Noch einmal Science-Fiction von Andreas Gruber
Andreas
Gruber ist bei vielen Leser:innen bekannt für seine Thriller-Reihen um Maarten
S. Sneijder, Walter Pulaski oder Peter Hogart. Seine ersten Gehversuche als
Autor unternahm er allerdings in einem anderen Genre. Ab 1996 verfasste er
zahlreiche Kurzgeschichten im Horror- und Science-Fiction-Bereich (vgl. Vorwort
zu „Apocalypse Marseille“ von 2016, erschienen im Luzifer-Verlag). Erst
kürzlich habe ich seinen Erzählband „Die letzte Fahrt der Enora Time“ gelesen
und rezensiert, der erstmals 2001 erschienen und in überarbeiteter Form
nochmals 2018 im Luzifer-Verlag veröffentlicht worden ist, und war sehr angetan
von der großen Bandbreite seines erzählerischen Könnens (vgl. dazu meine
frühere Rezension). Aus diesem Grund wollte ich noch mehr Science-Fiction aus
der Feder von ihm lesen. Und glücklicherweise gibt es mit „Apocalypse Marseille“
(2016) einen weiteren Erzählband. Und eines vorweg: Auch dieses Werk hat wieder
einiges zu bieten.
Es
geht bereits los mit einem interessanten Vorwort, in dem uns Gruber über seinen
persönlichen Zugang zur Science-Fiction berichtet. Wir erfahren etwas über
seine Lesebiographie und darüber, welche medialen Einflüsse ihn als Autor
geprägt haben. Man kann die eine oder andere Anregung für eigene Lektüren
daraus mitnehmen. Und es wird an seinem Beispiel gut deutlich, dass ein Autor
nicht „nur“ schreibt, sondern auch viel selbst liest. Interessant!
Der
Band enthält 13 Kurzgeschichten, die sich ganz unterschiedlichen Sub-Genres
zurechnen lassen. Man erhält also auch noch einen guten Überblick über die
verschiedenen Spielarten von Science-Fiction. Und abermals war ich nach der
Lektüre beeindruckt davon, wie viele verschiedenartige spannende Ideen Gruber erschaffen
hat. Der Schreibstil hinterließ zudem teils auf mich auch einen anderen
Eindruck als noch bei „Die letzte Fahrt der Enora Tim“. Einige Geschichten sind
deutlich offener gehalten und eröffnen auf diese Weise vermehrt Interpretationsspielräume,
regen zum weiteren Nachdenken an. Auch enden viele Erzählungen recht abrupt und
bleiben teils offen. Das hat mir sehr gut gefallen.
Und
ich konnte wieder einige Highlights ausfindig machen. So z.B. die Erzählung „Einundvierzig
Grad nördliche Breite“, bei der es sich um eine Zeitreise-Geschichte handelt.
Der Untergang der Titanic soll verhindert werden. Das Schiff wird dabei zum
Spielball verfeindeter Mächte, die die Katastrophe abwenden bzw. die Abwendung
der Katastrophe verhindern wollen. In einer weiteren Erzählung wird eine
dystopische Reality-Show beschrieben („Weiter oder raus“), die an „Running Man“
erinnert, aber noch deutlich brutaler daherkommt. Nichts für schwache Nerven!
Vier Kandidaten nehmen aus unterschiedlichen Motiven an der Show teil und werden
dann gequält. Sie müssen vor laufender Kamera immer neue Schmerzprüfungen
überstehen und sich entscheiden, ob sie weitermachen oder aussteigen wollen
(ein schöner Seitenhieb auch auf solche Shows wie „Dschungelcamp“ und andere).
Eine weitere Erzählung die mir gut gefallen hat: „Wenn der Himmel gefriert“. Eine
Hommage an „Terminator“ von James Cameron, mit der eine Leerstelle des Films
kreativ ausgefüllt wird. Was passiert kurz nach dem Tag des Jüngsten Gerichts,
wenn Maschinen die Macht ergreifen und die Menschheit auszulöschen versuchen?
Eine Protagonistin kämpft ums nackte Überleben und versucht andere Überlebende
zu finden. Ein weiteres Highlight: „Parkers letzter Auftrag“. Ein Mann lässt
sich Nano-Maschinen in den Körper injizieren, um den Alterungsprozess
aufzuhalten. Und dann noch eine Abenteuergeschichte im Stil von „Indiana Jones“,
gepaart mit „Stargate“ („Der Maya-Transmitter“). Bei der Erforschung einer
Maya-Pyramide stößt man auf eine ungewöhnliche Maschine. Was hat es mit ihr auf
sich?
Bei einigen Kurzgeschichten sind die Enden offen gehalten, so dass man selbst zum Nachdenken über den möglichen weiteren Verlauf angeregt wird. Auch das fand ich klasse. Grundsätzlich hat mir „Apocalypse Marseille“ auch noch ein Stück besser gefallen als „Die letzte Fahrt der Enora Time“. Mir gefielen vor allem die vielen intermedialen Anspielungen. Und es gab einige Geschichten, in denen Gruber trotz aller Kürze der Erzählung, ein hohes Maß an Spannung erzeugen konnte. Und wie schon in dem anderen Erzählband gibt Gruber auch wieder viel Einblick in Autobiographisches und gewährt einen Einblick in seinen Werdegang als Schriftsteller (Stichwort „Druckkostenzuschuss-Verlag“). Jeder Kurzgeschichte wird ein kleines persönliches Vorwort vorangestellt. Ich wurde rundum sehr gut unterhalten. Ein toller Erzählband! Und ich bekräftige noch einmal meinen Wunsch, irgendwann hoffentlich einmal einen längeren Science-Fiction-Roman von Andreas Gruber zu lesen.
2 Kommentare:
Prima, deine Anmerkungen gefallen mir sehr gut. Andreas Gruber ist sehr vielseitig und nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt. VG
Danke Dir!
Kommentar veröffentlichen