausdruck. Und es passiert das, was der Titel bereits verrät: Die Wager erleidet Schiffbruch. Ein Teil der Männer schafft es, sich auf eine nah gelegene Insel zu retten und muss fortan ums Überleben kämpfen. Sie müssen sich in der neuen feindlichen Umgebung einrichten, Nahrung beschaffen und der Kälte trotzen. Die Nerven der Männer sind zunehmend angespannt, es kommt immer häufig zu Reibereien sowie Gewaltausbrüchen und die strenge Hierarchie, die noch an Bord galt, verliert mehr und mehr an Bedeutung. Es kommt zu Gehorsamsverweigerungen und mit drakonischen Strafen versuchen die Vorgesetzten die Ordnung aufrechtzuerhalten. Doch es kommt, wie es kommen muss. Die Situation auf der Insel eskaliert. Doch ich will hier nicht verraten, was sich genau ereignet hat. Das möge jede und jeder selbst herausfinden. Nur so viel: Die Überlebenden, die es später noch zurück ins Empire schaffen, müssen sich vor einem Kriegsgericht verantworten. Es kommt zu einer Verhandlung, die am Ende des Buchs ebenfalls geschildert wird.

 

Letztlich entsteht ein prächtiges „Gemälde“ der damaligen Zeit und es wird klar, dass sich nur schwer rekonstruieren lässt, was um den Schiffbruch der Wager herum genau passiert ist. Es konkurrieren zu viele unterschiedlichen Quellen und Aussagen miteinander. Doch ich bewundere den Autor für seine ausführliche Recherche. Er hat unglaublich viele Quellen ausgewertet (das Literaturverzeichnis belegt das), um dem Geschehen rund um die Wager Leben einzuhauchen: Tagebücher, Logbücher, Briefe, offizielle Dokumente aus Archiven, Reiseberichte, Gerichtsunterlagen, Zeitungsberichte. Und als ob das noch nicht reicht, hat der Autor auch eine Recherchereise zu dem Ort unternommen, an dem die Wager gestrandet ist. Das verleiht der Schilderung der Örtlichkeiten noch einmal mehr Authentizität. Großartig! Am Ende punktet das Buch zudem noch mit einem Bildteil in Farbe (33 Illustrationen sind enthalten). Die Bilder vermitteln ebenfalls einen guten Eindruck von den Geschehnissen rund um die Wager. Was will man mehr? Von mir gibt es für dieses Buch 5 Sterne. Ich habe durchgängig mit Interesse gelesen und es hat mir viel Lesefreude bereitet, am Beispiel der Wager in diese vergangene Epoche einzutauchen. Bitte mehr solcher Bücher!

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